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Oligodendrogliom

Oligodendrogliom

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Das Oligodendrogliom (veraltet: Oligodendrozytom) ist ein neuroepithelialer Tumor unterschiedlicher Dignität, der vermutlich von den Oligodendrozyten, einem Zelltyp der Glia, ausgeht.

Einführung

Das Oligodendrogliom wurde 1926 erstmals von Harvey Williams Cushing und Bailey beschrieben und aufgrund der morphologischen Ähnlichkeit mit Oligodendrozyten als solches benannt. Allerdings gibt es keinen Beweis, dass ein Oligodendrogliom aus einem Oligodendrozyt entsteht. In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur werden unter anderem Stammzellen oder gliale Progenitorzellen diskutiert. Der Tumor tritt besonders bei Erwachsenen im mittleren Lebensalter (35–50 Jahre) auf, wurde aber auch bei Kindern beobachtet. Etwa 4 bis 8 % aller Hirntumoren sind Oligodendrogliome. Die Inzidenz der Oligodendrogliome scheint in den letzten Jahren anzusteigen. Als Grund wird diskutiert, dass die guten therapeutischen Erfolge zunehmend Neuropathologen dazu bewegen, gliale Tumoren weniger als Astrozytome denn als Oligodendrogliome zu beurteilen.

Ursachen

Die Ursache von Oligodendrogliomen ist unklar. In einzelnen Fällen wurden diese Tumoren nach Gehirnbestrahlung,Gehirnverletzungen oder bei Multipler Sklerose beschrieben. Zudem gibt es Fallberichte mit familiären Häufungen. Widersprüchliche Daten liegen über eine virale Induktion vor.

Klinische Symptome

Klinische Erstsymptome können neben den allgemeinen Hirndruckzeichen wie Kopfschmerzen, anhaltender Übelkeit und Erbrechen typischerweise auch epileptische Anfälle sein.

Bildgebung

Typischerweise erfolgt die Diagnostik durch eine Kernspintomografie mit und ohne Kontrastmittelgabe oder durch eine Computertomografie, die manchmal Verkalkungen zeigt. Eine Kontrastmittelanreicherung zeigt nicht so sicher wie bei Astrozytomen einen Übergang zur Anaplasie an.

Neuropathologie

Oligodendrogliome treten vor allem im Großhirn mit einer Verteilungsfrequenz von 3:2:2:1 zwischen Stirn-, Scheitel-, Schläfen- und Hinterhauptslappen auf. Das Oligodendrogliom gehört zur Gruppe der diffusen Gliome. Nach der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems ist das Oligodendrogliome WHO-Grad II. Mikroskopisch erkennt man optisch leere Räume um die Zellkerne, ein sogenanntes typisches „Honigwabenmuster“ – ein Artefakt aus der histologischen Aufarbeitung.

Weiterhin erkennt man sehr gleichförmige runde Zellkerne und langgezogene gerade Kapillaren. Manchmal findet man auch Mischtumoren mit Astrozytomen, hier spricht man dann von Oligoastrozytomen. Da es keine definierten Zahlen zum Anteil oligodendroglialen und astrozytären Tumorgewebes bei Oligoastrozytomen gibt, variieren die Diagnosezahlen von Oligodendrogliomen und Oligoastrozytomen zwischen den neuropathologischen Instituten zum Teil erheblich.

Molekulargenetik

Etwa 90 % der Oligodendrogliome WHO Grad II weisen kombinierte Allelverluste auf dem kurzen Arm von Chromosom 1 (1p) und dem langen Arm von Chromosom 19 (19q) auf. Temporal-gelegene Oligodendrogliome zeigen zumeist keine Allelverluste auf 1p und 19q, extra-temporale weisen sehr oft diese Veränderungen auf. Als Ursache dieses kombinierten Allelverlustes von 1p und 19q wurde eine centromere oder pericentromere Translokation identifiziert. Unter Verlust des kurzen Arms von Chromosom 1 (1p) und des langen Arms von Chromosom 19 (19q) verbinden sich der kurze Arm von Chromosom 19 (19p) mit dem langen Arm von Chromosom 1 (1q). Die sonst bei astrozytären Gliomen (Astrozytom, Glioblastom) häufig zu findenden Mutationen im p53-Gen fehlen bei Oligodendrogliomen fast völlig.

Therapie

Die Therapie von Oligodendrogliomen besteht vor allem in der operativen Entfernung des Tumors. Aufgrund des biologischen Charakters diffus infiltrierender Gliome ist allerdings eine operative Heilung nahezu unmöglich. Der Erfolg von Chemotherapie oder/und eine Strahlentherapie dieser beiden therapeutischen Optionen kann im Vorfeld abgeschätzt werden anhand des genetischen Profils des Tumors: Oligodendrogliome mit kombinierten Allelverlusten auf 1p und 19q sprechen zumeist gut, solche ohne Verluste schlecht auf diese Therapien an. Da allerdings auch therapeutische Erfolge mittels Chemo- oder Strahlentherapie bei Oligodendrogliomen ohne Allelverlusten beobachtet werden, ist eine solche Therapie auf jeden Fall zu empfehlen. Eine genetische Testung hat sich unterdessen neben der histopathologischen Diagnostik etabliert und sollte durchgeführt werden.

Prognose

Die publizierten Überlebenszeiten von Oligodendrogliomen variieren deutlich in der wissenschaftlichen Literatur. Die 5-Jahres-Überlebensrate von Oligodendrogliomen WHO Grad II wird zwischen 38 % und 83 % angegeben. WHO Grad II Oligodendrogliome zeigen eine Tendenz zur malignen Entartung und können zu anaplastischen Oligodendrogliomen WHO Grad III werden.

Quellen

Literatur

  • P. Kleihues, W. K. Cavenee: Pathology and genetics of tumours of the nervous system. 2. Auflage. IARC Press, Lyon 2000.
  • G. Reifenberger, D. N. Louis: Oligodendroglioma: toward molecular definitions in diagnostic neuro-oncology. In: J Neuropathol Exp Neurol. 62, 2003, S. 111–126. Review.
  • C. Hartmann, W. Mueller, A. von Deimling: Pathology and molecular genetics of oligodendroglial tumors. In: J Mol Med. 82(10), 2004 Oct, S. 638–655. Review.
  • P. Bailey, H. Cushing: A Classification of Tumors of the Glioma Group on a Histogenetic basis with a Correlation Study of Prognosis. Lippincott, Philadelphia 1926.
  • B. Herbarth, H. Meissner, M. Westphal, M. Wegner: Absence of polyomavirus JC in glial brain tumors and glioma-derived cell lines. In: Glia. 22, 1998, S. 415–420.
  • R. H. Eibl, P. Kleihues, P. S. Jat, O. D. Wiestler: A model for primitive neuroectodermal tumors in transgenic neural transplants harboring the SV40 large T antigen. In: Am J Pathol. 144(3), 1994 Mar, S. 556–564.
  • H. Huang, R. Reis, Y. Yonekawa, J. M. Lopes, P. Kleihues, H. Ohgaki: Identification in human brain tumors of DNA sequences specific for SV40 large T antigen. In: Brain Pathol. 9, 1999, S. 33–42.

Weblinks

Commons: Oligodendroglial tumors – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Gliome Deutsche Gesellschaft für Neurologie

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