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Colchicin
Strukturformel | ||||||||||||||||||||||
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Naturstoff Colchicin | ||||||||||||||||||||||
Allgemeines | ||||||||||||||||||||||
Name | (S)-(–)-Colchicin | |||||||||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C22H25NO6 | |||||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
weißes bis gelbliches Puder |
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Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | ||||||||||||||||||||||
ATC-Code | ||||||||||||||||||||||
Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
Molare Masse | 399,43 g·mol−1 | |||||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest |
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Schmelzpunkt |
155–157 °C |
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Löslichkeit |
löslich in Wasser (45 g·l−1 bei 20 °C) |
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Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||||||||
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Toxikologische Daten | ||||||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Colchicin, auch Colchizin, ist ein toxisches Alkaloid aus der Gruppe der Colchicin-Alkaloide und zählt zu den Tropolon-Derivaten. Es gilt als erbgutverändernd. Sein Name bezieht sich auf das Vorkommen in der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Colchicinhaltige Arzneimittel zur Behandlung der Gicht wurden schon in Mesopotamien und, im Papyrus Ebers belegt, im Alten Ägypten verwendet. Die Entdeckung und Isolierung des Colchicins im 19. Jahrhundert wird dem Heidelberger Pharmazeuten Philipp Lorenz Geiger zugeschrieben.
Geiger stellte Colchicin 1833 aus Samen von Colchicum autumnale dar. Damals waren Aufbereitungen der Herbstzeitlose bereits als Arzneidroge bekannt und kamen beispielsweise bei Gicht (Podagra) zum Einsatz. Heute wird Colchicin nur noch bei akuten Gichtanfällen oder bei einer Unverträglichkeit alternativer Arzneimittel angewendet. Darüber hinaus wird Colchicin in der aktuellen Leitlinie zur akuten Perikarditis als Erstlinientherapie zusammen mit einem nichtsteroidalen Antirheumatikum (NSAR) empfohlen. Colchicin ist das Mittel der Wahl beim familiären Mittelmeerfieber.
Vorkommen
Colchicin findet sich nicht nur in den Samen der Herbstzeitlosen (0,5 %), sondern auch in deren Blüten (bis zu 1,8 %), der Knolle (ca. 0,2 %) und den Blättern (0,03 %). Es tritt in Begleitung seines Alkohols (−)-Colchicein, Gloriosin und Lumicolchicin auf.
Stereochemie
Colchicin besitzt ein Stereozentrum, somit existieren zwei Enantiomere. Ist der Name Colchicin durch keinen Deskriptor näher gekennzeichnet, ist das natürlich vorkommende (S)-(–)-Colchicin gemeint.
(R)-(+)-Colchicin ist das Enantiomer von (S)-(–)-Colchicin, kommt in der Natur nicht vor und ist praktisch bedeutungslos.
Enantiomere von Colchicin | ||
Name | (S)-(–)-Colchicin | (R)-(+)-Colchicin |
Strukturformel | ||
CAS-Nummer | 64-86-8 | 75520-89-7 |
54192-66-4 (Racemat) | ||
EG-Nummer | 200-598-5 | |
ECHA-Infocard | 100.000.544 | |
PubChem | 6167 | 53278 |
2833 (Racemat) | ||
Wikidata | Q326224 | Q27122333 |
Q26998324 (Racemat) |
Synthese
Eine Totalsynthese von Colchicin ausgehend von Purpurogallin gelang dem Chemiker Albert Eschenmoser und Mitarbeitern 1959 an der ETH Zürich.
Analytik
Die zuverlässige qualitative und quantitative Bestimmung von Colchicin in Humanplasma gelingt durch Kopplung der HPLC mit der Massenspektrometrie nach adäquater Probenvorbereitung. Die Analytik von Urinproben ist ebenfalls mit dieser Methodik möglich. Auch für forensische Fragen stehen Verfahren mit besonderer Probenvorbereitung zur Verfügung.
