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Gaslighting
Als Gaslighting (Kompositum aus englisch gas und lighting, deutsch: ‚Gasbeleuchtung‘, in diesem Zusammenhang aber auch im Deutschen als Gaslighting bezeichnet) wird in der Psychologie eine Form von psychischer Gewalt beziehungsweise Missbrauch bezeichnet, mit der Opfer gezielt desorientiert, manipuliert und zutiefst verunsichert werden, und ihr Realitäts- und Selbstbewusstsein allmählich deformiert bzw. zerstört wird.
Der Begriff stammt vom Titel des Theaterstücks Gas Light von 1938. Der britische Dramatiker Patrick Hamilton zeigte darin erstmals diese Praxis und machte sie zu einem öffentlich wahrgenommenen und diskutierten Thema. Die 1940 in Großbritannien unter dem Titel Gaslicht und 1944 in den USA unter dem Titel Das Haus der Lady Alquist verfilmte Geschichte machte den Begriff weltbekannt.
Der Begriff wird seit den 1960er Jahren auch umgangssprachlich und als psychologischer Fachbegriff verwendet, um Bemühungen zu beschreiben, jemandes Wahrnehmung der Realität zu manipulieren. Die Täter werden auch als Gaslighter bezeichnet. Auch im Bereich der psychologischen Kriegsführung ist das Gaslighting eine Methode der Meinungsmanipulation und Propaganda.
Inhaltsverzeichnis
Namensherkunft
Gaslighting ist nach dem Theaterstück Gas Light des britischen Autors Patrick Hamilton benannt, welches durch seine Verfilmungen Gaslight (1940) und insbesondere Das Haus der Lady Alquist (1944) weltweit bekannt wurde. In dem Stück manipuliert der Protagonist seine Ehefrau über einen langen Zeitraum, indem er behauptet, Dinge nicht zu sehen, die sie wahrnimmt, unter anderem das Licht einer flackernden Gaslaterne. Schließlich zweifelt die Frau an ihrer eigenen Wahrnehmung und wird beinahe wahnsinnig, bevor am Schluss die Manipulation aufgedeckt wird. Obwohl Theaterstück und Filme im deutschsprachigen Raum unter anderen Titeln bekannt sind, setzte sich auch im Deutschen der englische Name der Manipulationsmethode durch.
Verlauf
Die Wahrnehmung der Realität wird beim Opfer in Frage gestellt. Dies geschieht nicht permanent, aber wiederholt und über einen langen Zeitraum durch eine oder mehrere Personen. Das kann durch Verleugnung von real existierenden Dingen, Verhaltensweisen oder Ereignissen geschehen, seltener auch durch eine bewusste Inszenierung derselben. Dabei ist eine Grundvoraussetzung, dass zwischen Täter und Opfer ein Vertrauensverhältnis besteht, also dass das Opfer dem Täter und seinen manipulierenden Aussagen vertraut. Mit der Zeit beginnen die Opfer, an ihrem Gedächtnis, ihrer Wahrnehmung und an ihrem Verstand zu zweifeln. Weil Gaslighter ihre Opfer bewusst isolieren, lassen sich die manipulativen Aussagen nicht durch einen Dritten überprüfen.
Besonders perfide ist es, wenn Täter auch Menschen aus dem sozialen Umfeld des Opfers manipulieren und dazu bringen, dass sie den Standpunkt oder die Aussagen des Täters bestätigen oder ebenfalls die Wahrnehmungen des Opfers anzweifeln und so unbewusst in der „Inszenierung“ des Täters mitwirken. Hierdurch kann oft innerhalb kurzer Zeit das Selbstvertrauen des Opfers weitgehend zerstört und eine soziale Isolierung erreicht werden.
Nicht allen Tätern sind die Mechanismen der Methode und deren Bezeichnung als Gaslighting bewusst, insbesondere bei Menschen mit dissozialer, narzisstischer oder psychopathischer Persönlichkeitsstörung. Abgesehen von solchen Erkrankungen wird in den meisten Fällen von einer gezielten Anwendung ausgegangen. Motiv der Täter ist Machtausübung gegenüber dem Opfer.
