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Rituelle Gewalt

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Rituelle Gewalt wird definiert als eine Form planmäßiger und systematisch ausgeführter körperlicher und psychischer Gewalt, die von Gruppierungen ausgeübt wird, die ihre Handlungen in ein Glaubenssystem einbetten oder ein Glaubenssystem vortäuschen.

Dass es sich um ein weit verbreitetes Phänomen handle, konnte bisher nicht nachgewiesen werden und wird daher eher in Zusammenhang mit Verschwörungstheorien gebracht (z. B. der Satanic Panic in den USA der 1980er und 1990er Jahre oder der Rituelle Gewalt und Mind-Control-Theorie). Zahlreiche Berichte über Fälle ritueller Gewalt werden auf Erinnerungsverfälschung, suggestive Befragungstechniken, reißerische Berichterstattung der Medien und Behandlungsfehler in Psychotherapien zurückgeführt.

Zweifel an Vorkommen und Glaubwürdigkeit

Deutschland

Eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hielt 1998 in ihrem Abschlussbericht fest, dass es keine gesicherten Erkenntnisse dafür gibt, dass es weit verbreitet und vor allem in satanistischen Zusammenhängen zu rituellem Missbrauch kommt.

Die Sozialforscher Michael Schetsche und Renate-Berenike Schmidt fassten 2014 zusammen, dass, so stimmig die Argumentation in diesem Gefahrendiskurs intern auch erscheinen möge, sie doch an der Tatsache kranke, dass sich – außer den von auf dieses Thema spezialisierten Psychotherapeuten gesammelten Erfahrungsberichten vermeintlich Betroffener – keine Belege irgendeiner Art für die Existenz der behaupteten weltweiten satanischen Netzwerke finden ließen, weder polizeiliche, noch strafprozessuale, noch wissenschaftliche.

Der Verein Sekten-Info NRW resümierte 2016, dass über 20 Jahre nach der Forderung der Kommission des Deutschen Bundestages nach empirisch wissenschaftlichen Studien, die die Existenz ritueller Gewalt belegen sollten, keine Studien vorliegen, die die Existenz der Rituelle Gewalt und Mind-Control-Theorie empirisch belegen.

Buch Vier Jahre Hölle und zurück

In dem 1995 erschienenen Aussteigerbericht Lukas – Vier Jahre Hölle und zurück werden zahlreiche zeremonielle Ermordungen von zumeist obdachlosen Menschen wie auch von Jungfrauen und Neugeborenen aus der Anhängerschaft der satanistischen Vereinigung geschildert, die von den Mitgliedern der Satanisten begangen worden sein sollen. Diese vermeintlichen rituellen Morde können aufgrund innerer und äußerer Widersprüche und Implausibiltäten nicht als glaubhaft eingestuft werden.

Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen

1995 untersuchte das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen auf Anfrage der 17. Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ des Deutschen Bundestags ihm vorliegende Berichte ritueller Gewalt, fand aber keine Belege für das Vorliegen bzw. die Tragweite der geschilderten Straftaten. Vielmehr werde das Thema durch „reißerische […] Berichterstattung in den Medien zur Zeit überbewertet“.

Fallschilderung Wolfgang Bauch

Der damalige Brandenburger Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter Wolfgang Bauch schilderte 1999 den Fall einer Schülerin, die angab, sie werde wiederholt entführt und im Rahmen satanistischer Rituale sexuell missbraucht. Eine polizeiliche Observation ergab keinerlei Auffälligkeiten, auch für die Zeit, in der die Schülerin behauptete, erneut verschleppt worden zu sein. Daraufhin wurden die Ermittlungen eingestellt.

Befragung von Psychotherapeuten in Rheinland-Pfalz durch das Traumainstitut Mainz

2007 veröffentlichte das Trauma-Institut Mainz eine Studie, in der über 1000 niedergelassene Therapeuten nach ihren Erfahrungen mit ritueller Gewalt befragt wurden. 5 % der Befragten berichteten über teils erschreckende kriminelle Tätigkeiten auf diesem Sektor, unter anderem 23 Tötungsdelikte, davon 16 zwischen 1992 und 2007, die allerdings in keinem Falle von den Ermittlungsbehörden nachgewiesen werden konnten. Sämtliche Ergebnisse der Studie beruhen ausschließlich auf Berichten der betreffenden Therapeuten, die wiederum berichteten, was ihre Klienten erzählt hatten.

Spiegel-Recherche 2023

Der Spiegel berichtete 2023 über Therapeuten, die Patienten im Verlauf einer Traumatherapie die falsche Erinnerung suggerieren, dass sie von rituellem Missbrauch durch Satanisten oder anderen Kulten betroffen seien und sich aufgrund der Anwendung von Mind Control und gezielt herbeigeführter dissoziativer Identitätsstörungen nur nicht an diesen Missbrauch erinnern könnten. So würden psychisch kranke Menschen durch eine vermeintliche Traumatherapie weiter traumatisiert. Renommierte Fachleute, wie die Traumatherapeutin Michaela Huber, befeuerten diesen Irrglauben durch unzählige Veröffentlichungen, Fortbildungen und Fachtagungen. Dadurch seien vielfältige fehlgeleitete Hilfsangebote geschaffen worden und auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung richtete ein Hilfetelefon ein. „Dabei ist vieles, was in der Szene als Tatsache verbreitet wird, offensichtlicher Unsinn. (...) Geht es um Verbrechen kultischer Täterkreise, fehlten in den Gewaltschilderungen angeblich Betroffener stets nachprüfbare Indizien wie Angaben zu Tatorten, Namen, Verletzungsmustern.“ Das Bistum Münster schloss daraufhin ihre Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt, die im Artikel explizit genannt wurde.

