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Scharlach
Klassifikation nach ICD-10 | |
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A38 | Scharlach |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Der Scharlach oder (lateinisch) Scarlatina (englisch scarlet fever) ist eine plötzlich auftretende (akute) Kinderkrankheit mit einem Hautausschlag, die vor allem im Alter von vier bis sieben Jahren auftritt. Dabei handelt es sich um eine bakterielle Infektionskrankheit durch β-hämolysierende Streptokokken. Die Krankheit beginnt nach einer Inkubationszeit von ein bis drei Tagen typischerweise mit Fieber, Schüttelfrost, Erbrechen und einer Rachenentzündung (Pharyngitis), kann aber auch von Bauch- oder Kopfschmerzen begleitet sein. Nach ein bis vier Tagen zeigt sich der charakteristische Ausschlag mit dicht beieinander stehenden, stecknadelkopfgroßen, intensiv rot gefärbten, leicht erhabenen Flecken.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der vermutlich bereits im Altertum existierende Scharlach war vor Einführung der Antibiotika als Infektionskrankheit hoch gefährlich. Sie wurde im 9. Jahrhundert nach Europa eingeschleppt. Die ersten morphologischen Beschreibungen sind 1556 von Giovanni Filipo Ingrassia von Palermo (als Rossania) und 1578 von Jean Coyttard (Purpurfieber) belegt. Die Abgrenzung der harmlosen Form des Scharlach (febris scarlatina) erfolgte 1676 durch den Engländer Thomas Sydenham. Eine weitgehende Aufklärung der lange Zeit umstrittenen Ätiologie erfolgte 1924 durch das amerikanische Forscherehepaar Gladys und George Dick, nach dem der Dick-Test (positiv bei Hautrötung nach intrakutaner Toxinineinspritzung) benannt ist. Um 1902 erfolgten erste Versuch der Serumbehandlung des Scharlachs durch den österreichischen Kinderarzt Paul Moser.
Besonders in den Schwellenländern Osteuropas ist der Scharlach wieder regelmäßig epidemisch im Vormarsch.
Am 3. April 2009 wurde auch für England eine Scharlach-Epidemie gemeldet. Die Häufigkeit der Erkrankung übersteigt die Zahlen der letzten 20 Jahre. Für die hochgefährlichen Scharlacherkrankungen (Scarlatina maligna) wurde eine hohe Sterblichkeit gemeldet und eine nationale Notfall-Warnung ausgesprochen.
Erreger
Scharlach wird durch Bakterien, und zwar Streptokokken der Lancefield-Gruppe A ausgelöst (v. a. Streptococcus pyogenes). Die Ansteckung erfolgt meist durch Tröpfchen- und Kontaktinfektion über Mund und Rachen. Auch über offene Wunden kann der Erreger übertragen werden (Wundscharlach). Viele Gesunde tragen unbemerkt den Keim in sich und sind die primäre Infektionsquelle.
Es gibt drei verschiedene Toxine: speA (oder SPE-A), speB (SPE-B) und speC (SPE-C). Die Bakterien müssen einen Bakteriophagen (d. h. ein Bakterienvirus) besitzen, der die Produktion eines Scharlach-Toxins bewirkt; bekannt sind die – mit Stand September 2020 noch nicht vom International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) bestätigten – Kandidaten „Streptococcus-Phage T12“ (Akronym: T12, Familie: Drexlerviridae, Morphotyp: Siphoviren) für speA, und „Bakteriophage CS112“ (ΦCS112) für speC. Die betreffenden (Phagen-)Gene sind (in Kursivschrift): speA, speB respektive speC. Wenn das Toxin in die Haut gelangt, kommt es zu dem für Scharlach typischen Ausschlag. Ohne diesen kommt es allein zu einer eitrigen Mandelentzündung. Bei einer Behandlung mit Antibiotika besteht in der Folge Immunität gegen das jeweilige Toxin. Wegen der drei verschiedenen Toxine (SPE-A, -B und -C) können Menschen im Lauf des Lebens mehrfach an Scharlach erkranken. Mehrfachinfektionen können ebenfalls durch die nicht lebenslange Immunität bedingt sein. Aufgrund wiederkehrender natürlicher Auffrischungen („Boostering“) durch die hohe Verbreitung der Erreger hält die Immunität jedoch lange an. In jedem Fall verhindert Immunität gegen die Scharlachtoxine nicht die zugrunde liegende Infektion mit den eigentlichen A-Streptokokken, von denen mehr als 80 Serotypen existieren.