Es gibt Literatur zum Erkennen der Einschüchterung von Arbeitnehmern mittels Gaslighting durch Chefs mit Persönlichkeitsstörung. Auch im Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs (aber auch bei anderen Missbrauchsformen, wie zum Beispiel Grooming (Pädokriminalität) und emotionalem Missbrauch) benutzen Täter häufig Gaslighting, um sowohl während der Tat als auch danach die Opfer gezielt zu manipulieren und/oder ein Abhängigkeitsverhältnis herzustellen.
Ähnliche Methoden können zum Beispiel in totalitären Regimen und Sekten als potentes Mittel im Rahmen von Gehirnwäsche, „Zersetzung“ (Stasi), Manipulation und Indoktrination Anwendung finden und beim Opfer unter anderem zu tiefgreifender und nachhaltiger, teilweise existenzieller Verunsicherung und Verwirrung, zu Schwächung und Schädigung von Selbstbewusstsein, Persönlichkeit und Widerstandskraft, zur Herbeiführung von Angst- und Panikzuständen bis hin zu Wahnvorstellungen und psychotischen Zuständen führen.
Beispiele
Gaslighting funktioniert häufig nach ähnlichem Schema und mit ähnlichen Techniken:
- Absprechen der Berechtigung oder Uminterpretieren der Gefühle des Opfers
- Behaupten, das Opfer habe etwas getan oder gesagt, woran es sich selbst jedoch nicht erinnern kann
- Behaupten bzw. leugnen, selbst etwas Bestimmtes getan oder gesagt zu haben
- Bestreiten, dass ein bestimmtes Ereignis stattgefunden hat
- Manipulieren von Dingen in der Wohnung oder im Umfeld des Opfers (zum Beispiel Gegenstände an ungewöhnliche Orte legen, Alltagsgegenstände oder Dokumente verstecken, in Abwesenheit des Opfers Kleinigkeiten in der Wohnung verändern, das Radio einschalten, die Wohnungstür nicht richtig abschließen, Auto des Opfers umparken etc.) und das Opfer beschuldigen, es sei zerstreut oder desorganisiert
- Dem Opfer unzutreffende Realitätswahrnehmung oder falsche Realitätsbeurteilung vorwerfen
- Dem Opfer die Schuld geben für Streit, Schwierigkeiten in der Beziehung, das Scheitern von Freundschaften, Probleme am Arbeitsplatz oder Lebensprobleme usw.
- Dem Opfer die Worte im Mund herumdrehen oder ihm Worte in den Mund legen
- Dem Opfer unangemessenes Verhalten, Körpersprache oder Bekleidung vorwerfen
- Dem Opfer einreden, dass dieses etwas nicht könne, nicht gut genug oder unqualifiziert sei
- Andere Menschen im Umfeld des Opfers (ggf. auch durch Manipulation) instrumentalisieren im Rahmen einer „Inszenierung“ – sie zum Beispiel veranlassen, in Gesprächen Partei für sich selbst bzw. gegen das Opfer zu ergreifen oder Aussagen zu bestätigen
- Der sozialen Isolation des Opfers (bzw. auch dessen Abhängigkeit oder Bindung an den Täter) Vorschub leisten, indem bspw. das Vertrauensverhältnis des Opfers zu Freunden und Verwandten untergraben wird
- Sein wahres Gesicht als Gaslighter allenfalls dem Opfer gegenüber zeigen, jedoch nicht anderen Menschen gegenüber oder in Gesellschaft.
Ebenfalls dargestellt wird Gaslighting in Filmen wie beispielsweise Der schwarze Spiegel, Wiegenlied für eine Leiche, Er kam nur nachts, Rosemaries Baby, The Girl on the Train, Die Truman Show und den Verfilmungen des Romans 1984.
Psychische Folgen
Die Opfer von Gaslighting erleiden nicht selten komplexe, schwergradige (chronische, floride oder progrediente) psychische Erkrankungen. Sie verfallen in eine tiefe Depression, Angst-, Panik- oder wahnhafte Zustände und können zudem auch eine Posttraumatische Belastungsstörung oder Dissoziative Störung entwickeln, und/oder ihre gesamte Persönlichkeit verändert sich (zum Beispiel zu einer selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung) wegen der vom Täter wiederholt genährten Selbstzweifel. Dabei kann es sogar dazu kommen, dass das Opfer denkt: „Ich bin völlig wahnsinnig geworden“, und das Gefühl hat, sein eigenes Leben nicht mehr im Griff respektive den Verstand verloren zu haben. Weitere Begleiterkrankungen, auch psychosomatischer Art, sind möglich.