Stellungnahme psychologischer Berufsverbände

Die Sektion Rechtspsychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen befürwortete 2023 in einer Stellungnahme ausdrücklich das Engagement für Opfer sexueller Gewalt, aber mahnte, dass dies auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse geschehen müsse. In einem gemeinsamen Brief mit der Deutschen Gesellschaft für Psychologie an Bundesfamilienministerin Lisa Paus und den Bundesjustizminister Marco Buschmann konstatierten sie, dass sie die aktuellen Entwicklungen im Bereich von Initiativen, die eigentlich dem Schutz von Opfern sexuellen Missbrauchs dienen sollen, mit Sorge betrachten, da einige von der Bundesregierung geförderte Webseiten, Leitfäden und Empfehlungen pseudowissenschaftlich und in Teilen unzutreffend seien. Dadurch könne sich ihr beabsichtigter Nutzen ins Gegenteil verkehren und Opfer würden nicht geschützt, sondern geschädigt. Es würde der Eindruck erweckt, dass rituelle sexuelle Gewalt ein häufiges Phänomen sei. Fehlende Erinnerungen an solcherlei Ereignisse würden mit Dissoziationen oder Bewusstseinsmanipulationen erklärt, Mind-Control-Methoden bzw. die absichtsvoll erzeugte Dissoziative Identitätsstörung würden als Tatsachen dargestellt. Aus wissenschaftlicher Sicht gäbe es aber für das Vorliegen systematischer ritueller sexueller Gewalt oder Methoden wie Mind Control keine belastbaren Anhaltspunkte. Hinweise würden hauptsächlich auf ungeprüften Selbstaussagen basieren und Ermittlungen ohne Ergebnisse bleiben. Darüber hinaus gäbe es keine belastbaren wissenschaftlichen Hinweise dafür, dass Erinnerungen an traumatische Erlebnisse verdrängt oder übermäßig fragmentiert (dissoziiert) werden. Im Gegenteil zeige die Forschung, dass solche Erinnerungen in aller Regel besonders gut abgespeichert werden.

USA

Seit den 1980er Jahren wird das Thema rituelle Gewalt in den Vereinigten Staaten und in Kanada vor allem in Beziehung auf angeblich massenhaften Kindesmissbrauch durch satanistische Sekten kontrovers diskutiert. Während ein Teil fest davon überzeugt war, dass satanistischer Missbrauch weit verbreitet sei und jährlich bis zu 60.000 Menschen das Leben koste, meinen die Skeptiker, dass es sich nur um eine „moral panic“ handele, eine Massenhysterie, ähnlich dem Hexenglauben im Mittelalter.

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden immer mehr Fälle ritueller Gewalt in den USA bekannt. Skeptiker führen dies auf die mediale Verbreitung von Michelle Smiths Buch und des McMartin-Prozesses zurück. Lehrer, Sozialarbeiter, Therapeuten und Polizisten wurden in Fortbildungsseminaren über rituelle Gewalt geschult und entdeckten daraufhin immer neue Fälle. Die Annahme, es gäbe ein großes Netzwerk satanistischer Gruppen, die rituelle Gewalt an Kindern ausübten, wurde von einer breiten Koalition von fundamentalistischen Christen, Feministinnen, Ärzten, Polizisten und Sozialarbeitern getragen. Als Motiv für die angeblichen Verbrechen wurde anfangs die religiöse Verehrung Satans angenommen, später glaubte man, es gehe um Bewusstseinskontrolle und den sexuellen Missbrauch an sich. Vereinzelte Anhänger der Annahme, es gebe massenhaften satanistischen Missbrauch, verknüpften sie mit weiteren Verschwörungstheorien gegen Freimaurer oder Jesuiten und behaupteten, diese würden satanistische rituelle Gewalt anwenden, um eine „Neue Weltordnung“ herbeizuführen.

Vor allem die christliche Anticult Movement („Anti-Sekten-Bewegung“) griff die Vorwürfe in ihrem Kampf gegen alle neuen religiösen Bewegungen auf. Die Behauptungen derjenigen, die satanischen rituellen Missbrauch für real hielten, waren sensationalistisch und unglaubwürdig: So behaupteten etwa die christlichen Journalisten Robert und Gretchen Passantino, ein Mädchen im Teenageralter wäre während eines satanistischen Rituals geschwängert und gezwungen worden, ihr Kind nach der vorzeitig eingeleiteten Geburt rituell zu töten und sein Herz vor den Augen der Sektenmitglieder zu essen.Forensische Beweise für die vielfach behaupteten Folterungen, Opferungen und Morde wurden nie gefunden: keine Leichen, keine Körperflüssigkeiten, keine Haare oder Gewebefasern. Die Berichte über rituellen Missbrauch gingen stattdessen auf suggestive Befragungen kleiner Kinder oder auf Bekenntnisse ehemaliger Priester satanistischer Kulte zurück, die sie im Rahmen einer Bekehrung vor ihrer neuen christlichen Gemeinde ablegten. Diese Berichte erwiesen sich in mehreren Fällen als unzutreffend. Häufig unterzogen sich Erwachsene, die keine Erinnerung an Missbrauch hatten, auch einer Recovered-memory therapy, in deren Verlauf sie berichteten, systematisch missbraucht worden zu sein. Die behandelnden Therapeuten gingen davon aus, dass ihre Patienten eine dissoziative Identitätsstörung hätten und „programmiert“ worden seien, die Ereignisse zu vergessen. Die Vorstellung, Menschen ließen sich programmieren, geht auf die Berichte über MKULTRA zurück, ein geheimes Forschungsprogramm der CIA über Möglichkeiten der Bewusstseinskontrolle, das von den 1950ern bis in die 1970er Jahre lief. Die posthypnotischen Effekte, die dabei angeblich erforscht worden waren, schienen auch die Widersprüche in Berichten von Patientinnen zu erklären, die angaben, als so genannte „breeders“ Kinder speziell zum Zweck ihrer Opferung bei Satansritualen ausgetragen zu haben, ohne im alltäglichen Leben diesbezüglich aufgefallen zu sein.

Skeptiker wie der Soziologe Richard Ofshe nehmen daher an, dass es bis auf ganz wenige Einzelfälle keinen rituellen Missbrauch gibt und dass auch keine Sekten existieren, die diese Form von Gewalt ausüben.

Seit 1992 gingen die Berichte über satanistischen Missbrauch in den USA deutlich zurück. Seit Mitte der 1990er Jahre glauben nur noch wenige evangelikale Autoren, dass sie einen realen Hintergrund hatten.

