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Bindungsangst
Als Bindungsangst (englisch fear of commitment; gelegentlich lateinisch Commitorum Metus; auch: „Bindungsphobie“, „Beziehungsverweigerung“) wird eine Form der Angst bezeichnet, die manchmal solchen Menschen zugeschrieben wird, die mit einer anderen Person zwar eine Sex- oder Liebesbeziehung unterhalten, mit dieser aber keine Partnerschaft eingehen. Gemäß der zugrundeliegenden Theorie hätten solche Menschen eigentlich den Wunsch nach Partnerschaft, seien aber von ihrer übermäßigen und idiosynkratischen Furcht vor Gefühlen, Nähe, Intimität, Selbstverpflichtung, Commitment und/oder Beeinträchtigung ihrer Selbstbestimmung daran gehindert, diesem Wunsch nachzugehen. Durch die Verwendung des Begriffs wird das Verhalten des „Beziehungsverweigerers“ also pathologisiert. Dies führt dazu, dass alternative Deutungen vor allem vom abgewiesenen Partner kaum mehr in Betracht gezogen werden. Dabei kann der „Beziehungsverweigerer“ auch aus guten Gründen die Partnerschaft abgelehnt haben oder Partnerschaft allgemein ablehnen.
Der Begriff der „Bindungsangst“ wird hauptsächlich im Kontext dieser alltagspsychologischen Theorie gebraucht, die sich mit ihrer Begrifflichkeit aus der Tiefenpsychologie bedient. In der klinischen Psychologie (ICD-10, DSM-5) ist eine „Bindungsangst“ nicht bekannt. Auch in der Sozialpsychologie ist der Ausdruck kaum gebräuchlich; wenn er überhaupt verwendet wird, so nicht, um Angst vor Bindung zu bezeichnen, sondern Angst vor Risiken, die mit Bindung verbunden sein können (z. B. Angst vor dem Verlassenwerden). Eine Ausnahme bildet die Forschungsarbeit des Projekts Sozialpsychologie der Ruhr-Universität Bochum, wo ein Wissenschaftlerteam 2007 den Bochumer Bindungsfragebogen (BoBi) entwickelt hat, ein Messinstrument zur Selbsteinschätzung der partnerschaftlichen Bindung.
Die gegensätzliche Angst, die zu vorschnellem „Klammern“ führt, wird umgangssprachlich Verlustangst genannt.
Inhaltsverzeichnis
Gesellschaftlicher Wandel des Bindungsverhaltens
In den 1950er und 1960er Jahren, dem „Goldenen Zeitalter der Ehe“, war die deutsche Bevölkerung fast vollständig in Familien eingebunden. Mehr als 90 Prozent der Frauen und Männer haben innerhalb dieser zwei Dekaden mindestens einmal geheiratet.
Im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Heiratsrate sich dann halbiert. Schon 1992 waren von den 25- bis 34-Jährigen nur noch 57 % verheiratet.
2016 lebte in 41 % aller Haushalte nur eine einzige Person. Anfang 2018 haben in Deutschland 16,8 Mio. Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren als Singles gelebt; das ist in dieser Altersgruppe rund jeder Dritte. 81 % davon würden gern in einer festen Beziehung leben.
Im Jahr 2013 haben in Deutschland 4,4 Mio. Menschen eine Beziehung zu jemandem geführt, der nicht am selben Ort lebt. Mehr als 1,7 Mio. Deutsche haben im selben Jahr mehr als 100 km von ihrem Partner entfernt, also in einer Fernbeziehung, gelebt.
„Bindungsangst“ in der populärpsychologischen Ratgeberliteratur
Im 21. Jahrhundert entstand im deutschsprachigen Raum – beginnend mit Stefanie Stahls Band Jein! (2008) – ein Genre der populärpsychologischen Ratgeberliteratur, das speziell Leserinnen ansprach, deren Partner zwar die Annehmlichkeiten einer Sex- oder Liebesbeziehung genießen, sich aber nicht den Verpflichtungen einer Partnerschaft unterwerfen wollten. In den Vereinigten Staaten war zwei Dekaden zuvor der Sachbuchautor Steven A. Carter mit Bestsellern wie Men Who Can’t Love (1987) vorangegangen.