Symptome
Die Krankheit beginnt nach einer Inkubationszeit von ein bis drei Tagen (selten länger) typischerweise mit Fieber (Scharlachfieber), Schüttelfrost, Erbrechen und einer Rachenentzündung (Pharyngitis), kann aber auch von Bauch- oder Kopfschmerzen begleitet sein. Der Rachen ist dabei typischerweise tief rot, und die Gaumenmandeln sind geschwollen (Scharlach-Angina), im weiteren Verlauf treten fleckige weißliche Beläge auf. Es kommt zu Schluckschmerzen und Schwellung submandibulärer Lymphknoten. Die Zunge ist zunächst weiß belegt, später lösen sich die Beläge, und die Zunge erscheint glänzend rot mit hervorstehenden Geschmacksknospen. Dies wird als Himbeerzunge oder Erdbeerzunge bezeichnet. Dieses Symptom kann mit der Himbeerzunge beim Kawasaki-Syndrom verwechselt werden und dieses muss deshalb in Erwägung gezogen werden.
Nach einem bis vier Tagen zeigt sich der charakteristische Ausschlag mit dicht beieinanderstehenden, stecknadelkopfgroßen, intensiv rot gefärbten, leicht erhabenen Flecken. Bevorzugte Stellen sind die Achseln und die Leisten, es kann aber auch der ganze Körper befallen sein, allerdings bleibt das Mund-Kinn-Dreieck frei. Diese periorale Blässe wird mitunter umgangssprachlich auch als Milchbart bezeichnet. Etwa 14 Tage nach Beginn kann es zu einer ebenfalls charakteristischen Abschuppung der Haut an den Finger- oder Zehenkuppen oder auch an den gesamten Handflächen und Fußsohlen kommen. Dadurch lässt sich manchmal die Diagnose auch noch im Nachhinein stellen.
Das Auftreten eines solchen scarlatiniformen Exanthems beweist noch nicht, dass der Betroffene an Scharlach erkrankt ist. Auch viele andere Erkrankungen, allen voran diverse Viruserkrankungen, sowie allergische Reaktionen auf Medikamente oder andere Substanzen können einen solchen Ausschlag zur Folge haben.
Der Verlauf dieser Krankheit kann sowohl schwer, also mit starken Schmerzen, hohem Fieber und deutlichen Ausschlägen, als auch leicht ausfallen, wobei lediglich leichte Halsschmerzen und wenige Auffälligkeiten auftreten. Scharlach kann auch ohne Fieber, rote Zunge und Ausschlag auftreten, sodass er nicht immer als Scharlach erkannt wird. Immer ist jedoch eine mehr oder weniger ausgeprägte Mandelentzündung oder – falls die Mandeln schon entfernt wurden – eine Rachenentzündung vorhanden.
Behandlung
Scharlach spricht gut auf eine orale Behandlung mit Penicillin V an. Wegen des erhöhten Risikos von Komplikationen und Spätfolgen bei unbehandelten oder zu früh abgebrochenem Verlauf sollte diese Therapie auch konsequent zehn Tage lang durchgeführt werden. Liegt eine Penicillin-Allergie vor, kann auf ein Makrolidantibiotikum wie Erythromycin oder Clarithromycin ausgewichen werden. Daneben gehören zur Behandlung symptomatische Maßnahmen wie Fiebersenkung, Linderung der Schluckbeschwerden durch Gurgeln oder lokal schmerzlindernde Lutschtabletten.
Prävention
Als Prävention wird zur Kontaktvermeidung zu Erkrankten während der potentiellen Ansteckungszeit geraten, bei unvermeidbaren Kontakten zu regelmäßigem Händewaschen mit Seife zur Vermeidung einer Schmierinfektion. Eine präventive Behandlung von Kontaktpersonen mit Antibiotika wird nur für an einer Abwehrschwäche oder unter schweren Grundkrankheiten leidenden und somit besonders gefährdeten Menschen empfohlen.
Erkrankte Personen sollten während der ansteckenden Phase den Kontakt mit anderen Personen möglichst einschränken und sich insbesondere beim Husten und Niesen von diesen abwenden. Besonders empfohlen wird, nicht in die Handfläche, sondern in ein Papiertaschentuch o. ä. zu niesen oder zu husten und dieses im Anschluss unmittelbar in einen Abfallbehälter mit Deckel zu entsorgen.
Eine Schutzimpfung gegen Scharlach existiert derzeit nicht. Ein ehemaliges Produkt namens Diphtherie-Scharlach-Impfstoff Behring bestand aus einer Mischung zu gleichen Teilen von Diphtherie-Impfstoff Al. F. T. und Scharlach-Adsorbat-Impfstoff. Dieser seit 1949 produzierte Dreifachimpfstoff verlor aber durch die Einführung von Antibiotika an Bedeutung und wird seit Mitte der 1960er Jahre nicht mehr verimpft.
