Продолжая использовать сайт, вы даете свое согласие на работу с этими файлами.
Lazarus-Effekt
Unter dem Lazarus-Effekt versteht man in der Paläontologie das vorübergehende Nichterscheinen von Taxa (beispielsweise im Rang von Familien) im Fossilbericht, häufig mit Bezug auf die Zeit von Massenaussterben. In der Naturschutzbiologie bezieht sich der Ausdruck auf die Wiederauffindung von Taxa (in der Regel im Rang von Arten oder Unterarten), die bereits als ausgestorben gelistet worden waren, also auf ihre Entfernung von der Liste ausgestorbener Arten.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Namensherkunft
- 2 Begriffsgeschichte und Bedeutung
- 3 Siehe auch
- 4 Weblinks
- 5 Einzelnachweise
Namensherkunft
Der naturwissenschaftliche Begriff wurde nach dem biblischen Charakter Lazarus des Neuen Testaments benannt, der nach religiösem Glauben Tage nach seinem Tod eine Auferweckung durchlief, also durch ein Wunder von den Toten wiederauferstand.
Begriffsgeschichte und Bedeutung
Der Begriff wurde ursprünglich in der Paläontologie für vorübergehend im Fossilbericht fehlende Taxa definiert, nachträglich aber in anderem Sinn auf rezente Arten oder Taxa, die wiederentdeckt wurden, nachdem sie einige Zeit als ausgestorben galten, übertragen.
Paläontologische Konzepte
In der Paläontologie bezeichnet der Lazarus-Effekt ein vorübergehendes Verschwinden von Taxa aus dem Fossilbericht. Allerdings ist es im Zusammenhang mit dem „Lazarus-Effekt“ zu einer Vielzahl an Definitionen und Auslegungen gekommen, die zu erheblicher Begriffsverwirrung geführt haben. Viele Wissenschaftler beschränken die Verwendung des Begriffes auf die Zeitspannen während der Massenaussterben-Ereignisse, während einige andere damit ein Muster ansprechen, das sich auf bestimmte Zeitspannen bezieht, aber nicht auf Massenaussterben beschränkt ist. Entscheidend für die Bestimmung, was genau mit dem Begriff „Lazarus-Effekt“ bezeichnet werden soll, ist, ob der Fossilbericht als eine die angesprochenen evolutiven Abläufe angemessen darstellende Quelle angenommen werden soll oder ob der Fossilbericht für den angesprochenen Fall als unvollständig aufzufassen sein soll.
Lazarus-Taxa als stratigraphisches Phänomen
Wird von einem unvollständigen Fossilbericht ausgegangen, dann wird mit dem Lazarus-Effekt die Unvollständigkeit der geologischen Überlieferung angesprochen, also ein stratigraphisches Phänomen.
In Anlehnung an frühere Beobachtungen von Batten (1973) prägte David Jablonski 1983 den Begriff Lazarus-Effekt (englisch Lazarus effect, Fessa & Jablonski 1983) am Beispiel einer Anzahl von Familien und vieler Gattungen, die kurz vor der Perm-Trias-Grenze (und dem damit verbundenen Massenaussterben) oder kurz vor der Kreide-Paläogen-Grenze (und dem damit verbundenen Massenaussterben) aus dem Fossilbericht verschwinden, kurz nach der jeweiligen Grenze dann aber wieder im Fossilbericht erscheinen. 1986 entwickelte Jablonski das Konzept der Lazarus-Taxa (englisch Lazarus Taxa, Jablonski 1986) weiter. Er beschrieb damit das Phänomen, dass einige Taxa vor einem Massenaussterbeerereignis aus dem Fossilbericht verschwinden (scheinbar aussterben), später aber wieder im Fossilbericht erscheinen, dass also für diese Taxa „Lücken“ im Fossilbericht während einer Zeit des Massenaussterbens entstehen. Trotz des Nichterscheinens dieser Taxa in einer bestimmten Zeitspanne, also trotz dieser „Lücke“ in der geologischen Überlieferung während eines Massenaussterbens, kann ihr Fortbestehen während der Zeitspanne dieser „Lücke“ aus ihrem Erscheinen im Fossilbericht jüngerer und älterer Schichten geschlossen werden. Der Lararus-Effekt (im Sinne von Jablonski, 1986) bezeichnet also im Fossilbericht das „Verschwinden und scheinbare Aussterben von Taxa, die später unversehrt wieder auftauchen“.