Die Satanismus-Panik war laut dem amerikanischen Religionswissenschaftler Hugh Urban Teil einer größeren Anti-Sekten-Paranoia, die von den Morden der Manson Family 1969 und dem Massenselbstmord des Peoples Temple 1978 ihren Ausgang nahm. Die Panik um angeblich satanistische Kulte trug dazu bei, dass sich immer mehr Metal-Bands in den 1980er Jahren satanistischer Bildsprache bedienten. Der Glaube, satanistischer Missbrauch wäre in Nordamerika weit verbreitet, was seit Mitte der 1990er Jahre deutlich zurückgegangen. Spätestens mit dem Pizzagate-Skandal nahm der Glaube um satanische Kindesopferungen allerdings wieder zu. NBC spricht von einem Comeback der Satanismus-Panik. In einer Studie von 2022 stimmte ein Viertel der Befragten der Aussage zu, satanistisch-ritueller Missbrauch sei weitverbreitet.

Buch Michelle Remembers

Die Diskussion wurde in den USA 1980 angestoßen durch das Buch Michelle Remembers der Kanadierin Michelle Smith und ihres Psychotherapeuten und späteren Ehemanns Lawrence Pazder, der ihr mittels Hypnotherapie dazu verholfen hatte, jahrelang verdrängte Erinnerungen wiederzugewinnen. Den Schilderungen der Patientin nach sei diese seit ihrem fünften Lebensjahr immer wieder von einer satanistischen Sekte missbraucht und gefoltert worden und habe Ritualmorde mit ansehen müssen. Seit 1990 werden Smiths Behauptungen öffentlich angezweifelt. Die Klassenbücher aus ihrer Grundschule weisen etwa für die Zeit eines 81-tägigen satanistischen Rituals, an dem teilzunehmen sie gezwungen gewesen sei, keine Fehlzeiten des Kindes auf. Obschon keinerlei Beweise für die Anschuldigungen beizubringen waren, löste das Buch in Nordamerika weitere Erfahrungsberichte über schweren satanistischen Missbrauch aus, so etwa Lauren Stratfords 1988 erschienenes Buch Satan’s Underground, dessen Inhalt sich ebenfalls als nicht authentisch erwies.

Elterninitiative Believe the Children

Die 1986 gegründete amerikanische Elternorganisation „Believe the Children“ veröffentlichte eine umfassende Liste mit einschlägigen Gerichtsurteilen zum rituellen Missbrauch von Kindern. In ihrem Vorwort weisen die Autoren darauf hin, dass viele Fälle ritueller Gewalt wegen des Unglaubens der Behörden und weil viele traumatisierte Kinder einem Gerichtsverfahren nicht standhielten, strafrechtlich nicht verfolgt würden.

McMartin-Vorschule

Ein Fall, der auf großes öffentliches Interesse stieß, waren die Missbrauchsvorwürfe an der McMartin-Vorschule in Manhattan Beach, Kalifornien, die am 12. August 1983 von einer Mutter angezeigt wurde. Die Mutter stellte sich später als paranoide Schizophrene heraus. Während dieses sieben Jahre dauernden, längsten und mit 13 Millionen Dollar kostspieligsten Kriminalprozesses der amerikanischen Rechtsgeschichte wurden 360 Kinder dieser Vorschule von der Beratungsgesellschaft Childrens Institute International untersucht und als Opfer von satanistischen Missbrauchsritualen diagnostiziert. Auch Kinder an anderen Einrichtungen wie der St. Cross Episcopal Church im benachbarten Hermosa Beach erhoben entsprechende Vorwürfe, nachdem sie mit anatomisch korrekten Puppen befragt worden waren. Über hundert Erzieherinnen und Erzieher wurden daraufhin beschuldigt, einer satanistischen Sekte anzugehören, die rituell sexuelle Belästigung oder Missbrauch von Kindern betriebe. Alle Beschuldigungen wurden 1990 fallen gelassen, die schockierenden Aussagen der Kinder wurden auf Erinnerungsverfälschungen durch die befragenden Sozialarbeiter zurückgeführt. Geschworene und Wissenschaftler kritisierten die Befragungstechniken, die die Ermittler bei ihren Untersuchungen an der Schule angewandt hatten. Sie kamen zu dem Schluss, die Befrager hätten die Kinder zu unbegründeten Anschuldigungen „überredet“, indem sie ihnen immer wieder dieselben Fragen stellten und verschiedene Anreize boten, bis die Kinder berichteten, missbraucht worden zu sein. Die meisten Wissenschaftler sind sich heute einig, dass die Anschuldigungen, die bei diesen Befragungen von den Kindern erhoben wurden, falsch waren. Sowohl die Soziologin Mary de Young als auch der Historiker Philip Jenkins haben den Fall McMartin als Prototyp für eine Welle ähnlicher Anschuldigungen und Untersuchungen zwischen 1983 und 1995 angeführt, die eine moralische Panik auslösten.

Frans’s Day-Care Center, Texas

2017 wurde ein Ehepaar, das mehr als zwei Jahrzehnte unschuldig in Haft gesessen hatte, freigelassen. Frances und Daniel Keller, die die Kindertagesstätte „Frans’s Day-Care Center“ in Austin (Texas) betrieben hatten, wurde aufgrund des Justizirrtums eine Haftentschädigung von 3,4 Millionen Dollar zugesprochen. Anfang der 1990er Jahre hatten Kinder angegeben, von den Kellers und anderen Personen sexuell und rituell missbraucht worden zu sein. In mindestens einem Fall sollen die Opfer nach Mexiko geflogen worden sein, wo sie von Soldaten vergewaltigt und danach (innerhalb der Öffnungszeiten der Tagesstätte) wieder zurück nach Texas geflogen worden sein sollen. Angezeigt wurde zudem, dass die Kinder auf einem Friedhof Leichen ausgraben und deren Knochen hätten zusammennageln müssen und dass sie mit Tieren lebendig begraben worden seien. Mit vorgehaltener Pistole habe man die Kinder gezwungen, pornografische Filme anzusehen. Sie hätten mitansehen müssen, wie die Kellers ein Baby fast ertrinken ließen, um es danach mit Blut zu beschmieren und Satan zu opfern. Einen anderen Säugling hätten die Kellers vor den Augen der Kinder getötet, indem sie ihm das Herz herausrissen. Die Kellers wurden im November 1992 zu jeweils 48 Jahren Gefängnis verurteilt. Beide Urteile wurden im Revisionsverfahren am 26. Oktober 1994 bestätigt. Zwei beschuldigte Hilfspolizisten wurden nicht angeklagt, während ein fünfter Angeklagter, der den sexuellen Kindesmissbrauch zunächst gestand, aber später widerrief, eine zehnjährige Haftstrafe erhielt. Nachdem ein medizinischer Gutachter seine Aussagen aus dem ersten Prozess revidiert hatte, wurden beide Ende 2013 freigelassen.