Wirkung
Colchicin ist ein Mitose-Hemmstoff, der die Ausbildung der Spindelfasern hemmt, indem er an freie Mikrotubuli-Untereinheiten bindet, die damit nicht mehr für den Spindelfaseraufbau bei der Zellkernteilung zur Verfügung stehen. Die Vorgänge der Kernteilung werden dadurch nicht unterbrochen, sondern die Zellen durchlaufen die Mitosephasen sowie die Zellteilung mit unterschiedlichem Resultat. Wegen des gestörten Spindelapparates kommt es nicht mehr zur korrekten äquatorialen Ausrichtung der Chromosomen in der Metaphase. Ebenso unterbleibt die Aufteilung der Schwesterchromatiden während der Anaphase. Bei den Teilungsvorgängen entstehen daher ungleiche Tochterzellen mit verschiedenem Gehalt an Chromosomen. Eine Zelle mit fehlenden Chromosomen oder ohne Chromosomensatz ist nicht lebensfähig. Die andere Zelle mit überzähligen Chromatiden verdoppelt in der Interphase die Chromosomen. Tierische Zellen mit Polyploidie sterben meist ab.
Botanische Bedeutung
Bei pflanzlichen Zellen kommt es durch Polyploidie zur Vergrößerung der Zellen. So wurde Colchicin auch bei der Züchtung der Gattungshybride Triticale eingesetzt, da die bei der Kreuzung von Weizen und Roggen entstehenden Pflanzen haploid und daher unfruchtbar sind. Durch die Behandlung mit Colchicin entstehen diploide, fruchtbare Pflanzen. Des Weiteren können bei der Erzeugung von Pflanzen aus Mikrosporenkolonien durch eine Genomaufdopplung mit Colchicin doppelt haploide Individuen erzeugt werden. Diese sind durch die Aufdopplung in der Lage, Saatgut zur weiteren Zucht hervorzubringen.
Medizinische Bedeutung
Bei der Erstellung von Karyogrammen wird Colchicin eingesetzt, um die Mitose in der Metaphase zu stoppen und so Chromosomen zu gewinnen, die sich lichtmikroskopisch gut beurteilen lassen.
Für das „Gichttherapeutikum“ Colchicin finden sich zunehmend Hinweise für erfolgreiche Anwendungen bei einer Vielzahl weiterer ganz unterschiedlicher Krankheitsbilder. Im Jahr 2020 wurden auch Studien zur Wirksamkeit als Therapeutikum gegen Covid-19 begonnen.
In entsprechender Dosis eingenommen, werden im Körper Zellteilungsprozesse verhindert. Dadurch kommt es überall im Körper zur Bildung nichtfunktionsfähiger Zellen, deren Beseitigung das Immunsystem überlastet. Dies führt zu schweren Vergiftungserscheinungen und kann lebensgefährlich sein. Bei der Einnahme von Colchicum-Arzneien darf eine Höchstdosis nicht überschritten werden. Das Mittel fällt unter die rezeptpflichtigen Medikamente und sollte nie ohne Kontrolle durch einen Arzt eingenommen werden, da gerade Kinder, ältere Menschen und Schwangere gefährdet sein können.
Die Anwendung von Colchicin ist bei Lebensmittel liefernden Tieren gemäß der EU-Rückstandshöchstmengen-Verordnung für Lebensmittel tierischen Ursprungs in der Europäischen Union generell verboten.
Gicht
Colchicin kann als Tablette oder Tropfen genommen werden und beseitigt die oft extremen Gelenkschmerzen bei Gicht sehr zuverlässig. Aufgrund der geringen therapeutischen Breite soll eine Einzeldosis von 2 mg und eine Tagesdosis von 6 mg nicht überschritten werden. Bei 12 mg gab es bereits Todesfälle. Zur Minderung von Nebenwirkungen (insbesondere Durchfall) wird heute eine niedrigere Dosis empfohlen. Die Wirkung beruht wahrscheinlich auf einer Hemmung der Einwanderung von Entzündungszellen in die Gelenke. Die Ausscheidung erfolgt zum Teil unverändert über die Nieren, aber auch über die Galle mit enterohepatischem Kreislauf (Halbwertszeit: 4–5 h).