Das Wissen um das Konzept der Lazarus-Taxa erlangt dadurch Bedeutung, dass ihr Vorkommen Hinweise auf die Qualität des Fossilberichts während eines Massensterbens geben kann. Je mehr Lazarus-Taxa vorliegen und je größer die „Lücke“ in der geologischen Überlieferung während eines Massenaussterbens ist, desto unvollständiger ist der Fossilbericht.
Lazarus-Taxa als biologisches Phänomen
Wird von einem adäquat vorliegenden Fossilbericht ausgegangen, dann wird mit dem Lazarus-Effekt ein echtes, mit dem Aussterben verbundenes Phänomen angesprochen, also ein biologisches Phänomen. Grund für das Fehlen einiger Taxa während einer bestimmten Zeitspanne der geologischen Überlieferung kann eine tatsächliche Erholung nach einem Beinahe-Aussterben sein. Diese biologische Auslegung ist als der stratigraphischen Interpretation untergeordnet zu betrachten und nur zu bevorzugen, wenn die stratigraphische Auslegung nicht dokumentiert werden kann.
Abgrenzung zum Konzept der Elvis taxa
Bereits Batten (1973) und Erwin & Droser (1993) haben darauf hingewiesen, dass die verglichenen Taxa exakt und konsistent taxonomisch einander zugeordnet sein müssen, damit entschieden werden kann, ob bei einem Befund tatsächliche Lazarus-Taxa vorliegen oder aber davon zu unterscheidende Elvis-Taxa (englisch Elvis taxa, Erwin & Droser 1993).
Das paläontologische Konzept der Elvis-Taxa betrifft Taxa im Fossilbericht, die einander ähnlich im Sinne von morphologisch konvergent, aber nicht miteinander stammesgeschichtlich verwandt sind. Die Elvis taxa sind als taxonomische Artefakte aufzufassen.
Beispiele für Lazarus-Taxa (im paläontologischen Sinn)
Ein Beispiel für Lazarus-Arten im Zusammenhang mit dem Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze sind Seeigel und andere Gruppen, die etwa in der Mitte des Trias, etwa 25 Millionen Jahre nach dem großen Massenaussterben, wieder im Fossilbericht erscheinen und als verhältnismäßig empfindlich auf Umweltveränderungen reagierende Organismen die Normalisierung der marinen Lebensbedingungen kennzeichnen. Während des gleichen Massenaussterbenereignisses gab es auch unter Gastropoden, Bivalvien und articulaten Brachiopoden eine erhebliche Anzahl von Lazarus-Taxa.
Rezent lebende Beispiele für Lazarus-Taxa (im paläontologischen Sinn)
Einen Sonderfall des Lazarus-Effekts im Sinne des Wiedererscheinens von Taxa nach einem längeren Hiatus im Fossilbericht stellt die Entdeckung lebender Exemplare ausgestorben geglaubter Taxa dar (nach Dawson & al., 2006). Solche Entdeckungen wurden bei Säugetieren und anderen Wirbeltieren nur selten dokumentiert.