Patricia Burgus

Aufsehen erregte der Fall von Patricia Burgus, einer jungen Mutter, die 1986 wegen einer Wochenbettdepression in einer Klinik in Chicago Hilfe gesucht hatte. In der Therapie äußerte sie unter Einfluss von Psychopharmaka und Hypnose Erinnerungen, in denen sie als Teil eines Satanskults missbraucht worden wäre, auch ihre eigenen Kinder missbraucht und Menschenfleisch gegessen hätte. Daraufhin wurde bei ihr fälschlich eine dissoziative Identitätsstörung diagnostiziert (angeblich hatte sie 300 verschiedene Persönlichkeiten) und sie wurde für drei Jahre in eine Klinik eingewiesen, ebenso wie ihre beiden Söhne, denen die gleiche Störung attestiert wurde. Nachdem Burgus schließlich die Klinik und ihren Therapeuten verklagt hatte, der ihr diese falschen Erinnerungen suggeriert hatte, wurden ihr 1997 10,6 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen.

Pizzagate

Im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 knüpften die über soziale Medien weit verbreiteten Fake News über massenhaften sexuellen Kindesmissbrauch in einer Washingtoner Pizzeria, in den angeblich auch die Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei Hillary Clinton verwickelt gewesen sein sollte („Pizzagate“), an die moral panic der 1980er Jahre an. Ab Oktober 2017 griff der anonyme Benutzer „Q“ (QAnon) auf Imageboards die Geschichte auf, aktualisierte und erweiterte sie.

Kriminologische Untersuchungen

Bereits 1992 veröffentlichte das FBI einen umfangreichen und sorgfältigen Report von Kenneth V. Lanning zum Thema Satanic Ritual Abuse. Lanning stellt fest, dass seine Motivation keineswegs sei, Täter zu entlasten, dass es aber zum rituellen Missbrauch im Sinne der obigen Definition keinen harten Beweis, jedoch eine Vielzahl von Berichten gebe. Den Inhalt dieser Berichte stuft er nach dem Grad ihrer Wahrscheinlichkeit als a) unmöglich, b) möglich, aber unwahrscheinlich und c) möglich und wahrscheinlich ein. In Klasse a) fallen z. B. Berichte über Babys, die aufgeschnitten und verstümmelt, aber hinterher so wiederhergestellt wurden, dass nicht einmal Narben blieben. In Klasse b) fallen alle Berichte von einer Vielzahl von Tötungsdelikten, die zusammengenommen zigtausende Tötungen pro Jahr bedeuten würden. Das Unwahrscheinliche daran ist, dass kein einziger dieser Fälle nachgewiesen werden konnte, da es schon sehr schwierig sei, einen einzelnen Mord geheim zu halten, insbesondere wenn mehrere Personen davon Kenntnis haben. Lanning untersucht auch, wie die Berichte zustande kommen und welche Motive dafür bestehen können.

Großbritannien

Eine Untersuchung von zwanzig gemeldeten Fällen rituellen Kindesmissbrauchs in Großbritannien ergab 1995, dass die Vorwürfe in 75 % der Fälle unzutreffend waren, sich in den anderen nicht belegen ließen. Diese hohe Rate falscher Angaben unterscheide rituellen von nichtrituellem Kindesmissbrauch, bei dem erfahrungsgemäß nur wenige Vorwürfe unsubstantiiert seien.

Frankreich

1997 berichtete Samir Aouchiche in L'Enfant sacrifié à Satan von seinen Verfolgungen durch „Alliance Kripten“. Aouchiche ist tatsächlich Opfer von Pädokriminellen geworden, doch seine Erzählung über satanistische Rituale ist nicht belegt.

Véronique Liaigre und ihre beiden Schwestern waren zwischen 1984 und 1997 schwerer sexualisierter Gewalt durch ihre Eltern ausgesetzt. Sie spricht von satanistisch-rituellem sexuellem Missbrauch und berichtet von Folter und Menschenopfern. Die Justiz verurteilte ihre Eltern, Georges Liaigre und Marie-Pierre Collasseau, wegen der Vergewaltigungen.

Schweiz

Seit 2021 berichten die Journalisten Ilona Stämpfli und Robin Rehmann im Schweizer Fernsehen, dass die Verschwörungstheorien, die in engem Zusammenhang mit der Satanic Panic stehen, auch in der Schweiz vertreten werden, unter anderem von Lehrern, Psychotherapeuten, hochrangigen Polizeibeamten und dem ärztlichen Direktor des Psychiatriezentrums Münsingen (PZM) Thomas Reisch und weiteren Mitarbeitern dieser Klinik Dies führte zu Entlassungen und einer offiziellen Untersuchung durch das Gesundheitsamt des Kantons Bern, die im Mai 2022 systematische ungerechtfertigte Zwangs- und Isolationsmaßnahmen gegen Patientinnen feststellte, mit denen diese vor „satanistischen Ritualen“ geschützt werden sollten. In dem Bericht werden Suizide von betroffenen Patientinnen aufgezeigt.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kam eine behördliche Untersuchung des Kantons Thurgau in der Traumatherapieklinik Clinia Littenheid. In beiden behördlichen Berichten wird die Rituelle-Gewalt-Theorie als Verschwörungstheorie ohne Faktengrundlage eingestuft, die von einer kleinen Gruppe des medizinischen Personals vertreten werde. Als besonders problematisch gilt, dass die damit verbundenen Traumatherapieformen den betroffenen Patientinnen schweren Schaden zufügen können und in einigen Fällen auch tatsächlich geschadet haben.

Vorher hatte sich die Schweizer Regierung sich von Therapieformen distanziert, die rituellen Missbrauch annahmen, und die kantonalen Gesundheitsbehörden zur Untersuchung der Vorgänge aufgefordert.