Bindungsangst wird in dieser Literatur nicht als eine berechtigte Sorge angesichts möglicher Konsequenzen einer scheiternden Beziehung (Streit, Konflikte, Trennungsschmerz, Scheidungskosten, Unterhaltszahlungen usw.) oder als begreifliche Enttäuschungsprophylaxe verstanden, sondern als krankhafte Angst vor Gefühlen und vor Nähe: „Menschen mit Bindungsangst fällt es oft schwer ihre Gefühle zuzulassen und einen anderen Menschen in ihr Leben zu lassen. Deshalb vermeiden sie es oftmals gänzlich eine Beziehung einzugehen.“ Es ist die Bindung selbst, die als Bedrohung gedeutet wird.
Von der Bindungstheorie zur populärwissenschaftlichen Thematisierung von „Bindungsangst“
Dem Terminus „Bindung“ hatten in den 1950er Jahren die Entwicklungspsychologen Mary Ainsworth und John Bowlby internationale Aufmerksamkeit verschafft. Ihre Bindungstheorie beschrieb Bindungsstörungen der frühen Kindheit, eine Angst vor Bindungen kommt darin nicht vor. Personen, die in ihrer Kindheit eine problematische Bindungsgeschichte durchlaufen haben, entwickeln als Erwachsene in ihrem Sozialverhalten unter Umständen einen ängstlichen Stil (engl. fearful style, anxious/preoccupied style), der durch einen starken Wunsch nach menschlicher Nähe, aber auch Furcht vor deren Konsequenzen geprägt ist; die Betroffenen glauben, die Liebe und Unterstützung durch andere Menschen nicht verdient zu haben. Personen mit ängstlichem Bindungsstil haben ein sehr ausgeprägtes Bedürfnis nach Nähe, sind wenig selbstständig und von ihren Bezugspersonen hochgradig abhängig; vor Trennung haben sie große Angst.
In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre erscheint – angeregt durch die gesellschaftliche Diskussion um die Bindungstheorie – in der deutschsprachigen Literatur auch der Begriff „Bindungsangst“. Der Gebrauch erfolgte zunächst nur ad hoc, vielfach gar nicht in psychologischen, sondern in literaturwissenschaftlichen Schriften.
Eine Minderheit der Autoren populärwissenschaftlicher Ratgeberliteratur zur „Bindungsangst“ ist direkt aus dem Gedankenfundus der Bindungstheorie inspiriert. Im Gesundheitsportal NetDoktor wird z. B. vermutet, dass das eigentliche Problem der „Beziehungsvermeider“ darin bestehe, dass es ihnen infolge problematischer frühkindlicher Bindungserfahrungen an Vertrauen fehle. Die Abhilfevorschläge sind hier ähnlich wie bei Autoren, die der Tiefenpsychologie zugeneigt sind.
In diesem Kontext wird die Bindungsangst mit dem „vermeidenden“ Typ A der Bindungstheorie in Verbindung gebracht; die zur Bindungsangst gegensätzliche Verlustangst mit dem „ängstlichen“ Typ C. Die Vertreter dieser Sichtweise beschreiben, wie einige Beziehungen daran scheitern, dass ein Partner eher zur Bindungsangst neigt, der andere eher zur Verlustangst. Gemäß der Bindungstheorie gibt es auch den „chaotischen“ Typ D: Einzelpersonen, die unter beiden Ängsten gleichzeitig leiden und ihre Partner deshalb abwechselnd klammern und abstoßen (entspricht einer Borderline-Persönlichkeitsstörung). Diese Menschen bringen dadurch all ihre Beziehungen zum Scheitern.
Theoretische Inspiration durch die Tiefenpsychologie
In den 1990er Jahren mehrte sich im deutschsprachigen psychologischen Schrifttum die Verwendung des Ausdrucks „Bindungsangst“; so schrieb der österreichische Psychotherapeut Josef Rattner 1997 in einem Aufsatz über Simone de Beauvoir deren notorisch untreuem Partner Jean-Paul Sartre eine Bindungsangst zu. Die Autoren, die den Terminus verwendeten, darunter etwa Karl König, standen nicht der Bindungstheorie, sondern der Tiefenpsychologie (Psychoanalyse, Individualpsychologie) nahe und versuchten, eine Pathologie zu beschreiben und zu erklären, die sie im narzisstischen Formenkreis verorteten: ein Defizit an Empathie, das mit ausgeprägtem Egoismus, Angst vor emotionaler Abhängigkeit und einer Vermeidung enger Bindungen daherkomme.