- Quastenflosser oder Hohlstachlerartige (Coelacanthiformes): Diese zunächst nur aus dem Fossilbericht bekannte Gruppe der Knochenfische mit rezent überlebenden Vertretern innerhalb der Gattung Latimeria gehört zu den aufsehenerregendsten Beispielen von Lazarus-Taxa. Die Ordnung der Quastenflosser galt lange Zeit mangels Funde aus dem Känozoikum als vor 50 oder über 65 Millionen Jahren ausgestorben. Ihre „Wiederentdeckung“ in der Rezentfauna im Jahr 1938 in Form eines in einer Tiefe von 80 Metern nahe der Flussmündung des Chalumna an der Küste Südafrikas gefangenen Exemplars stellte deshalb eine wissenschaftliche Sensation höchsten Ranges als „lebendes Fossil“ dar, obwohl ihre Existenz in der lebenden Tierwelt zwar neu für die Wissenschaft war, nicht aber für in der Region einheimische Fischer, die die Tiere bereits als Beifang kannten. Eine wissenschaftliche Sensation bestand durch die Entdeckung bereits allein dadurch, dass den Quastenflossern zur Zeit dieser Entdeckung als vermeintliche Vorfahren der Amphibien eine phylogenetisch entscheidende Rolle beim Landgang der Wirbeltiere zugewiesen wurde. Die anhand eines bereits fortgeschritten zersetzten Kadavers angefertigte Erstbeschreibung wurde teilweise wissenschaftlich angefochten, konnte aber 1952 durch einen in der Nähe der Komoren getätigten weiteren Fund erhärtet werden. 1988 konnte der Komoren-Quastenflosser (L. chalumnae) durch Tauchboote in so guter Qualität im Lebensraum gefilmt werden, dass erstmals Details seiner Lebensweise der in einer Tiefe von 120 bis 200 Metern in den Abhängen der vulkanischen Inseln lebenden Art dokumentiert wurden. 1998 wurde dann vor der Nordküste der von den Komoren weit entfernt gelegenen und zu Indonesien gehörenden Insel Manado Tua vor Sulawesi (ehemals: Celebes) ein weiterer Quastenflosser gefangen, der auf Basis seiner von L. chalumnae abweichenden Färbung und genetischen Merkmale als eigenständige Art, Manado-Quastenflosser (L. menadoensis), beschrieben wurde. – Der Komoren-Quastenflosser wird allerdings inzwischen als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2000), der Manado-Quastenflosser als „gefährdet“ (IUCN, 2008). Die hauptsächliche Ursache für die massive Gefährdung des Komoren-Quastenflosser soll nicht in der lokalen Fischerei bestehen, sondern in der nach 1952 entbrannten weltweiten Sammelbegierde von Museen, Forschungseinrichtungen, Naturalienhändlern und Kuriösitätensammlern, die hohe Preise für dieses bekannteste „lebende Fossil“ bieten, obwohl der fortlaufende Fang der Tiere aufgrund der bereits an über 200 Exemplaren erfolgten, intensiven Erforschung kaum mehr mit wissenschaftlichem Bedarf zu rechtfertigen ist.
- Laotische Felsenratte (Laonastes aenigmamus): Die Art gilt als besonders eindrückliches Beispiel für den „Lazarus-Effekt“ in der Gruppe rezenter Säugetiere. In diesem Fall wurde demnach nach einer zeitlichen Nachweis-„Lücke“ von rund 11 Millionen Jahren ein ehemals als ausgestorben betrachtetes Taxon (die sonst zuletzt aus den frühen Oligozän- und späten Miozän-Schichten fossil belegte Nagetier-Familie der Diatomyidae) in der Biota der Gegenwart wiederentdeckt. 1996 wurden erstmals Kadaver der Art als angebotenes Nahrungsmittel in Süd-Laos von Wissenschaftlern entdeckt. 2005 wurde anhand des Materials die Familie Laonastidae, die Gattung Laonastes und die Art L. aenigmamus wissenschaftlich beschrieben. Lebende Exemplare konnten gefilmt und eingefangen werden. 2006 wurde die Art in die Familie Diatomyidae gestellt. 2007 wurde die umstrittene taxonomische Stellung der Art im Stammbaum der Säugetiere und damit die umstrittene Einordnung als Lazarus-Art mit molekularbiologischen Methoden überprüft und die Zugehörigkeit zur Familie Diatomyidae bestätigt. Aufgrund dieser anhand von morphologischen und molekularen Daten vorgenommenen Klassifikation wurde die Hypothese aufgestellt, dass es sich bei der Art um ein lebendes Fossil handelt. Die Art wird als „nicht gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2016).