Niederlande

Das niederländische Ministerium für Justiz und Sicherheit setzte im April 2020 einen Untersuchungsausschuss ein, der Hinweise auf organisierten satanisch-rituellen Missbrauch untersuchen sollte. Ausschlaggebend war eine Radiosendung von Argos zu diesem Thema. Mitarbeitende dieser Kommission konnten in ihrer 20-monatigen Untersuchung keine solchen Hinweise finden. Gleichzeitig betonten sie in ihrem Bericht, dass die Opfer wahrscheinlich tramatisierende und einschneidende Erfahrungen gemacht haben. Die Kommission wies darauf hin, dass Erzählungen um satanisch-rituellen Missbrauch den Opfern schaden und sie hemmen, ihre Gewalterfahrungen zur Strafanzeige zu bringen. Argos schloss sich dieser Schlussfolgerung an und räumte im Nachhinein ein, dass in ihren Recherchen nicht genügend zwischen Zeugenaussagen und Fakten unterschieden wurde.

Definition

Der Sozialpädagoge Thorsten Becker definiert 1996 rituelle Gewalt als sexuellen, physischen und emotionalen Missbrauch, der planmäßig und zielgerichtet im Rahmen von Zeremonien beziehungsweise Ritualen ausgeübt wird, wobei diese ideologisch motiviert oder zum Zweck der Täuschung und Einschüchterung inszeniert werden können. Die eingesetzten Symbole, Tätigkeiten oder Rituale vermitteln den Anschein von Religiosität, Magie oder übernatürlichen Bedeutungen. Rituelle Gewalt wird meist über einen längeren Zeitraum wiederholt.

Gemäß der Definition der Psychologen Noblitt und Perskin umfassen ritueller Missbrauch und rituelle Gewalt traumatisierende Verfahren, die in einer festgelegten oder zeremoniellen Art umgesetzt werden. Hierbei können Praktiken wie tatsächliche oder vorgetäuschte Tötung oder Verstümmelung von Tieren, tatsächliche oder vorgetäuschte Ermordung oder Verstümmelung von Menschen, die erzwungene Aufnahme von echten oder vorgetäuschten menschlichen Exkrementen oder von echtem oder vorgetäuschtem Menschenfleisch und erzwungene sexuelle Aktivitäten zum Einsatz kommen. Demütigende Handlungen, die mit heftigen körperlichen Schmerzen verbunden sind, können das Ritual begleiten. Ritueller Missbrauch erfolge meist im Rahmen von Gruppen, werde gelegentlich auch von Einzeltätern begangen. Als Motiv für die Praktiken wird Sadismus gesehen.

Die Supervisorin und Lehrbeauftragte Tanja Rode ergänzt, dass Opfer rituellen Missbrauchs häufig dazu gezwungen werden, selber Missbrauch auszuüben und strafrechtlich relevante Taten inner- und außerhalb des Kultes zu begehen. Hierbei werden die Opfer gewöhnlich beobachtet oder gefilmt. Diese erzwungene Mittäterschaft erlaube dem Kult zum einen über das Mittel der direkten Erpressung Druck auszuüben, zum anderen im Kontext von Mind-Control-Techniken Schuldgefühle zu erzeugen und dadurch das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit zu festigen sowie gleichzeitig die Einschätzung der Auswegslosigkeit der Situation zu verstärken.

Im Endbericht der Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestages „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ umfasst die Definition des rituellen Missbrauchs neben den Formen sexueller und physischer Übergriffe auch psychische Übergriffe auf Kinder und jüngere Jugendliche. Charakteristisch für „rituelle Handlungen“ als Ausdruck eines Glaubensystems seien wiederkehrende Symboliken und gleichförmige Handlungen, wie sie etwa während kultisch-ritueller, satanistisch-magischer Rituale vollzogen werden. Diese rituellen Elemente können auch in der Kinderpornografie zum Einsatz kommen und dienen als wiederkehrende Rahmenelemente bei sexuellem Kindesmissbrauch. Auch Becker verweist im Zusammenhang mit ritueller Gewalt auf das Umfeld der Kinderpornografie und betont, dass die verbreitete Auffassung, rituelle Gewalt beschränke sich auf satanistische Gruppierungen und „germanofaschistische Sekten“, nicht haltbar ist. Ein ideologischer Ursprung sei demzufolge nicht notwendigerweise erforderlich.

Terminologie

Laut den Psychologen Bette L. Bottoms, Phillip R. Shaver und Gail S. Goodman wurde der Begriff „rituell“ anfangs verwendet, um über „satanistische“ Gewalt zu sprechen, ohne Satan explizit zu erwähnen. Dies habe zu einer Unschärfe des Konzepts beigetragen, sodass der Begriff „rituell“ zu breit geworden sei, um als nützliche wissenschaftliche Kategorie zu dienen. Wer daher über Gewalt, die von einem satanistischen Kult verübt wird, sprechen möchte, solle den Begriff „satanic cult abuse“ verwenden, wem es um besonders brutale und bizarre Formen des Missbrauchs gehe, solle das direkt sagen; das Gleiche gelte für Fälle von zwanghaftem und wiederholtem Missbrauch und Missbrauch in Sekten und Kulten. Alle diese verschiedenen Missbrauchsarten müssten begrifflich voneinander geschieden werden.

Becker schlägt eine Differenzierung nach drei Kategorien vor. Er unterscheidet „kultischen rituellen Mißbrauch“, bei dem die Misshandlung wesentliches Element eines organisierten Glaubenssystems ist und der sexuelle Missbrauch als Mittel zum Zweck instrumentalisiert ist; „pseudo-rituellen Mißbrauch“, bei dem der Missbrauch innerhalb eines organisierten kriminellen Systems bzw. von Einzeltätern erfolgt, dem kein ideologisches Glaubenssystem zugrunde liegt und Kinder über Bilder übernatürlicher Kräfte wie Geister bedroht werden; „psychopathologischer ritueller Mißbrauch“ ist schließlich Bestandteil eines Wahn- und Zwangssystems, das mit starken Perversionen verknüpft ist.

Folgen

Mehrere Fachwissenschaftler nehmen an, dass Menschen durch gezielte Folter konditioniert und sogar programmiert werden können, indem bereits in frühester Kindheit eine dissoziative Identitätsstörung herbeigeführt wird.

