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Gliedergürteldystrophie

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Klassifikation nach ICD-10
G71.0 Muskeldystrophie
- Becken- oder Schultergürtelform
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Der Begriff Gliedergürteldystrophie (engl. limb-girdle muscular dystrophy, LGMD) bezeichnet eine Gruppe erblicher Muskelerkrankungen (Myopathien), deren gemeinsames Merkmal Lähmungen der Muskulatur des Schulter- und Beckengürtels sind. Schulter- und Beckengürtel werden in der Medizin zusammen als Gliedergürtel bezeichnet. Neben Muskellähmungen erfüllen die Gliedergürteldystrophien die Kriterien der Muskeldystrophie. Eine Muskeldystrophie ist gekennzeichnet durch Umbauprozesse des Muskelgewebes. Die Erkrankungen dieser Gruppe sind genetisch und klinisch heterogen. Sie werden durch unterschiedliche Genmutationen verursacht und die gleichen Genmutationen können ein sehr variables klinisches Bild hervorrufen. Der Beginn der Erkrankung reicht vom Kleinkindes- bis in das hohe Erwachsenenalter und es sind sowohl milde als auch schwere Verläufe möglich. Gliedergürteldystrophien sind seltene Erkrankungen. Schätzungen der Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) aller Gliedergürteldystrophien reichen von 1:14.500 bis 1:123.000.

Ursachen

Die Gliedergürteldystrophien werden durch Gendefekte auf verschiedenen Chromosomen verursacht. Diese führen zu struktureller Abweichung, zum Mangel oder zum völligen Fehlen von verschiedenen Muskelproteinen, was zu einer chronischen Schädigung der häufig beanspruchten Muskelfasern führt. Leitsymptom ist die zunehmende Schwäche und der sichtbare Schwund der betroffenen Muskelpartien.

Einteilung

Die heute übliche Einteilung basiert auf der Klassifikation der molekulargenetisch nachweisbaren Genmutationen bzw. der veränderten Proteine. Nach dem Erbgang werden 2 Gruppen unterschieden: die autosomal-dominant vererbten Gliedergürteldystrophien, LGMD1, und die autosomal-rezessiv vererbten Gliedergürteldystrophien, LGMD2.

Autosomal-dominante Formen der Gliedergürteldystrophien

Die autosomal-dominant vererbten Gliedergürteldystrophien sind relativ selten und machen etwa 10 % aller Gliedergürteldystrophien aus. Die Erkrankungen manifestieren sich meist im Erwachsenenalter (adult-onset) und der klinische Verlauf ist im Vergleich zu den autosomal-rezessiv-vererbten Gliedergürteldystrophien häufig weniger schwer.

Typ Genort Gen Genprodukt Manifestationsalter Leitsymptome Prognose
LGMD1A 5q22–q34 MYOT Myotilin 18–35 Schwäche hüftnaher Beinmuskeln, Jahre später sind Armmuskeln betroffen; Schwäche von Gesichts- und Schlundmuskeln bei 20 %, Sprechstörungen (Dysarthrie) bei 25 % Rollstuhlabhängigkeit etwa 20 Jahre nach Beginn, meist normale Lebenserwartung
LGMD1B 1q22 LMNA Lamin-A/C 4–30 Schwächen in Hüft- und hüftnahen Oberschenkelmuskeln, in zwei Drittel der Fälle Reizüberleitungsstörungen des Herzen und möglicherweise Herzmuskelschwäche mit Erweiterung des Herzen (dilatative Kardiomyopathie) Lebenslange Gehfähigkeit, jedoch Risiko des plötzlichen Herztods um 50–60 Jahre
LGMD1C 3p25.3 CAV3 Caveolin-3 2–20–70 Stammnahe Muskelschwäche, Wadenkrämpfe, Wadenpseudohypertrophie wahrscheinlich lebenslange Gehfähigkeit und normale Lebenserwartung
LGMD1D 6q23 DES Desmin 20–25, selten unter 20 Herzrhythmusstörungen und Kardiomyopathie, später zusätzliche stammnahe Muskelschwächen Plötzlicher Tod durch AV-Block, ventrikuläre Tachykardie oder Kardiomyopathie möglich
LGMD1E 7q nicht bekannt nicht bekannt 10–30 Hüftnahe Beinmuskelschwäche
LGMD1F 7q32.1 TNPO3 Transportin 3 unter 1–58 Beckengürtel-, Schultergürtelmuskelschwäche
LGMD1G 4q21 HNRNPDL D-ähnliches heterogenes nukleäres Ribonukleoprotein 30–47 Becken- und Schultergürtelmuskelschwäche, Beugekontrakturen der Zehen und Finger
LGMD1H 3p25.1-p23 nicht bekannt nicht bekannt