Einige Taxa wurden zunächst fossil oder subfossil aus dem Pleistozän beschrieben, dann aber nachträglich auch in der Biota der Gegenwart entdeckt und den aus dem Pleistözän beschriebenen Taxa zugeordnet:
- Chaco-Pekari (Catagonus wagneri): rezente Individuen der Art wurden in den 1920er Jahren im bolivianischen Teil des Gran Chaco als unbeschriebene dritte und scheinbar neuentdeckte Art der damals bekannten Vertreter der Familie Nabelschweine oder Pekaris entdeckt und konnten später vom Mammalogen Martin Eisentraut gesichtet werden. Erst 1975 wurde diese dritte rezente Pekari-Art dann anhand von im paraguayischen Teil des Gran Chaco entdeckten rezenten Individuen wissenschaftlich beschrieben, wobei diese Individuen jedoch der in der Paläontologie 1930 bereits erstbeschriebenen Art Catagonus wagneri zugeordnet werden konnten, die anhand von fossil und subfossil im unteren und mittleren Pleistozän Nordargentiniens erhaltenen Knochenresten bekannt war, bereits zum Zeitpunkt ihrer Erstbeschreibung als ausgerottet galt und nun also in gewissem Sinne in der rezenten Tierwelt „wiederentdeckt“ wurde. 1985 wurde die Art durch Eisentraut auch für ihr zuvor schon gemeldetes Verbreitungsareal in Bolivien bestätigt. – Dieser Fall ist ein aufsehenerregendes Beispiel für den Nachweis einer Säugetierart mit beachtlicher Körpergröße in der rezenten Fauna, die der Wissenschaft zunächst nur fossil bis subfossil bekannt war. Allerdings reagieren die vereinzelten Freilandpopulationen sehr empfindlich auf anthropogene Eingriffe und der Gesamtbestand der als „stark gefährdet“ eingestuften Art (IUCN, 2015) wird auf nur noch wenige tausend Individuen geschätzt.
- Bergbilchbeutler (Burramys parvus): Diese Bilchbeutlerart wurde 1895 anhand von fossilem Material aus New South Wales beschrieben, das als dem Pleistozän zugehörig gedeutet wurde. Sie wurde für eine bis dahin unbekannte und ausgestorbene Beuteltier-Art gehalten. 1966 wurde dann in einer Skihütte auf dem Mount Hotham ein lebendes Individuum entdeckt, womit die fossil bekannte Art als auf alpines und subalpines Element der Rezentfauna wiederentdeckt wurde. – Kaum als rezent überlebendes Faunenelement „wieder“entdeckt, wurde die Art allerdings als „vom Aussterben bedroht“ (IUCN, 2008) eingestuft. Denn aufgrund fehlender höher gelegener Rückzugsgebiete oder Korridore zum Ausweichen in den klimatisch kälteren Süden der Südhalbkugel wird für den erwarteten Fall des Eintretens der prognostizierten globalen Erwärmung vom sicheren Aussterben dieser in ihrem Verbreitungsgebiet stenök an Hochgebirge gebundenen Art in der Wildbahn ausgegangen.
- Mallorca-Geburtshelferkröte (Alytes muletensis): 1979 (nominell: 1977) wurde die Art nach auf Mallorca gefundenen Knochenresten aus dem Pleistozän beschrieben und dafür die neue Gattung Baleaphryne in der Familie Scheibenzüngler geschaffen. 1980 wurde an sehr unzugänglicher Stelle im Nordosten Mallorcas ein rezent lebender Bestand entdeckt, der als der aus dem Pleistozän beschriebenen Art zugehörig identifiziert wurde. Aufgrund des beobachteten Brutpflegeverhaltens der lebenden Männchen wurde die Art dabei aber in die von festlandbewohnenden Vertretern bekannte Gattung Alytes (Geburtshelferkröten) gestellt. – Dieser Fall ist ein Beispiel für eine Froschlurchart mit Verbreitungsgebiet in Europa, die zunächst paläontologisch beschrieben, dann aber auch rezent nachgewiesen wurde. An diesem Fall der als „stark gefährdet“ eingestuften Art (IUCN, 2020) zeigt sich zudem exemplarisch, wie eingehende wissenschaftliche Studien in eine erfolgreiche Erhaltungszucht mündeten.