Familiäres Mittelmeerfieber
Bei Patienten mit familiärem Mittelmeerfieber kann die lebenslange Einnahme von Colchicin die Entstehung einer Amyloidose verhindern.
Krebs
Es wurde auch versucht, die zellteilungshemmende Wirkung von Colchicin zur Krebstherapie zu nutzen. Colchicin ist jedoch zu toxisch für eine therapeutische Anwendung (geringe therapeutische Breite), daher gibt es keine zugelassenen Arzneimittel mit Colchicin für diese Indikation. Mit ähnlicher Wirkungsweise (‚Spindelgift‘ mit Hemmung der Mitose) werden in der Onkologie die Vincaalkaloide eingesetzt.
Zirrhose
Auch wenn sich im Tierversuch die Faserbildung in der Leber durch die Verabreichung von Colchicin hemmen lässt, konnte bei einer klinischen Studie an 55 Patienten mit histologisch gesicherter alkoholischer Leberzirrhose keine signifikante Besserung gegenüber einer Placebogruppe festgestellt werden. Die Beobachtungszeit betrug mehr als 40 Monate. Die Nebenwirkungen waren tolerabel.
Morbus Behçet
Beim Morbus Behçet konnten in verschiedenen Studien, insbesondere bei Kindern, positive Ergebnisse erhalten werden. Im Vergleich zu Steroiden oder Immunsuppressiva scheint Colchicin vorteilhaft aufgrund der besseren Langzeitverträglichkeit.
(Akute) Perikarditis
Colchicin lindert unter anderem auch Entzündungen an serösen Schleimhäuten, wie bei der Perikarditis. Vor allem bei der akuten Perikarditis zeigt die Therapie mit Colchicin eine gute Wirkung.
Colchicin senkt die Rezidivrate der akuten und rezidivierenden Perikarditis laut einer Cochrane Meta-Analyse.
SARS-CoV-2-Infektion
Von der Therapie von SARS-CoV-2-Infektionen mit Colchicin raten sowohl die deutsche AWMF (bei stationärer Therapie) als auch die WHO (bei nicht-schwerer Erkrankung) in ihren Leitlinien stark ab. Grundlage für diese Empfehlungen mit Stand Juli 2022 ist jeweils die Gesamtbetrachtung mehrerer klinischer Studien in Form einer Meta-Analyse.
Laut den im August 2021 veröffentlichten Ergebnissen der COLCORONA-Studie mit 4.506 nicht hospitalisierten Patienten aus den USA, Kanada, Europa, Südamerika und Südafrika soll Colchicin in der Lage sein, bei Patienten mit einer PCR-bestätigten SARS-CoV-2-Infektion das Risiko für Tod oder Hospitalisierung geringfügig und knapp signifikant zu verringern (4,6 % vs. 6,0 %).
Nebenwirkungen
Als häufige Nebenwirkungen kann es zu schweren Durchfällen kommen, weil auch die Epithelzellen des Darmes sehr teilungsaktiv sind und empfindlich reagieren. Bei Überdosierung wird die Niere unter Umständen irreparabel geschädigt. Bei längerer Anwendung kann es zu Schäden des Knochenmarks und Haarausfall führen. Des Weiteren kann es zu Übelkeit, Bauchschmerzen und Erbrechen kommen.
Gelegentliche Nebenwirkungen sind unter anderem: Hautbeschwerden wie Juckreiz; Hautbrennen und/oder Hautblutungen, Blutbildveränderungen mit Abfall der weißen Blutkörperchen, Blutarmut, Nerven- und Muskelschwäche, Benommenheit, Nierenschäden, Störungen des Nagelwachstums sowie verschiedene Überempfindlichkeitsreaktionen.
Heute werden unter anderem wegen der bekannten Nebenwirkungen bevorzugt andere Schmerzmittel wie Indometacin aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) verwendet.
Literatur
- M. Huebler: Ueber Colchicin. In: Archiv der Pharmazie. Band 171, 1865, S. 193–216.