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Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor
Klassifikation nach ICD-10 | |
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C72 | Bösartige Neubildung des Gehirns ICD-O 9508/3 WHO Grad IV |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Als atypischer teratoider/rhabdoider Tumor, häufig auch als ATRT oder AT/RT abgekürzt, wird ein seltener Hirntumor aus der Gruppe der embryonalen Tumoren bezeichnet. Der äußerst bösartige Tumor wird nach der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems als Grad IV eingeteilt und tritt ganz überwiegend bei Kleinkindern auf.
Inhaltsverzeichnis
Epidemiologie
Atypische teratoide/rhabdoide Tumoren machen etwa 2 % aller Hirntumoren bei Kindern aus, wobei ganz überwiegend Kinder in den ersten Lebensjahren betroffen sind. Bei Erwachsenen ist das Auftreten nur in Einzelfällen beschrieben.
Sporadische Fälle, bei denen kein Zusammenhang mit einer erblichen Erkrankung erkennbar ist, überwiegen. Eine familiäre Häufung tritt beim sogenannten Rhabdoid-Prädispositions-Syndrom auf.
Symptomatik
Atypische teratoide/rhabdoide Tumoren können in der hinteren Schädelgrube lokalisiert sein, treten aber auch im Bereich der Großhirnhemisphären auf. Die klinische Symptomatik ist abhängig von der Tumorlage und dem Alter des Kindes und wird in der Regel durch das rasche Tumorwachstum geprägt. Schläfrigkeit, Übelkeit und Erbrechen sind häufige, aber unspezifische Symptome.
Neuropathologie
Namensgebend und für die feingeweblichen (histologischen) Eigenschaften typisch sind relativ große Tumorzellen, die randständige, hervorstechende Kernkörperchen (Nukleolen) und Einschlüsse in ihrem Zellkörper besitzen, sogenannte rhabdoide Tumorzellen. Sie erinnern in ihrem Zellbild an einen bösartigen Weichteiltumor, das Rhabdomyosarkom. Mitotische Aktivität, Zelldichte und Kernpolymorphie sind erhöht. Tumornekrosen sind häufig. Der Tumor wächst unstrukturiert oder in papillären Strukturen, was die Abgrenzung gegenüber Plexuskarzinomen schwierig machen kann. Andererseits kommen neben Abschnitten mit rhaboiden Tumorzellen häufig auch kleinzellige Anteile vor, deren Histologie dem anderer embryonaler Tumoren wie dem Medulloblastom ähneln.
Pathogenese
Genetische Veränderungen, die das SMARCB1-Gen auf Chromosom 22q11.2 betreffen und zu einer verminderten Expression seines Genprodukts, des INI1-Proteins, führen, sind charakteristisch. Bei etwa einem Drittel der Patienten ist eine Keimbahnmutation des SMARCB1-Gens nachweisbar. Dieser Befund geht mit jüngerem Erkrankungsalter und einer noch ungünstigeren Prognose einher.
Der immunhistochemische Nachweis einer fehlenden INI1-Proteinexpression lässt sich in der Mehrzahl der Fälle zur Abgrenzung gegenüber anderen Tumoren diagnostisch nutzen. Da ATRT jedoch selten auch in Zusammenhang mit genetischen Veränderungen von SMARCA4 (BRG1), einem Gen, das für eine weitere Untereinheit des SWI/SNF Chromatin-Remodeling-Complex kodiert, auftreten können, macht der Nachweis einer erhaltenen INI1-Expression die Diagnose eines ATRT zwar unwahrscheinlicher, schließt sie jedoch keinesfalls aus.
Behandlung und Prognose
Eine vollständige operative Entfernung kann häufig nicht erreicht werden. Im Rahmen der weiteren Behandlung, die in der Regel im Rahmen klinischer Studien erfolgt, schließt sich deswegen eine adjuvante Chemotherapie und (im Rahmen eines individuellen Behandlungskonzepts in Abhängigkeit vom Alter des Kindes) möglicherweise auch eine Bestrahlung an.
Auch nach operativer Entfernung und initial gutem Ansprechen auf die Chemotherapie ist der weitere Verlauf häufig von einem erneuten Tumorwachstum geprägt. Zwei Jahre nach Diagnosestellung sind im Rahmen einer klinischen Studie trotz intensiver therapeutischer Bemühungen 83 % der betroffenen Kleinkinder gestorben. Kinder mit einem Alter von über drei Jahren haben eine etwas bessere Prognose, was möglicherweise durch die (aufgrund der Nebenwirkungen erst in dieser Altersgruppe durchführbaren) Bestrahlung bedingt ist. In den vergangenen Jahren hat sich aus diesem Grund bei der Behandlung von AT/RT die Protonentherapie als Behandlungsoption etabliert, da diese insbesondere für Kinder als besonders schonend gilt und somit langfristige Nebenwirkungen einer Strahlentherapie reduziert werden können.
Durch eine intensive und aggressive Kombinationsbehandlung konnte im Rahmen einer an amerikanischen Kliniken durchgeführten klinischen Studie eine Zweijahresüberlebensrate von 70 % erreicht werden.
Literatur
- Rorke, Biegel: Atypical teratoid/rhabdoid tumour. In: Paul Kleihues, Webster K. Cavenee (Hrsg.): World Health Organization classification of tumors. Band 1: Pathology and genetics of tumours of the nervous system. IARC Press, Lyon 2000, ISBN 92-832-2409-4.
Weblinks
- EURHAB Europäisches Rhabdoidtumor-Register