Konzepte in der Naturschutzbiologie
Das nicht seltene Phänomen vorzeitiger Einstufungen von Arten als ausgestorben hat zu verschiedenen Begriffsbildungen geführt. Neben dem Begriff Lazarus-Effekt (englisch Lazarus effect im Sinne von Keith & Burgman, 2004) existiert auch der Terminus Romeo-Irrtum (englisch Romeo error im Sinne von Collar, 1998). Die Phänomene Lazarus-Effekt und Romeo-Irrtum sind zwar beides Fälle einer irrtümlichen Einordnung in die Gefährdungskategorie „ausgestorben“, behandeln jedoch verschiedene Seiten der Problematik des Datenmangels im Bereich der Biodiversität, denn sie befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten dieser Problematik und beschreiben unterschiedliche Folgen, die daraus entstehen.
Lazarus-Effekt als Entfernung eines Taxons aus der Liste der ausgestorbenen Taxa
Der Lazarus-Wechsel bezieht sich auf die Zusammensetzung von Listen ausgestorbener Arten aufgrund von Änderungen im Wissen über die als ausgestorben geltenden Arten oder Populationen (etwa auf Basis von Verbesserungen im Wissen über ihre Taxonomie oder Verbreitung) und behandelt die Entfernung eines Taxons aus der Liste der ausgestorbenen Taxa.
In einer Übersichtsarbeit im Jahr 2011 wurden nach Auswertung der wissenschaftlichen Literatur 103 Arten von Säugetieren, 144 Vogelarten und 104 Amphibienarten identifiziert, die nach einem angenommenen Aussterben in den vorangegangenen 122 Jahren wiederentdeckt worden waren. Im Durchschnitt lagen zwischen der Meldung des Aussterbens und dem Wiederfund etwa 60 Jahre. Die meisten wiederentdeckten Arten leben in abgelegenen Regionen der Tropen. Fast 90 Prozent der wiederentdeckten Arten waren so selten, dass sie anschließend als vom Aussterben bedroht eingeschätzt werden mussten.
Abgrenzung zum Konzept des Romeo-Irrtums
Im Gegensatz zum Lazarus-Effekt bezieht sich das Phänomen des Romeo-Irrtums auf die Auswirkungen auf die Artenschutzbemühungen und behandelt das verfrühte Aufgeben eines Taxons durch den Natur- oder Artenschutz, ist also begrifflich zu trennen sowohl von dem in der Paläontologie als Lazarus-Effekt bekannten Phänomen (im Sinne von Wignall & Benton, 1999), als auch von dem in der Naturschutzbiologie als Lazarus-Effekt bekannten Phänomen (im Sinne von Keith & Burgman 2004).
Beispiele für Tiere
Beim Lazarus-Effekt im Sinne der Wiederentdeckung von Arten, die in der Roten Liste der IUCN bereits als „ausgestorben“ aufgeführt worden waren, handelt es sich um ein recht häufiges Phänomen mit hunderten beschriebenen Fällen allein im Bereich der Amphibien, Vögel und Säugetiere. Die Rote Liste der IUCN gilt als maßgeblichste Grundlage, wie die Arten nach ihrem Aussterberisiko zu klassifizieren sind und welche Arten als rezent „ausgestorben“ einzuordnen sind.
Grundlegend kann zum Verbreitungsspektrum der betroffenen Arten angemerkt werden, dass es sich bei einem Großteil der vom Aussterben bedrohten, im Aussterben befindlichen oder (gegebenenfalls auch nur scheinbar) ausgestorbenen Tierarten um inselbewohnende Endemiten handelt. Weltweit gilt, dass der Hauptgrund für das Aussterben von Tierarten auf Inseln in der Einführung invasiver Neozoen liegt. Allerdings ist beispielsweise von der Avifauna belegt, dass der Anteil der inselbewohnenden an den ausgestorbenen Arten rückläufig ist, während der Anteil der festlandbewohnenden Arten zunimmt, möglicherweise, weil die meisten potenziellen Neozoen auf ursprünglich beutegreiferlosen Inseln bereits eingeführt worden sind und sich nun verstärkt die auch auf dem Festland stark wirkende, anthropogene Lebensraumzerstörung auswirkt. Von aussterbenden inselbewohnenden Reptilientaxa ist mehrfach das Phänomen beobachtet worden, dass sie länger auf einer kleinen Rand- oder Nebeninsel eines Archipels als auf dessen Hauptinsel zu überdauern scheinen.