Ansteckung
Scharlach ist ansteckend, sobald und solange ein Patient den entsprechenden Erreger in sich trägt, mindestens jedoch bereits zwei bis vier Tage, bevor die ersten Symptome auftreten. Die Ansteckungsgefahr hält mindestens bis zum Abklingen der Symptome an. In der Regel dauert dies bis zu zwei Wochen nach Beginn der Beschwerden. Bei einer Antibiotikabehandlung geht man davon aus, dass nach 24 Stunden keine Ansteckungsgefahr mehr besteht. Etwa jeder Fünfte ist Keimträger, ohne selbst krank zu sein. Gesunde Keimträger spielen jedoch als Krankheitsüberträger eine geringere Rolle.
Komplikationen
Als Komplikationen gefürchtet sind vor allem die sogenannten Streptokokken-Nacherkrankungen: die Poststreptokokken-Glomerulonephritis und das rheumatische Fieber mit rheumatischer Endokarditis. Dabei handelt es sich um immunologische Erkrankungen durch die Abwehrreaktion des Immunsystems gegen die Scharlach-Erreger, die etwa vier bis sechs Wochen nach Erkrankung auftreten können.
Ferner gibt es Hinweise darauf, dass die Streptokokken-Infektion zu neuropsychiatrischen Autoimmunerkrankungen führen kann (siehe PANDAS, Tourette-Syndrom, Chorea minor).
Des Weiteren kann das gefährliche Streptokokken-induzierte toxische Schocksyndrom auftreten, sollten die Erreger in die Blutbahn gelangen.
Rechtslage/Meldepflicht
Gemäß § 34 des Infektionsschutzgesetzes dürfen sich an Scharlach und Streptococcus pyogenes Erkrankte sowie einer Infektion verdächtigte Personen nicht in Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Schulen) aufhalten. Die Leitung der Gemeinschaftseinrichtung hat gegenüber dem Gesundheitsamt eine Meldepflicht bzw. Benachrichtigungspflicht. Nach dem Recht Sachsens und Thüringens besteht eine namentliche Meldepflicht bezüglich Erkrankung und Tod an Scharlach.
In Österreich unterliegen Erkrankungs- und Todesfälle an Scharlach der Anzeigepflicht gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 des Epidemiegesetzes 1950.
In der Schweiz gibt es keine grundsätzliche Meldepflicht beim Auftreten von Erkrankungs- und Todesfällen an Scharlach. Davon abgesehen sind jedoch in der Schweiz meldepflichtig: Krankheits- oder Todesfälle [sowie laboranalytische Befunde], die das zu erwartende Ausmass für den betreffenden Zeitraum oder Ort übersteigen und mutmasslich auf eine übertragbare Krankheit zurückzuführen sind und Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erfordern könnten. Dies gilt auch für Krankheits- oder Todesfälle, die im Einzelfall nicht oder nicht binnen 24 Stunden meldepflichtig sind. Dies ergibt sich aus dem Epidemiengesetz (EpG) in Verbindung mit der Epidemienverordnung und Anhang 1 bzw. Anhang 3 der Verordnung des EDI über die Meldung von Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen.
Trivia
Auch in die Dichtung fand die Krankheit Eingang: Um 1830 entstanden die Kindertodtenlieder des Dichters Friedrich Rückert, nachdem zwei seiner Kinder an Scharlach verstorben waren.
Siehe auch
- Exanthem#Vierte Krankheit: Filatows oder Dukes Krankheit (Rubeola scarlatinosa)
Historische Literatur
- D. F. Erhard: Ueber die äußerliche Anwendung des kalten Wassers als Heilmittel im Scharlachfieber. Beck, Nördlingen 1824 (Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf)
- William Charles Wells: Observations on the Dropsy, which succeeds Scarlet Fever (Read November 4, 1806). In: Transactions of a Society for the Improvement of Medical and Chirurgical Knowledge. Band 3, London 1812, S. 167–186.
- Karl Wurm, A. M. Walter: Infektionskrankheiten. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 9–223, hier: S. 78–84.
Weblinks
- Scharlach – Informationen des Robert Koch-Instituts
- Scharlach bei infektionsschutz.de, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
- Mike McRae: A Historical Epidemic Has Been Making a Scary Comeback Due to a Bacterial 'Clone', auf: sciencealert vom 7. Oktober 2020 (englisch)
- Nadja Podbregar: Scharlach: Rückkehr durch „Superantigene“, auf scinexx.de vom 8. Oktober 2020
- Bahman Sotoodian; William D James (Hrsg.): Scarlet Fever, auf eMedicine vom 21. Juni 2019 (englisch)
- Supercharged Bacterial “Clones” Spark Scarlet Fever’s Global Re-emergence, auf SciTechDaily vom 6. Oktober 2020, Quelle: University of Queensland (englisch)