Autosomal-rezessive Formen der Gliedergürteldystrophien

Typ Genort Gen Genprodukt Häufigkeit Manifestationsalter Leitsymptome Prognose
LGMD2A 15q15.1 CAPN3 Calpain-3 Etwa 10 % aller LGMD2, Gründermutationen: Amische, La Réunion, Basken, Türken 3–10–30 Schwäche der Hüft- und Oberschenkelmuskeln, auch Rumpfmuskulatur betroffen, Schultermuskulatur oft 2–5 Jahre später, häufig auch Kontrakturen der Wirbelsäule, Fußgelenke, Ellenbogen und Hände rascher oder langsamer Verlauf, entsprechend Tod um 20. Lebensjahr möglich, sonst in der 8. Lebensdekade, früher Beginn bedeutet nicht automatisch rasches Fortschreiten
LGMD2B 2p13.2 DYSF Dysferlin Etwa 5 % aller LGMD2 13–22–35 Schwäche vor allem der hinteren Hüft- und hüftnahen Oberschenkelmuskeln, 25 % Wadenpseudohypertrophie, 2–10 Jahre später Schultermuskelschwäche rascher oder langsamer Verlauf, in etwa 30 % Gehfähigkeit bis 26–54 Jahren, sonst bis 8. Dekade
LGMD2C 13q12.12 SGCG Gamma-Sarkoglykan 3–12 Muskelschwäche im Beckengürtel früher als im Schultergürtel, frühe Wadenpseudohypertrophie, später möglicherweise Gesichtsmuskeln betroffen Gehfähigkeit in 25 % 10–15 Jahre, 50 % 15–20 Jahre, 25 % über 20 Jahre, Tod im zweiten Lebensjahrzehnt möglich
LGMD2D 17q21.33 SGCA Alpha-Sarkoglykan 1–16, später Zunehmende Muskelschwächen im Beckengürtel und Oberschenkel mit verspäteten Gehbeginn oder unsicherem Gang ähnlich wie bei Muskeldystrophie Typ Duchenne rascher oder langsamer Verlauf, Gehfähigkeit bis 16–30 Jahre oder später, vorzeitiger Tod bei raschem Verlauf möglich
LGMD2E 4q12 SGCB Beta-Sarkoglykan 3–12 Beckengürtel eher betroffen als Schultergürtel, Wadenpseudohypertrophie rascher oder langsamer Verlauf, Gehfähigkeit 9–14 Jahre oder bis 38 Jahre, Tod im 2.–3. Lebensjahrzehnt möglich
LGMD2F 5q33–q34 SGCD Delta-Sarkoglykan 4–10 Zunehmende Muskelschwächen im Beckengürtel und Oberschenkel mit verspäteten Gehbeginn oder unsicherem Gang ähnlich wie bei Muskeldystrophie Typ Duchenne, Gesichtsmuskeln möglicherweise betroffen, Wadenhypertrophie rasches Fortschreiten mit Gehfähigkeit 9–16 Jahre, Tod am Ende des ersten oder im zweiten Lebensjahrzehnt möglich
LGMD2G 7q12 TCAP Telethonin Etwa 3 % aller LGMD2 9–15 Neben Hüft- und Oberschenkelmuskelschwäche auch Unterschenkelmuskeln und Arm/Schultermuskeln betroffen lange Gehfähigkeit bis 18–25 Jahre nach Beginn
LGMD2H 9q33.1 TRIM32 E3-Ubiquitin-Protein-Ligase TRIM32 1.–3. Dekade Beckengürtel eher betroffen als Schultergürtel, möglicherweise Nacken- oder Rückenschmerzen Gehschwierigkeiten mit 37–46 Jahren, Rollstuhlabhängigkeit im siebten Lebensjahrzehnt
LGMD2I 19q13.32 FKRP Fukutin-assoziiertes Protein (FKRP) Etwa 6 % aller LGMD2 1.–4 Dekade Zunächst Schwäche der Hüft- und Oberschenkelmuskeln, später der Schulter- und Oberarmmuskeln, Wadenpseudohypertrophie, Muskelschmerzen bei Belastung, Muskelfaserzerfall (Rhabdomyolyse) sehr unterschiedlicher Verlauf, Gehfähigkeit meist bis 30 Jahre
LGMD2J 2q31.2 TTN Titin 1.–3. Dekade Muskelschwäche und -atrophie der Hüft- und hüftnahen Oberschenkelmuskeln Gehverlust im 3.–5. Lebensjahrzehnt
LGMD2K 9q34.13 POMT1 Protein-O-Mannosyltransferase 1
LGMD2L 11p14.3 ANO5 Anoctamin-5 Etwa 25 % der LGMD2 im Vereinigten Königreich, Gründermutationen: Nordeuropäer
LGMD2M 9q31.2 FKTN Fukutin 6 Patienten
LGMD2N 14q24.3 POMT2 Protein-O-Mannosyltransferase 2 2 Patienten
LGMD2O 1p34.1 POMGNT1 Protein-O-Mannose-beta-1,2-N-Acetylglucosaminyltransferase 1 2 unabhängige Patienten (1 irisches Mädchen, 1 belgischer Junge)
LGMD2P 3p21.31 DAG1 Dystroglycan 1 türkische Patientin, homozygote Mutation frühe Kindheit Gliedergürteldystrophie mit mentaler Retardierung Mit 16 Jahren Laufen weniger Meter, IQ von 50
LGMD2Q 8q24.3 PLEC1 Plectin 4 Mitglieder einer türkischen Familie
LGMD2R 2q35 DES Desmin 2 türkische Sippen
LGMD2S 4q35.1 TRAPPC11 TRAPPC11 3 syrische Familien, 5 Hutterer
LGMD2T 3p21.31 GMPPB Beta-GDP-Mannose-Phosphorylase 3 unabhängige Patienten
LGMD2U 7p21.2 ISPD Isoprenoid synthase domain-containing protein
LGMD2V 17q25.3 GAA Lysosomale Alpha-Glucosidase
LGMD2W 3p21.31 LIMS2 LIM and senescent cell antigen-like-containing domain protein 2 Kindesalter Gliedergürteldystrophie mit Pseudohypertrophie der Waden und Makroglossie, eingeschränkte linksventrikuläre Funktion ab der 3. Dekade
LGMD2X 6q21 BVES Blood vessel epicardial substance (Popeye protein 1) Erwachsenenalter