Die wiederentdeckten Taxa innerhalb der Reptilien und Amphibien leben häufig stärker verborgen und sind oft schwerer aufzuspüren als Vertreter anderer landbewohnender Tiergruppen.
Vögel
Den besten Grad an Dokumentation auf der Roten Liste weist die Organismen-Klasse der Vögel auf, für deren Erhaltungszustand beziehungsweise Gefährdungsstatus bereits mehrfach vollständige Bewertungen auf weltweiter Ebene von BirdLife International und IUCN veröffentlicht wurden. In der Ornithologie kam es auch zur intensivsten Beschäftigung mit Fragen, die Rückstufungen in der Gefährdungskategorie betreffen, sowie zum Versuch einer differenzierten Behandlung der Thematik, die durch eine Vielzahl spektakulärer Wiederentdeckungen verschollener und als ausgestorben eingestufter Vogeltaxa veranschaulicht werden kann.
- Elfenbeinspecht (Campephilus principalis): seit den 1920er Jahren mehrfach verloren gegangen geglaubte (1994 und 1996 auf der Roten Liste der IUCN als ausgestorben gelistet) und wiederentdeckte Art. - Die letzte offizielle Sichtung erfolgte 1944, doch wurden erneut Hinweise auf ein mögliches Fortbestehen der Art gemeldet. Die als „vom Aussterben bedroht“ (IUCN, 2020) geführte und möglicherweise ausgestorbene Art gilt als Beispiel der charismatischen Megafauna (Flaggschiffart) und hat im Zuge der Frage über ihr Aussterben sowohl im akademischen wie auch im Amateurbereich viel Aufmerksamkeit von Ornithologen erhalten. Ihre zwischenzeitliche Wiederentdeckung war von Umweltskeptikern genutzt worden, um die unter Ökologen vorherrschende Ansicht in Frage zu stellen, dass der Erde eine globale anthropogene Massenaussterben-Krise bevorsteht. Ron Rohrbaugh (Cornell Lab of Ornithology), der im April 2004 die Sichtung eines Elfenbeinspechts in Arkansas gemeldet hatte, warnte im Jahr 2010 davor, aus dem Fehlen neuerer erhärtender Belege für seine und andere zurückliegenden Sichtungen der Vogelart voreilig die Ausrottung des Elfenbeinspechts zu schlussfolgern und begründete dies mit den drohenden tiefgreifenden negativen Folgen eines möglichen Romeo-Irrtums. Andererseits wurde der Fall des Elfenbeinspechts, der nach seiner angeblichen Wiederentdeckung im Jahr 2004 trotz fünf Jahre andauernder intensiver Suche nicht mehr entdeckt wurde und für dessen Erhaltung ein hoher finanzieller Aufwand betrieben wurde, in der Wissenschaft aber auch als eindrückliches jüngeres Beispiel dafür genannt, dass aus dem Unterlassen der Aufführung einer ausgestorbenen Art in die Gefährdungskategorie „ausgestorben“ Kosten für den Naturschutz resultieren, insbesondere in Form eines vergeudeten Investierens von Ressourcen für Erhaltungsmaßnahmen in eine bereits ausgestorbene Art. Selbst wenn von diesen Erhaltungsmaßnahmen andere Arten profitieren sollten, könnten die Ressourcen in einem solchen Fall jedoch wohl effizienter eingesetzt werden. Für den Fall, dass die Art nach einiger Zeit doch als ausgestorben bestätigt wird, könnte es – ähnlich wie beim Lazarus-Effekt – zum Reputations- und Glaubwürdigkeitsverlust des Naturschutzes kommen.
- Großschnabelweber (Ploceus megarhynchus): Die Wiederentdeckung dieser Art geschah 1889 und stellt damit den ersten dokumentierten Fall einer Wiederentdeckung dar. Die Art wird seit 2021 als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2021).
