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Französisches Paradox
Das französische Paradox beschreibt die Hypothese, dass Franzosen trotz Alkohol- und Fettkonsums länger leben würden als z. B. Deutsche oder Amerikaner. Die Herzinfarkthäufigkeit in Frankreich sei ein Drittel so hoch wie in den USA. Unter Medizinern ist umstritten, ob dieses Paradox überhaupt existiert.
Inhaltsverzeichnis
Entdeckungsgeschichte
Dieses Phänomen wurde bereits 1819 vom irischen Arzt Samuel Black beobachtet. Der Begriff französisches Paradox wurde 1992 von Serge Renaud geprägt, einem Forscher an der Universität Bordeaux.
Erklärungsansätze
Verschiedene Erklärungsansätze, von denen einige sich auf Bestandteile der französischen Küche fokussieren, sind diskutiert worden.
Rotwein
Frankreich zählt zu den renommiertesten Anbaugebieten von Wein auf der ganzen Welt, sowohl was Qualität und Quantität betrifft. Bereits seit 400 vor Christus wurde auf dem Gebiet der heutigen Französischen Republik Wein angebaut und gekeltert. Prozentual gesehen war der Alkoholkonsum in Frankreich 1951 dreimal so hoch wie in den USA.
Alkohol
Aus dem französischen Paradox wurde daher die Erkenntnis gezogen, dass das Rotwein-Trinken, trotz des für den menschlichen Organismus giftigen Alkohols, offenbar gesund sein müsste. Dieser Effekt ergibt sich daraus, dass mäßige Alkoholmengen von der Leber schadlos abgebaut werden können, andererseits aber durch den gefäßerweiternden Effekt des Alkohols die Wahrscheinlichkeit bestimmter Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt.
Vergleichsstudien zeigten jedoch, dass auch jeder andere mäßige Alkoholgenuss vergleichbare Effekte hat. Bei steigender Alkoholmenge steigt schließlich die toxische Wirkung des Alkohols.
Resveratrol, Catechin
Es wurde postuliert, dass Resveratrol, eine Komponente in Trauben und daraus hergestelltem Rotwein, sich positiv auf gewisse Autoimmunkrankheiten oder Herzkrankheiten auswirken kann. Jedoch gibt es hierfür keine hochwertigen Evidenzen aus Tier- oder Humanstudien.
Statt Resveratrol wird Catechin für die positiven Gesundheitseffekte verantwortlich gemacht.
Oligomere Proanthocyanidine
Darüber hinaus werden bei Rotwein zusätzlich oligomere Proanthocyanidine (OPC) als Bestandteil von Rotwein für das französische Paradox verantwortlich gemacht.
Polyphenole
Nach neueren Forschungen haben die hohen Polyphenolgehalte bei einigen wenigen Rotweinen einen positiven Effekt auf das Herz- und Kreislaufsystem. So liefert von allen Rebsorten die Sorte Tannat bei traditioneller Verarbeitung, das heißt bei längerer Gärung mit Schalen und Kernen (drei bis vier Wochen), die höchsten Werte an Polyphenolen, die sich als vorbeugend bei Herz- und Kreislauferkrankungen erwiesen haben. Der Tannat gilt laut einem 2006 in der Wissenschaftszeitschrift Nature erschienenen Artikel als besonders gesunder Rotwein. Wegen des hohen natürlichen Gehalts, verbunden mit einer gründlicheren Extraktion, enthält dieser Wein, der in Frankreichs Südwesten und in Sardinien wächst, gut viermal so viele Polyphenole wie andere getestete Rotweine. Als hauptwirksamer Bestandteil wurden Procyanidine, vasoaktive Polyphenole, identifiziert.
Sonstige Bestandteile der französischen Küche
Auch andere in der französischen Küche häufig verwendete Bestandteile wurden im Rahmen des französischen Paradoxons sowohl als problematisch als auch als potentiell gesundheitsförderlich herausgestellt:
Milchprodukte
Die in Frankreich beliebte Béchamelsauce enthält genau wie die Sauce béarnaise und die holländische Sauce Butter. Kräftige Käse wie Camembert, Livarot und Pont-l’Évêque sind unter Franzosen ebenfalls beliebt.