Die umstrittene Psychotherapeutin Michaela Huber führt aus, dass die Erfahrung ritueller Gewalt ein besonders schweres Trauma darstellt, wenn die Gewalt als „heilige Handlung“ inszeniert wird und den Opfern hierdurch der Eindruck vermittelt wird, sie seien „auserwähltes Opfer“. Infolge der meist seit frühester Kindheit erfahrenen Traumatisierungen entwickeln die Opfer häufig eine dissoziative Identitätsstruktur. Die Spaltung in verschiedene Persönlichkeitsanteile verringert die Möglichkeit, dass Betroffene Gehör finden. Sich wiederholende Misshandlungen könnten als bewusster Akt seitens der Täter gedeutet werden, reflexartige Verhaltensweisen einzutrainieren (Konditionierung). In dissoziiertem Zustand seien die Opfer weitgehend wehrlos den Befehlen der Täter ausgeliefert gewesen. Gemäß Umfrageergebnissen wurden manche Betroffene dazu gezwungen, selber Gewalthandlungen durchzuführen und somit gleichzeitig zum Täter zu werden. Schuldgefühle, die daraus resultieren, verknüpft mit Angst vor eigener Strafverfolgung können bewirken, dass Betroffene auf Hilfsangebote nicht reagieren.

Nach Ansicht des Psychologen Peter Fiedler von der Universität Heidelberg sind rituelle Missbrauchserfahrungen in der Kindheit nur in „sehr seltenen Einzelfällen“ die Ursache für dissoziative Identitätsstörungen.

Opferschutz und Therapie

Zunehmend angewandte Möglichkeiten des Opferschutzes sind behördliche Auskunftssperre, Namensänderung, Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz. Eine ungenügende Beweisbarkeit erschwert vor allem familienrechtliche Interventionen sowie Unterstützung nach dem Opferentschädigungsgesetz. Betroffene, welche noch bis ins Jugend- oder Erwachsenenalter in Gruppen der organisierten rituellen Gewalt eingebunden sind, benötigen eine professionelle Ausstiegsbegleitung (meist durch Psychotherapeuten oder Sozialarbeiter).

Die psychotherapeutische Betreuung orientiert sich zumeist an psychotraumatologischen Erkenntnissen. Eine typische, fast regelhafte Folge von ritueller Gewalt sei neben dissoziativen Störungen die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (K-PTBS). Als komorbide Störungen werden vor allem Depressionen, Essstörungen, Zwangsstörungen und Persönlichkeitsstörungen genannt.

Sekten-Info NRW weist in Anlehnung auf die Empfehlungen des weltweit größten Psychologenverband (APA) darauf hin, dass es keine typischen Symptome gibt, die eindeutig auf einen sexuellen Missbrauch hinweisen. Es werde geraten, kritisch zu sein, falls Therapeuten von einer großen Anzahl an Patienten berichteten, die während der Therapie Erinnerungen an einen Missbrauch in der Kindheit wiedererlangten. Kritsch zu beurteilen sei auch, wenn ein Therapeut rate, den Kontakt zu engsten Familienmitgliedern und Freunden abzubrechen, ohne dass sich vor der Therapie tatsächlich an missbräuchliche Erlebnisse erinnert wurde. Im Zweifel solle eine zweite Meinung von einem unabhängigen Psychotherapeuten eingeholt werden.

Häufigkeiten

Deutschland

Befragung unter Psychotherapeuten

Um Informationen über die Häufigkeit des Auftretens ritueller Gewalt zu erhalten, wurden in drei deutschen Bundesländern alle 3225 kassenärztlichen Psychotherapeuten befragt. Rückmeldungen kamen von 1523 Therapeuten. Davon hatten 182 Therapeuten von ihren Patienten Schilderungen in Zusammenhang mit rituellen Gewalttaten erhalten. Insgesamt wurden 213 Fälle genannt (Mehrfachzählungen konnten dabei für das Ruhrgebiet und Saarland ausgeschlossen werden, für die 67 gemeldeten Fälle aus Rheinland-Pfalz konnten Mehrfachzählungen nicht ausgeschlossen werden). Geschildert wurden rituelle Opferungen von Tieren, sexueller Missbrauch, Ekeltraining, Leichenschändung, Menschenopferung (zumeist Neugeborene), schwarze Messen, Zwang zu absolutem Gehorsam und absoluter Geheimhaltung. Rund 95 % der Fälle wurden von den Therapeuten als glaubwürdig eingeschätzt. In durchschnittlich 52 % der Fälle bestand während der Therapie noch Täterkontakt.

Eine Nachfolgeumfrage zur Situation ritueller Gewalt in Rheinland-Pfalz von R. Kownatzki ergab, dass von 936 befragten kassenärztlichen Psychotherapeuten insgesamt 136 Therapeuten in ihrem Berufsleben schon einmal derartige Patientenberichte erhalten haben.

Online-Befragungen

Daneben existieren drei internationale (nicht repräsentative) Online-Umfragen (2007) für a) Überlebende extremer Gewalt (Extreme Abuse Survey, EAS), b) Therapeuten und anderen Personen, die professionell zumindest mit einer/einem Überlebenden extremer Gewalt gearbeitet haben, c) professionelle Helfer/Helferinnen, die mit Kindern als Überlebenden ritueller Gewalt gearbeitet haben. Detailliert befragt wurden rund 2000 Personen in 40 Ländern nach eigenen Erfahrungen.

Hinweise durch die Umfragen

Den Umfragen zufolge soll es sich in nahezu der Hälfte der Fälle um lokale Täterkreise handeln, die teilweise seit mehreren Generationen bestehen. Eine Beteiligung von überregional organisierten satanistischen oder anderen kriminellen Gruppierungen konnte indes nicht belegt werden. Es gibt weiterhin Hinweise auf kinderpornografische Kommerzialisierung (sexualisierte Misshandlung und Folter an Kindern, dokumentiert auf Video). Aussagen über das Täterverhalten sind bisher nur bedingt möglich, da diese Informationen oft nur im Rahmen einer vertrauensvollen psychotherapeutischen Arbeit erlangt werden können und somit der Geheimhaltung unterliegen. Jedoch treten Betroffene zunehmend in Internetforen sowie eigenen Publikationen oder Dokumentarfilmen in die Öffentlichkeit.