Die populärpsychologische Ratgeberliteratur, die „Bindungsangst“ beschreibt, ist mehrheitlich von tiefenpsychologischem Gedankengut inspiriert, insbesondere von Konzepten wie Narzissmus, Unbewusstem, Verdrängung, Ambivalenz und Grundkonflikten. Die Autoren vermuten bei Personen, die ihrem Sexualpartner eine volle Partnerschaft vorenthalten, eine narzisstisch-bindungsphobische Störung, die nur dadurch kuriert werden könne, dass das Verdrängte ins Bewusstsein gebracht und aufgearbeitet wird.
Die Ursache für die Entstehung der narzisstisch-bindungsphobischen Störung suchen die Autoren in einer schlecht bemessenen Zuwendung, die dem Betroffenen als Kind entgegengebracht wurde, das heißt, er wurde entweder überbehütet oder vernachlässigt. Dass als zumeist Hauptschuldige die Mutter ausgemacht wird, soll erklären, dass Männer häufiger betroffen sind als Frauen. Es wird angenommen, dass traumatische Erfahrungen wie sexueller Missbrauch, Tod oder Scheidung der Eltern oder eigene schmerzhafte Trennungen die Problematik verschärfen.
Wenn sie als Erwachsene sexuelle Beziehungen eingehen, so geraten Personen mit narzisstisch-bindungsphobischer Störung in einen schweren Ambivalenzkonflikt. Einerseits haben sie – weil ihnen die in ihrer Kindheit vorenthalten wurde – große Sehnsucht nach Bindung. Andererseits fürchten sie Bindung aber auch, weil sie narzisstisch gestört sind und lieber autonom bleiben möchten. Sie empfinden Bindung als Einengung und Freiheitsentzug. Dieser Konflikt ist dem Bindungsphobiker – so schreiben die Ratgeberautoren – meist nicht bewusst, die Bindungsangst wird verdrängt oder geleugnet, eine Krankheitseinsicht fehlt. Stefanie Stahl geht sogar so weit, nicht nur den „Beziehungsverweigerer“ zu pathologisieren, sondern auch den Partner; dieser überlasse dem anderen nur die Initiative der Distanzierung, profitiere von dessen Beziehungsflucht aber, weil auch ihm selbst dadurch Nähe und Commitment erspart bleiben („passive Beziehungsverweigerung“). In Men Who Can’t Love hatten Steven Carter und Julia Sokol 1987 das düstere, brandmarkende Porträt eines Typus von beziehungsflüchtigen Männern geliefert, deren Verhalten sie als Ausdruck von Commitment Phobia und Beziehungsunfähigkeit deuteten, und in dem viele Leserinnen – zumeist Frauen mit schlechten Beziehungserfahrungen – ihren Noch- oder Expartner wiederzuerkennen glaubten. Zum Repertoire dieser bösartigen Narzissten gehören laut Carter und Sokol unter anderem Verhaltensweisen wie das willkürliche Vom-Zaun-Brechen von Streitigkeiten, kommentarloses Verschwinden über viele Tage, und Seitensprünge, die nur unternommen werden, damit die Partnerin sie entdeckt. In der deutschsprachigen populärpsychologischen Ratgeberliteratur dagegen stehen bei der Beschreibung von Beziehungsflüchtigen Verhaltensweisen wie das Ausweichen vor körperlicher Nähe (Sex, Kuscheln, Umarmen, Küssen, öffentliches Händchenhalten), das Zurücknehmen von Heiratsanträgen oder die Weigerung im Vordergrund, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen oder auch nur zusammen in Urlaub zu fahren.
Bindungsphobikern wird in der populärpsychologischen Ratgeberliteratur grundsätzlich empfohlen, sich in Introspektion zu üben, sich Ängste bewusst zu machen und einer Realitätsprüfung zu unterziehen, und die persönlichen Erinnerungen bis in die Kindheit hinein nach pathogenen Erlebnissen zu durchforschen. Der Partner und eventuell auch ein Psychotherapeut sollen in diesen Prozess einbezogen werden. Carter und Sokol gehen davon aus, dass bösartige Narzissten überhaupt nicht kuriert werden können.