2009 wurden in Frankreich 7,90 Kilogramm pro Kopf und Jahr an Butter und 26,10 Kilogramm an Käse konsumiert. Bestandteile dieser fettreichen Produkte werden zum einen als potentiell problematisch angesehen, da gesättigte Fettsäuren das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöhen können, andererseits werden sie von einigen Forschern gerade für die geringe Inzidenz kardiovaskulärer Krankheiten unter den Franzosen verantwortlich gemacht.
Menachinon
Im Jahr 2004 wurden Daten aus der sogenannten Rotterdam-Studie veröffentlicht, die eine angemessene Versorgung mit Menachinon (Vitamin K2) mit einer Reduktion an Atherosklerose und einer geringeren Sterblichkeit in Verbindung brachte. Deshalb wurde vermutet, dass ein hinreichender Anteil von menachinonreichen Lebensmitteln Bedeutsamkeit für die Vorbeugung gegen kardiovaskuläre Komplikationen haben kann.
Hartkäse, Weichkäse und Butter sind relativ ergiebige Quellen für Vitamin K2.
Vorgeburtliche und frühkindliche Ernährungssituation im 19. Jahrhundert
David J. P. Barker nennt Frankreich als Beispiel für eine Kultur, die gute pränatale und postnatale Versorgung schätzt und somit chronischen Erkrankungen vorbeugt, womit das französische Paradox von einem langjährigen Engagement für hervorragende Schwangerschaftsbetreuung herrühren würde.
Seit mehr als einem Jahrhundert haben die Franzosen ein hochentwickeltes System pränataler Versorgung für schwangere Frauen institutionalisiert, um die optimale Entwicklung ihrer Föten sicherzustellen. Dies kam unter anderem aufgrund der weit verbreiteten Mangelernährung im Europa des 19. Jahrhunderts zustande, die von der französischen Regierung als Problem betrachtet wurde, da sie um ihre nationale Stärke fürchtete. Daher wurden gesetzliche Maßnahmen eingeleitet – einschließlich der routinemäßigen Speisung von Schulkindern und des regelmäßigen Wiegens von Schwangeren und Neugeborenen durch Hebammen –, um die Ernährung von Babys, Kindern und werdenden Müttern zu verbessern.
Im Jahre 1871, nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg, machte es sich die französische Regierung endgültig zu ihrer institutionellen Verpflichtung, den Bestand an Soldaten durch erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich der Gesundheit von zukünftigen Müttern und der richtigen Ernährung von Säuglingen zu erhöhen.
Zweifel an der Existenz des Paradoxons
Unter Medizinern ist umstritten, ob das französische Paradox überhaupt existiert.
So hat die WHO in einer Studie festgestellt, dass die Häufigkeit von Herzerkrankungen in Frankreich bisher statistisch falsch erfasst wurde. Französische Ärzte haben anscheinend auf den Sterbeurkunden Herzerkrankungen nicht eindeutig erfasst, so dass die Zahlen um −20 % geringer dargestellt wurden als sie tatsächlich waren.
Korrigiert man die Fälle an Herzerkrankungen um 20 % nach oben, so zeigt sich für Frankreich ein ähnliches Bild wie für alle anderen Länder: ein höherer Konsum von gesättigten Fetten und Cholesterin führt zu mehr Herzerkrankungen.
Literatur
- R. Corder, W. Mullen, N. Q. Khan, S. C. Marks, E. G. Wood, M. J. Carrier, A. Crozier: Oenology: Red wine procyanidins and vascular health. In: Nature. Nr. 444, 30. November 2006, S. 566 (englisch).
- Roger Corder: The Wine Diet. Sphere, 2006, ISBN 1-84744-003-7 (englisch).
Weblinks
- French Scout: Which wines have the most health benefits. 2008, abgerufen am 29. Dezember 2010 (englisch).
- Podcast von Nature zum Thema, 2006 (englisch).