Eine besondere Herausforderung in der Therapie der Opfer ist, dass sich das Manipulationsmuster des Gaslightings erst mit einem gewissen Abstand erkennen lässt. Es kann Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis ein Opfer versteht, dass es nicht die Person war, die etwas verkehrt gemacht hat oder mit der etwas nicht in Ordnung war oder ist, sondern dass es von einer anderen Person manipuliert wurde oder wird, und bis es dann die Folgen emotional verarbeitet hat. Oft erfordert es sehr viel Zeit und therapeutische Unterstützung, bis sich das Opfer wieder psychisch stabilisiert und sein früheres Selbstvertrauen wiedergewonnen hat.
In der Politik
In einem im März 2017 auf Spiegel Online erschienenen Kommentar ordnet der Journalist Marc Pitzke den Umgang des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump mit Fakten als Gaslighting ein.
Am 18. April 2019 bezeichnete der Präsidentensohn Donald Trump Jr. auf Twitter genau umgekehrt den Umgang vieler Medien mit Trumps sogenannter Russland-Affäre als Gaslighting.
Sonstiges
Gaslighter ist der Titelsong eines Albums von The Chicks, in welchem dem Ex Gaslighting vorgeworfen wird.
2022 ernannte Merriam-Webster „Gaslighting“ zum Wort des Jahres, da die Zahl der Kanäle und Technologien, die zur Irreführung verwendet werden, enorm zugenommen hat und das Wort für Wahrnehmungstäuschungen immer häufiger verwendet wird.
Literatur
- Kathryn Portnow: Dialoge des Zweifels: Die Psychologie des Selbstzweifelns und emotionales Gaslichtern bei erwachsenen Frauen und Männern (Originaltitel: Dialogues of Doubt: The Psychology of Self-Doubt and Emotional Gaslighting in Adult Women and Men.) Harvard Graduate School of Education 1996. Eingeschränkte Buchvorschau auf books.google.com (englisch), Dissertation.
- Victor Santoro: Gaslighting: how to drive your enemies crazy. Loompanics Unlimited, Port Townsend WA (USA) 1994, ISBN 978-1-55950-113-2
- Robin Stern: The gaslight effect: how to spot and survive the hidden manipulations other people use to control your life. Vorwort Naomi Wolf. Morgan Road Books, New York 2007, ISBN 978-0-7679-2445-0; auszugsweise auf Google Books
- Jan Drees: Sandbergs Liebe: Roman. Secession Verlag für Literatur, Zürich 2019, ISBN 978-3-906910-49-9.
Weblinks
- Henrike Möller: Gaslighting: Wenn die Wahrnehmung fremdgesteuert wird. In: Zeit Online. 9. Dezember 2016; abgerufen am 22. September 2022.
- Bärbel Wardetzki: Gaslighting: Die vollkommene Verunsicherung – „Ich dachte, ich werde verrückt“. (PDF; 538 kB) In: Lea. 27. Dezember 2016; abgerufen am 21. September 2022.
- Verena Maria Dittrich: Gaslighting: Die perfide Lust an der Manipulation. In: n-tv. 9. Februar 2019; abgerufen am 11. Februar 2019.
- Jan Drees: Rezensorium Gaslighting: „Ich habe Angst vor meiner Ex“. In: lesenmitlinks.de. 7. März 2022; abgerufen am 14. Juni 2020.
- Jan Drees: Gaslighting: Wenn Liebe in emotionale Gewalt umschlägt. (MP3-Audio; 48,2 MB; 52:41 Minuten) In: Bayern-2-Sendung „Zündfunk“. 27. Januar 2019; abgerufen am 22. September 2022.
- Luzia Stettler, Bernard Senn: Ghosting – wenn die Liebsten spurlos verschwinden. (MP3-Audio; 49,7 MB; 54:11 Minuten) In: SRF 2 Kultur. 3. März 2020; abgerufen am 22. September 2022.