Alternative Deutungen für Beziehungsflucht
Es ist charakteristisch für die populärpsychologische Ratgeberliteratur, dass sie – oftmals im Grenzbereich zum Disease Mongering – Symptombilder beschreibt, ohne eine Differentialdiagnostik oder gar solche alternativen Erklärungen anzubieten, die gänzlich außerhalb des Krankhaften liegen. Zum Vergleich hier darum, was die wissenschaftliche Psychiatrie und die Sozialpsychologie anbieten:
Psychiatrische Symptombilder
Die klinische Psychologie kennt keine narzisstisch-bindungsvermeidende Pathologie, wie sie in der populärpsychologischen Ratgeberliteratur beschrieben wird. Die einzige Störung mit dem Namensbestandteil „narzisstisch“, die in den medizinischen Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-5 vorkommt – die narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPD) – entspricht dem Bild der „Beziehungsverweigerung“ in keiner Weise. Zwar missbrauchen viele Personen mit NPD ihre Partner und werten sie ab, halten aber an ihnen fest und lassen sie auf keinen Fall gehen. Vereinzelt haben Autoren Bindungsvermeidung allerdings mit einem vulnerablen Typus des Narzissmus in Verbindung gebracht.
In der populärpsychologischen Ratgeberliteratur werden, wenn von „Beziehungsverweigerung“ die Rede ist, die Vermeidung von a. Nähe und von b. Commitment gleichgesetzt. Beide Verhaltensweisen kommen jedoch auch unabhängig voneinander vor: Menschen können sich an einen Partner binden, ohne sich ihm emotional zu öffnen, und umgekehrt öffnen Menschen sich gegenüber anderen, mit denen sie nicht in festen Partnerschaften verbunden sind. Die klinische Psychologie kennt eine kleine Anzahl von Symptombildern, in denen Nähe oder Commitment vermieden werden:
Vermeidung von Nähe
Ein Ausweichen vor Nähe und Intimität wird am ehesten im Falle der selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung (AvPD) und der schizoiden Persönlichkeitsstörung (SPS) beschrieben. Personen mit AvPD haben eine ausgeprägte Furcht vor Kritik, Missbilligung oder Ablehnung, und lassen sich auf soziale Kontakte nur ein, wenn große Sicherheit besteht, dass sie gemocht werden. Personen mit SPS sind extrem introvertierte Menschen, die einen Umgang mit anderen Menschen generell meiden. Auch viele Personen im Autismusspektrum empfinden Nähe als unangenehm.
Bei den Bindungsstörungen existiert neben dem oben beschriebenen ängstlichen auch ein vermeidender Typus (dismissive-avoidant type). Als Erwachsene geben und verhalten sich Betroffene betont unabhängig und versuchen sehr, einen Anschein von Bedürfnislosigkeit zu erwecken; viele vermeiden es gänzlich, Beziehungen einzugehen. Die Bindungsstörungen wurden in die medizinischen Klassifikationssysteme zwar aufgenommen, werden dort jedoch als rein pädiatrisches Problem behandelt. Tatsächlich besteht die Symptomatik oft aber bis ins Erwachsenenalter fort und bedarf, wenn Leidensdruck gegeben ist, auch dann noch der Behandlung.
Ganz ohne Pathologie meiden manche Menschen intime Nähe zu ihrem Partner auch deshalb, weil sie sich uneingestandenermaßen eher zu Personen hingezogen fühlen, die einem anderen Geschlecht als dem des Partners angehören. Siehe: Gemischtorientierte Ehe.
Vermeidung von Commitment
Neben dem Ausweichen vor Nähe und Intimität kennt die klinische Psychologie auch ein Ausweichen vor Selbstverpflichtung. Dies wird etwa im Falle der dissozialen Persönlichkeitsstörung (APS) beschrieben. Personen mit APS fällt es meist leicht, Beziehungen zu anderen Menschen herzustellen; weil es ihnen an Empathie und an Gefühl für soziale Verantwortung fehlt, haben sie oft jedoch große Probleme, diese Beziehungen angemessen zu pflegen und aufrechtzuerhalten.
Sozialpsychologische Perspektive
Investmentmodell enger Beziehungen
Eine umfassende Theorie des Commitments in Partnerschaften hat 1983 die niederländische Sozialpsychologin Caryl Rusbult (Vrije Universiteit Amsterdam) vorgelegt, und zwar im Anschluss an George Levingers austauschtheoretischen Ansatz von 1976. Ihr Investmentmodell enger Beziehungen geht davon aus, dass Personen dann mit ihrer Partnerschaft zufrieden sind und sich an die Beziehung gebunden fühlen, wenn sie:
- aus der Beziehung Nutzen ziehen, ohne im Gegenzug allzu viel dafür geben zu müssen
- keine Alternativen haben, also keine andere Partnerschaften, die ihnen besser dienen
- viel Aufwand, Mühen, Zeit und andere Leistungen in die Partnerschaft „investiert“ haben
Im Rahmen einer Langzeitstudie hat Rusbult im selben Jahr nachgewiesen, dass dies keine reine Theorie ist, sondern von der Realität bestätigt wird. Die hier aufgeführten Bindungsfaktoren sind so stark, dass z. B. viele Frauen selbst an einem gewalttätigen Partner festhalten, der sie misshandelt; in diesem Falle ziehen sie aus der Beziehung zwar nur wenig erkennbaren Nutzen, glauben jedoch, viel in die Beziehung „investiert“ zu haben, und wissen auch keine Alternative.
