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Kopfjagd
Als Kopfjagd bezeichnet man die Tötung eines Menschen, um dessen Kopf oder Schädel als Siegestrophäe zu erbeuten. Heute gibt es nur noch sehr wenige Naturvölker, die Kopfjagd betreiben, um das in den Schädeln vermutete Energiepotential magisch nutzbar zu machen. Die Kopfjagd ist nur in wenigen Fällen mit Kannibalismus verbunden und ist vor allem in Südostasien, Melanesien und im nordwestlichen Tiefland Südamerikas verbreitet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Kopfjagd zählt zu den ältesten Ritualen überhaupt und war überall auf der Welt verbreitet. Auch in Europa sind Geschichten überliefert, bei denen man aus Schädeln trank. Die Kopfjagd war eine feste Tradition der keltischen Kriegerkultur während der Eisenzeit. Kopftrophäen waren zu dieser Zeit verbreiteter Bestandteil des Zaumzeuges keltischer Reiter. In China und in Japan wurden Köpfe als Kriegstrophäen gesammelt. Die Kopfjagd wurde bis ins 20. Jahrhundert noch bei einigen Völkern in Südostasien, Westafrika, Südamerika, Melanesien und Taiwan betrieben.
Zu den bekanntesten Völkern gehören in Südostasien die Dayak auf Borneo. Die Kopfjagd bei den früher sogenannten Alfuren auf den Molukken ist eher eine spekulative Zuschreibung, dagegen war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Kopfjagd auf Neuguinea verbreitet und wurde besonders aggressiv bei den Marind-anim, Sawi, Asmat und den Iatmul praktiziert. Bei Ritualen um Schädelkulte und Kopfjagd kam häufig eine Schlitztrommel (garamut) zum Einsatz. Bei einer 1952 bei den Asmat beobachteten Zeremonie wurde die Enthauptung von zwei Frauen durchgeführt.
Im zentralen Bergland auf der nordphilippinischen Insel Luzon waren mehrere Völker Kopfjäger, unter ihnen die Igorot und Ifugao. Bei der Rückkehr von einer erfolgreichen Kopfjagd spielte für die Männer ein Ensemble mit mehreren zeremoniellen Flachgongs gangsa.
Kopfjagd gab es auch bei den Naga (Indien), Garo (Indien/Bangladesh), Ekoi (Westafrika) und Shuar (Südamerika).
Südamerikanische Kopfjäger präparierten ihre Trophäen häufig zu Schrumpfköpfen. Eine Sonderform der Kopfjagd ist das Skalpieren (Nordamerika, Europa).
Sinn und Bedeutung
Kopfjagden dienten der Abschreckung und Demoralisierung des Gegners oder der Steigerung des sozialen Ansehens der tötenden Person.
In einigen Kulturen glaubte man, dass die im Kopf vermutete Lebenskraft des Opfers auf den Kopfjäger übergehen sollte. Der amerikanische Anthropologe Weston La Barre versuchte zu zeigen, dass die steinzeitliche Kopfjagd vom Verständnis des Hirns als vermeintlichem Vorrat angestauten Spermas, des primitiven Inbegriffs von Lebens-Mark, ausgegangen sei.
In einigen Völkern musste ein Junge einen Kopf erbeuten, um als Mann zu gelten und in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Eine Heirat war auch nur gegen Vorzeigen eines oder mehrerer Schädel möglich. Um die Häuptlingswürde zu erlangen, benötigte man bei einigen Völkern eine bestimmte Anzahl an erbeuteten Köpfen.
Siehe auch
Literatur
- Arsenio Nicolas Jr.: Ritual Transformation and Musical Parameters. A Study of Selected Head-Hunting Rites on Southern Cordillera, Northern Luzon. (MA-Thesis) University of the Philippines, 1989 (englisch).
- Jörg Scheidt, Marc Hellstern: Ein übermodellierter Schädel der Dayak. In: K. Grundmann, Gerhard Aumüller (Hrsg.): Das Marburger Medizinhistorische Museum – Museum Anatomicum. (= Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur, Band 98). Marburg 2012, S. 84–86.
- Alfried Wieczorek, Wilfried Rosendahl, Andreas Schlothauer (Hrsg.): Der Kult um Kopf und Schädel. Interdisziplinäre Betrachtungen zu einem Menschheitsthema. (= Kolloquiumsband anläßlich der Ausstellung „Schädelkult – Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen“ in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim). Verlag Regionalkultur, Heidelberg u. a. 2012, ISBN 978-3-89735-769-3.
- Alfried Wieczorek, Wilfried Rosendahl (Hrsg.): Schädelkult – Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen. Schnell + Steiner, Regensburg 2011, ISBN 978-3-7954-2454-1.
- Hitoshi Yamada: Religions-mythologische Vorstellungen bei den austronesischen Völkern Taiwans. Ein Beitrag zur Ethnologie Ost- und Südostasiens. (Dissertation) Ludwig-Maximilians-Universität, München 2002, S. 234–256.