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Doppelbotschaften
Als Doppelbotschaft (auch doppelte Botschaft oder Doppelbindung; englisch double bind) bezeichnet man in der klinischen Psychologie, der Sozialpsychologie und der Kommunikationswissenschaft ein dysfunktionales (bei häufiger Verwendung pathologisches) paradoxes Muster zwischenmenschlicher Kommunikation, das häufig in „gestörten“ Beziehungen auftritt. Der Begriff „Doppelbotschaft“ bezieht sich auf die kommunizierte Information, der Begriff „Doppelbindung“ auf das dadurch ausgelöste Reaktionsmuster, siehe → Doppelbindungstheorie.
Doppelbotschaften stellen eine Kommunikationsfalle dar, weil sie – meist auf unterschiedlichen Kommunikationsebenen, wie Inhaltsebene (meist verbal) und Beziehungsebene (häufig paraverbal oder nonverbal) – zwei Botschaften gleichzeitig vermitteln, die einander widersprechen und sich gegenseitig ausschließen. Die widersprüchlichen Botschaften können dabei vom Inhalt der gesprochenen Worte, dem Tonfall, der Gestik, der Mimik oder Handlungen ausgehen.
Der Empfänger solcher Botschaften steht vor dem Dilemma, wie er sich verhalten soll, weil er nicht beide Botschaften gleichzeitig befolgen oder für wahr halten kann und ihm unklar ist, welche der Botschaften er beachten soll. Meist kann er die Zweideutigkeit dieser Botschaft nicht bewusst erkennen, also beispielsweise die Diskrepanz zwischen (verbalem) Inhalts- und (nonverbalem) Beziehungsaspekt, und hat keine Möglichkeit, adäquat darauf zu reagieren. Eine solche Kommunikation erzeugt beim Empfänger Verwirrung, Unsicherheit, Stress und kann, wenn Doppelbotschaften häufig verwendet werden, unter Umständen den Empfänger dieser Botschaften langfristig krank machen oder schwere Beziehungsstörungen auslösen. Doppelbotschaften können in manipulativen Beziehungen dazu eingesetzt werden, den Partner ins Unrecht zu setzen, zu kritisieren, abzuwerten, zu verunsichern (und letztendlich zu schwächen), da dieser nicht richtig handeln kann und zwangsläufig gegen eine der beiden Botschaften verstoßen muss. Doppelbindungen können in der Eltern-Kind-Beziehung bei der Entstehung von Bindungsstörungen eine wichtige Rolle spielen, z. B. bei emotionaler Vernachlässigung oder emotionaler Misshandlung, im Rahmen von Kindheitstrauma oder kollusiven Beziehungsmustern in partnerschaftlichen Beziehungen zur Erzeugung bzw. Festigung von Machtstrukturen, Abhängigkeiten oder beispielsweise in pathologischen „Borderline-“ oder „narzisstischen“ Beziehungen.
Beispiele
Einige einfache Beispiele für Doppelbotschaften:
- Auf die Frage: „Wie geht es dir?“ wird mit leidendem Gesichtsausdruck und weinerlicher Stimme geantwortet: „Mir geht es gut.“
- Ein Kompliment oder eine Liebeserklärung mit versteinerter Miene und ausdrucksloser Stimme.
- Die Aufforderung: „Komm her zu mir“ mit abweisender Mimik und zurückweisender Gestik (z. B. Stopp-Geste, verschränkte Arme).
- Die Aufforderung einer Frau an ihren Ehemann: „Du könntest mich wirklich heute zu unserem Hochzeitstag mal wieder mit Blumen überraschen.“ (Widerspruch zwischen Aufforderung und überraschen).
- Zum Partner: „Du darfst doch immer tun, was du willst, aber enttäusche mich nie (erfülle immer meine Erwartungen)!“
- Der Vorgesetzte zum Angestellten: „Sie müssen sich nicht viel Arbeit mit dem Projekt machen, aber ich brauche von Ihnen eine perfekte Präsentation, die alle Kunden überzeugt.“
- Ein Mann hat von seiner Freundin zu Weihnachten zwei Hemden geschenkt bekommen. Als er eines davon beim nächsten Treffen anzieht, stellt sie die Frage: „Das andere gefällt Dir wohl nicht?“
- Ein gekränkter Mann sagt zu seiner Frau, die sich mit ihrer Freundin verabredet hat (mit unterdrückter Wut): „Mach dir ruhig einen schönen Abend und denk nicht an mich!“
- Die Anweisung eines Chefs an den Abteilungsleiter: „Reformieren Sie grundlegend die Arbeitsstrukturen und die Organisation in der Abteilung, aber verändern Sie nichts in meiner Firma!“
- Die Aufforderung: „Hilf mir, mit meinen Problemen fertig zu werden, aber misch dich nicht in meine Angelegenheiten und sag mir nicht, was zu tun ist!“
- Die Redensart: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“
Mit den theoretischen Grundlagen von Doppelbindungen, wie Kommunikationsstrukturen, Transaktionsebenen, Auswirkungen, erkenntnistheoretischen Erklärungen und therapeutischen Behandlungsansätzen haben sich Gregory Bateson, Paul Watzlawick und ihre Kollegen an der Universität von Palo Alto (Palo-Alto-Gruppe) in der maßgeblich von ihnen entwickelten Doppelbindungstheorie auseinandergesetzt.
Siehe auch
Literatur
- Paul Watzlawick, Janet H. Beavin, Don D. Jackson: Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. 11. unveränderte Auflage, H. Huber, Bern 2007. ISBN 3-456-83457-8.
- Christiane Sautter, Alexander Sautter: Wege aus der Zwickmühle: Doublebinds verstehen und lösen. 1. Auflage Verlag für Systemische Konzepte, Wolfegg 2005. ISBN 3-9809936-1-2.
- Friedemann Schulz von Thun: Störungen und Klärungen: allgemeine Psychologie der Kommunikation. Originalausgabe, Sonderausgabe 2001 Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2001. ISBN 3-499-17489-8.
- Jurgen Ruesch, Gregory Bateson, Paul Watzlawick, Fritz B. Simon: Kommunikation die soziale Matrix der Psychiatrie. 2. korrigierte Auflage Carl Auer, Heidelberg 2012. ISBN 3-89670-836-8.
- Jürg Willi: Die Zweierbeziehung: Das unbewusste Zusammenspiel von Partnern als Kollusion. Auflage: 3, Erweiterte Neuausgabe, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg. ISBN 3-499-62758-2.
- Jürg Willi: Die Zweierbeziehung. Spannungsursachen / Störungsmuster / Klärungsprozesse / Lösungsmodelle – Analyse des unbewußten Zusammenspiels in Partnerwahl und Paarkonflikt: Das Kollusionskonzept. Rowohlt 1975, Reinbek bei Hamburg 1999. ISBN 3-499-60509-0.
- Angelika Kutz: Toxische Kommunikation als Krankheitsursache in Unternehmen: Das Double Bind-Phänomen – eine Einführung für Führungskräfte, Berater, Coaches, (essentials) Taschenbuch – Springer-Verlag 2016. ISBN 3-658-12891-7.