Aufgrund einer generellen Verbesserung ihrer Lebenssituation sind Frauen in Ländern der Westlichen Welt heute weniger als jemals zuvor in der Geschichte darauf angewiesen, mit Männern zusammenzuleben. Insbesondere ökonomisch und sozial können Frauen ihr Leben heute ganz ohne männlichen Partner bestreiten. Frauen sind darum heute deutlich weniger bereit als in früheren Zeiten, unbefriedigende Beziehungen aufrechtzuerhalten. Insbesondere Frauen, denen umfangreiche Alternativen zur Verfügung stehen (wechselnde Liebschaften, Karriere, Freundschaftsnetzwerke), sind möglicherweise weniger motiviert, sich auf eine einzige romantische Beziehung festzulegen, und zwar selbst dann, wenn diese eventuell gut funktionieren würde.
Auch für Männer hat sich die Situation verändert. Da Frauen nicht mehr im selben Umfang wie früher auf Partnerschaften angewiesen sind, sehen Männer sich mit höheren Risiken konfrontiert, fürchten etwa Scheidungskosten und Kindesunterhalt. Wenn Beziehungen verminderten Nutzen versprechen und gleichzeitig das Risiko hoher Kosten bergen, sinkt die Motivation, sich einer Beziehung zu verschreiben. Viele Männer beginnen dann, sich nach Alternativen umzuschauen, und etwa mehrere unverbindliche Beziehungen gleichzeitig zu führen.
Der austauschtheoretische Ansatz ist in der Sozialpsychologie inzwischen umstritten. Guy Bodenmann hat ihm 2000 einen stresstheoretischen Ansatz entgegengestellt.
Messung von partnerschaftlicher Bindung
Im Projekt Sozialpsychologie der Ruhr-Universität Bochum hat ein Wissenschaftlerteam 2007 den Bochumer Bindungsfragebogen (BoBi) entwickelt, ein Messinstrument zur Selbsteinschätzung der partnerschaftlichen Bindung entlang der beiden Dimensionen Vermeidung und Angst. Das Forschungsinteresse der Bochumer Sozialpsychologen galt den Determinanten von Beziehungsflucht (Verträglichkeit, Neurotizismus, Beziehungsveränderungen).
Der Bochumer Fragebogen basiert auf einem Messinstrument namens Experiences in Close Relationships (ECR), das 1998 von einem Forschungsteam am College at Brockport der State University of New York vorgelegt worden war. Das Team in Brockport – Kelly A. Brennan und Phillip R. Shaver – hatte am Bindungsverhalten in Partnerschaften bereits seit Anfang der 1990er Jahre geforscht. Brennan und Shaver waren mehr als die Bochumer an der Bindungstheorie orientiert gewesen und sie hatten starke Zusammenhänge zwischen frühkindlicher Bindung und Paardynamik nachweisen können.
Literatur
Populärpsychologische Ratgeberliteratur (Auswahl)
- Hannah Cuppen: Liebe und Bindungsangst. Herder, 2016, ISBN 978-3-451-61399-9.
- Jana Jensemann: Bindungsangst verstehen und überwinden. Independently Published, 2018, ISBN 978-1-980828-02-0.
- Theresa König: Bindungsangst verstehen und überwinden: Warum Männer und Frauen unter Beziehungsangst leiden und was Sie als Betroffener oder Partner tun können. Bluepoint Publishing, 2012, ISBN 978-3-03799-300-2.
- Janett Menzel: Du liebst mich, oder doch nicht?: Wie Frauen mit beziehungsängstlichen Partnern wirklich umgehen sollten. CreateSpace, 2017, ISBN 978-1-981632-45-9.
- Stefanie Stahl: Vom Jein zum Ja!: Bindungsängste verstehen und lösen. Hilfe für Betroffene und ihre Partner. 4. Auflage. Ellert & Richter, 2014, ISBN 978-3-8319-0570-6.