Methodische Schwierigkeiten

Kritiker geben zu bedenken, dass Patientenberichte nicht immer den Tatsachen entsprechen könnten. Eine Überprüfung an der Realität sei oft nicht möglich, da gewöhnlich keine strafrechtliche Aufarbeitung stattgefunden habe. Eine strafrechtliche Verfolgung ritueller Gewalt ist mit beträchtlichen Schwierigkeiten verbunden. Gründe hierfür sind die Verjährungsfristen, das kindliche Lebensalter der Opfer sowie die teilweise Anonymität von Tätern und Unbekanntheit der Tatorte. Trotzdem wird dem Thema rituelle Gewalt in polizeilichen Ausbildungsstätten verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt.

Bei Angaben zu satanistischer Gewalt führt Uta Bange, Beraterin und Referentin der Sekten-Info Nordrhein-Westfalen, aus, dass im Kontext von Psychotherapie bei dissoziativen Störungen das therapeutische Setting sorgfältig zu gestalten sei. Bei dissoziativen Störungen können traumatische Erlebnisse in der Kindheit angenommen werden. Häufig seien lediglich Erinnerungsfragmente an das traumatische Geschehen vorhanden. Kämen in der Therapie regressionsfördernde Methoden zum Einsatz, bestehe die Gefahr der Konstruktion falscher Erinnerungen. Eine Unterscheidung zwischen echter und falscher Erinnerung sei nicht möglich. Eine Tendenz, satanistische Erinnerungen zu konstruieren, sieht Bange darin begründet, dass Satanismus in der Öffentlichkeit als Synonym für das Böse eine geeignete Projektionsfläche für den Schrecken des realen Traumas biete und das Aufsehen die Chance, Anteilnahme und Hilfe zu erhalten, vergrößere.

USA

Befragung von Psychologen

In einer Untersuchung Anfang der 1990er Jahre befragten die Psychologen Bette L. Bottoms, Phillip R. Shaver und Gail S. Goodman in einer nationalen Umfrage 2709 klinische Psychologen, die Mitglied in der American Psychological Association waren, zu Fällen rituellen Missbrauchs, den sie als „Fälle mit ungewöhnlichen Überzeugungen und Praktiken“, beispielsweise mit Merkmalen wie Satanismus, umgedrehten Pentagrammen und Tieropferungen, definierten. Die überwiegende Mehrheit antwortete, keinen solchen Fall zu kennen, 24 % der Antwortenden berichteten von mindestens einem behandelten Fall mit rituellem Missbrauch seit dem 1. Januar 1980. Einige Psychologen gaben an, Hunderte solcher Fälle zu kennen. 93 % der Psychologen, die diese Missbrauchsfälle behandelten, waren sich sicher, dass die Anschuldigungen ihrer Patienten auf Tatsachen beruhten. Da die Angaben zu rituellem Missbrauch, die Erwachsene (zumeist erst in der Therapie) gemacht hatten, statistisch deutlich abwichen von denen von Kindern oder von denen zu religiös motiviertem Missbrauch, müsse man aber vorsichtig sein, was den Wahrheitsgehalt dieser Anschuldigungen angehe: Es gebe zwar einige wenige nachgewiesene Fälle rituellen Missbrauchs, doch viele, wahrscheinlich die meisten Fälle seien falsch.

Empirische Erhebungen

In einer 1988 veröffentlichten empirischen Erhebung fand der Soziologe David Finkelhor 270 Fälle sexuellen Missbrauchs in Einrichtungen der Kinderbetreuung in den Vereinigten Staaten, davon 36 nachgewiesene Fälle von ritueller Gewalt.

Anfang der 1990er Jahre untersuchten Gail Goodman und ihr Mitarbeiterteam 2292 mutmaßliche Fälle rituellen Missbrauchs. In 30 % der Fälle mit kindlichem Missbrauch und in 15 % der Fälle mit erwachsenen Opfern kam es zu einem Geständnis der Angeklagten. Insgesamt seien aber „die vorgeblichen Beweise, insbesondere bei den Fällen, wo Erwachsene Missbrauch in der Kindheit vorgeben, fraglich“.

Eigene Fallanalysen

Der kanadische Psychiater und Satanismusexperte Colin A. Ross hat bis 1995 mehrere hundert Menschen mit Erinnerungen an satanistischen rituellen Missbrauch behandelt und fand sich vor das Problem gestellt, nicht unterscheiden zu können, ob die berichteten Gewalterfahrungen auf Tatsachen beruhten oder nicht.

Das weitgespannte satanistische Netzwerk zwischen Einrichtungen der Kinderbetreuung, Gesundheitsämtern und Regierungen, über das die Überlebenden berichteten, existiere nicht, doch sei es möglich, dass ein gewisser Prozentsatz der Erinnerungen seiner Patienten ganz oder teilweise zutreffe: Es gebe „eine komplexe, heterogene und fluktuierende Kombination von Fakten, Fiktion und Fantasie“, man sollte keine Hypothese vorzeitig ausschließen oder ihr zustimmen. Charakteristisch für die Berichte mutmaßlicher Opfer seien detailreiche Informationen und umfassende Kenntnisse zu den spezifischen Merkmalen eines Kults. Ebenso typisch sind aus seiner Sicht geschilderte Details zur Methodik, wie Bewusstseinskontrolle durch Dissoziation erlangt wird. Ein ähnliches Grundmuster werde immer wieder erkennbar. Die spezifischen Informationen variierten von Kult zu Kult und wiesen innerhalb eines bestimmten Kultes große Übereinstimmungen auf, deren konkrete Details sich nicht in der populären Literatur fänden und über die es oft auch keine Veröffentlichungen gibt.

Der Psychologe James Noblitt hatte Patienten, die berichteten, bizarren Bewusstseinskontrolltechniken unterworfen gewesen zu sein, die mit Erfahrungen ritueller Folter und Amnesien einhergingen und zu multiplen Persönlichkeitsstörungen geführt hätten. Nach ersten Zweifeln begann er, die Berichte für wahr zu halten, weil andere Therapeuten ihm von ähnlichen Aussagen ihrer Patienten berichteten. In einer Rezension von Noblitts und Perskins Buch fiel dem Kriminologe Joel Best auf, dass sie die Ritualmordlegende für unwahr halten, wonach Juden im Mittelalter Christenkinder geschlachtet hätten. Diese Behauptung, die wiederholt Judenverfolgungen ausgelöst hatte, sei aber nicht weniger glaubwürdig als die zahlreichen Berichte über rituellen Missbrauch, die Noblitt und Perskin für zutreffend erklärten. Er empfahl allen Interessierten, das Buch nicht für bare Münze zu nehmen, sondern auch skeptische Literatur hinzuzuziehen.