Diagnose

Nachweis von alpha-Sarkoglykan in A) nicht betroffener Muskulatur, B) Fehlen desselben bei LGMD 2D

In der Ableitung der elektrischen Muskelaktivität (Elektromyografie, EMG) finden sich unspezifische Hinweise auf eine chronische Muskelschädigung (Myopathie). Durch bildgebende Verfahren wie die Computertomografie (CT) oder die Magnetresonanztomografie (MRT) lassen sich besonders befallene Muskelgruppen darstellen. Labordiagnostisch ist häufig eine deutlich erhöhte Creatinkinase auffällig. Bei entsprechendem Verdacht durch klinische Symptome helfen meist immunhistochemische oder molekulargenetische Untersuchungen einer Muskelbiopsie, die Diagnose zu sichern.

Therapie

Eine etablierte medikamentöse Therapie ist bei keiner der Gliedergürteldystrophien bekannt. Die symptomatische Behandlung konzentriert sich auf krankengymnastische Maßnahmen zum Erhalt der Muskelkraft, zur Schulung von Alltagsbewegungen und zur Vorbeugung gegen Kontrakturen. Ein maximales Krafttraining gilt jedoch als ungünstig. Wichtig ist auch eine sachgerechte Hilfsmittelversorgung in Form von Schienen (Orthesen), Gehstock, Rollator oder einem Rollstuhl. Bei Fehlstellungen der Füße oder der Wirbelsäule kommen insbesondere zur Wiederherstellung der Gehfähigkeit auch operative Behandlungsmaßnahmen in Frage. Bei einer auftretenden Beeinträchtigung der Sprechmotorik (Dysarthrie) ist eine logopädische Behandlung notwendig.

Nach Operationen oder anderen Umständen einer eingeschränkten Mobilität ist eine frühe Mobilisierung wichtig, da eine längere Immobilisierung von Patienten mit Gliedergürteldystrophie nicht selten dazu führt, dass die Gehfähigkeit verloren geht. Die Physiotherapie sollte bereits am Tag nach Operationen begonnen und konsequent durchgeführt werden.

Bei Herzbeteiligung ist unter Umständen eine Therapie von Reizleitungsstörungen und anderen Erkrankungen des Herzens möglich.

Medizingeschichte

Meist wird der Begriff der Gliedergürteldystrophien auf eine Arbeit von John Nicholas Walton und Frederick John Natrass aus dem Jahr 1954 zurückgeführt. Erste Beschreibungen von Gliedergürteldystrophien gehen bereits auf Arbeiten von Ernst von Leyden und Paul Julius Möbius in den Jahren 1876 beziehungsweise 1879 zurück.

Literatur

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