Nach dem amerikanischen Spezialisten für multiple Persönlichkeitsstörungen Harvey L. Schwarz werden, um die Folter mit dem Ziel, Persönlichkeiten zu spalten, aufs Äußerste zu steigern, die Gefolterten gezwungen, eigenhändig selbst andere Opfer zu Tode zu foltern. Er beschreibt die psychologischen Auswirkungen dieser rituellen Zwangshandlungen, nachdem einige seiner Patienten gezwungen worden seien, an Ritualmorden von Kindern und an den Zerstückelungen der Opfer teilzunehmen: Seine Patienten hätten während der rituell verübten Gewalttaten paradoxerweise wütend auf die Opfer, die sie zu töten hatten, reagiert, wenn diese nicht schnell genug starben. Wut gegen die Täter zu empfinden sei ihnen zuvor systematisch abtrainiert worden, indem die Täter die abzuschlachtenden Kinder als Feind und Ursache des Leidens der gestressten, geschockten und mit Schuldgefühlen beladenen kindlichen Mörder definierten. Dadurch hätten die zum Mord gezwungenen Kinder alternative Persönlichkeiten ausgebildet, die überzeugt gewesen seien, dass die Opfer den Tod verdienten.

Fallbeispiele

Am 3. Juli 1992 verurteilte das Landgericht Lüneburg den damals 43 Jahre alten Fernsehtechniker Michael Dietmar Eschner wegen Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung sowie sexueller Nötigung mit gefährlicher schwerer Körperverletzung zu sechs Jahren Haft. Der Verurteilte war der Vereinsgründer des deutschen Thelema-Ordens des Argentum Astrum, laut Vereinssatzung galt er in der Gruppe als Reinkarnation Aleister Crowleys. Er nannte sich selbst das „Große Tier 666“. Die Mitglieder seines „Ordens“ waren den verschiedensten Formen von ritueller Gewalt ausgesetzt (beispielsweise durch Meditationen mit schmerzhaften Körperhaltungen oder Bestrafungen durch Daumenbisse, Schnitte von Rasierklingen, brennenden Zigaretten etc.).

Ingolf Christiansen, der Beauftragte für Weltanschauungsfragen in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, berichtet von einem Fall, in dem ein Opfer einer rituellen Gewalt angeblich mit einer Tätowierung versehen wurde.

Literatur

Deutschsprachige Fachliteratur

  • Thorsten Becker: Ritueller Mißbrauch von Kindern in Deutschland. Frage oder Feststellung? In: Kind, Jugend, Gesellschaft. KJuG. Zeitschrift für Kinder- und Jugendschutz. 41. Jahrgang, Heft 4, November 1996, ISSN 0939-4354, S. 121–122. (online, pdf; 144,31 kB)
  • Claudia Fliß, Claudia Igney (Hrsg.): Handbuch Rituelle Gewalt. Erkennen – Hilfe für Betroffene – interdisziplinäre Kooperation. Pabst, Lengerich u. a. 2010, ISBN 978-3-89967-644-0.
  • Claudia Fliß, Riki Prins, Sylvia Schramm: Befreiung des Selbst. Therapiekonzepte zum Ausstieg aus organisierter Ritueller Gewalt. Asanger, Kröning 2018, ISBN 978-3-89334-625-7.
  • Kai Funkschmidt (Hrsg.): False Memory. In der Therapie „wiedergefundene“ Erinnerungen (= EZW-Texte 266) Berlin 2020
  • Petra Hasselmann: „Rituelle Gewalt“ und Dissoziative Identitätsstörung. Eine multimethodale Untersuchung zu Erwartungshaltungen an Akteure im Hilfesystem. Pabst Science Publishers, Lengerich 2017, ISBN 978-3-95853-288-5.
  • Bianca Liebrand: Zersplitterung nach Therapie, in: Jahresbericht des Sekten-Info NRW 2019, Essen 2019, S. 3–45 (Online auf der Webseite des Sekten-Info NRW, 16. April 2020).
  • S. I.E. – Solidarität, Intervention, Engagement für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen e. V. (Hrsg.): Rituelle Gewalt. Vom Erkennen zum Handeln. (Dokumentation der Tagung vom 6. November 2009 in Trier). Pabst Science Publishers, Lengerich 2011, ISBN 978-3-89967-671-6. (Tagungsbericht von Matthias Neff online auf: ezw-berlin.de PDF; 1,5 MB).
  • Ina Schmied-Knittel: Satanismus und ritueller Missbrauch. Eine wissenssoziologische Diskursanalyse (= Grenzüberschreitungen. Beiträge zur wissenschaftlichen Erforschung aussergewöhnlicher Erfahrungen und Phänomene. Band 7). Ergon-Verlag, Würzburg 2008, ISBN 978-3-89913-670-8 (Zugleich: Freiburg (Breisgau), Universität, Dissertation, 2008).

Englischsprachige Fachliteratur

  • Pamela S. Hudson: Ritual Child Abuse. Discovery, Diagnosis and Treatment. R & E Publishers, Sarasota CA 1991, ISBN 0-88247-867-2.
  • James R. Lewis: Satanic Ritual Abuse. In: derselbe und Inga Tøllefsen (Hrsg.): The Oxford Handbook of New Religious Movements. Bd. 2, Oxford University Press, Oxford 2016, ISBN 978-0-19-061152-1, S. 210–221.
  • James Randall Noblitt, Pamela Sue Perskin: Cult and Ritual Abuse. Its History, Anthropology, and Recent Discovery in Contemporary America. Revised Edition. Praeger Publishers, Westport CT u. a. 2000, ISBN 0-275-96665-8.
  • Chrystine Oksana: Safe Passage to Healing. A Guide for Survivors of Ritual Abuse. iUniverse, Lincoln NE 2001, ISBN 0-595-20100-8.
  • Mary de Young: The Day Care Ritual Abuse Moral Panic. McFarland and Company, Jefferson NC u. a. 2004, ISBN 0-7864-1830-3.

Weblinks


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