- Chapmans Zwergamazone (Hapalopsittaca fuertesi): Die Art war seit 1911 nur von der Typserie sicher bekannt. Nach möglichen Sichtungen zwischen 1980 und 2000 erfolgte die erste bestätigte Sichtung und somit Wiederentdeckung 2002. Die Art ist seit 1994 als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2021).
- Gelbscheitelpipra (Lepidothrix vilasboasi): Die Art wurde seit 1957 nur von fünf am Typenfundort gesammelten Exemplaren bekannt, bis 2002 ein Männchen beobachtet und per Japannetz an einem 200 Kilometer entfernten Standort gefangen werden konnte. Seit 2021 als Least Concern („nicht gefährdet“), zuvor ab 1994 als Vulnerable („gefährdet“) und davor (1988) als „Threatened“ eingestuft (IUCN, 2021).
- Bermuda-Sturmvogel (Pterodroma cahow): Die Art wurde 1620 zuletzt beobachtet, bis sie 1906 erneut gesichtet wurde. Es dauerte jedoch bis 1951, bis das Brutgebiet entdeckt und damit die Wiederentdeckung gesichert war. Man fand damals 18 Brutpaare auf einer suboptimal geeigneten Felseninsel mit einer Gesamtfläche von einem Hektar in der Bucht Castle Harbour. Durch intensives Schutzmanagement wuchs die Population seitdem stetig an. Die Art wird immer noch als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2018). Im Jahre 2022 gab es 155 Brutpaare, die 77 Jungvögel aufzogen, was eine Gesamtbestand von etwa 550 Vögeln entspricht.
- Neuseeländische Sturmschwalbe (Oceanites maorianus): Da nach der Sammlung von drei Exemplaren im 19. Jahrhundert keine weiteren Nachweise verzeichnet wurden, galt die Art als seit 1850 ausgestorben und wurde auch von der IUCN seit 1988 bis einschließlich 2000 offiziell als ausgestorben eingeordnet. Seit 2000 wurde sie jedoch wieder verzeichnet und seitdem als „vom Aussterben bedroht“ eingeordnet (IUCN, 2018). – Der Fall gilt als besonders bemerkenswerter Forschungsgegenstand, da die Art möglicherweise dadurch überleben konnte, dass sie andere Nistgewohnheiten angenommen hat, als noch für das 19. Jahrhundert für die Art bekannt waren.
Die über 150 Jahre lang nicht mehr nachgewiesene Neuseeländische Sturmschwalbe ist, wie der über 100 Jahre verschwundene Magentasturmvogel (Pterodroma magentae), der ebenfalls über 100 Jahre verschwundene Macgillivray-Sturmvogel (Pseudobulweria macgillivrayi), der seit 1929 verschollene und möglicherweise 2006 wiederentdeckte Salomonensturmvogel (Pseudobulweria becki) und – besonders spektakulär – der fast 300 Jahre lang verschollene Bermuda-Sturmvogel, zudem ein Beispiel dafür, dass eine Anzahl auf Inseln brütender Meeresvögel vor ihrer Wiederentdeckung auffällig lange nicht mehr nachgewiesen worden waren. Da die Brutplätze auf Inseln von vielen Meeresvogelarten nachts aufgesucht werden und die dafür genutzten Nischen und Höhlen – auch bei sich tagsüber dort aufhaltenden Arten – leicht übersehen werden, bleiben ihre Brutplätze häufig unentdeckt, was auch für manche häufige Arten mit Populationsstärken von bis zu Zehntausenden Tieren gilt.
- Langbein-Buschsänger (Megalurulus rufus): Diese Singvogel-Art war historisch von vier, in den 1890er Jahren gesammelten Exemplaren bekannt und wurde lange Zeit für ausgestorben gehalten. Nach einer unbestätigten Meldung der Art im Jahr 1973 gelang die erste bestätigte Wiederentdeckung im Jahr 2003 im Wabu Forest Reserve (Fidschi), wo zwölf Pärchen entdeckt wurden. Die Art wird als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2020).
- Südinseltakahe (Porphyrio hochstetteri): Die ehemals als eine Art (Porphyrio mantelli) zusammengefassten Takahan galten um 1930 als ausgestorben, nachdem die letzten vier bekannten Exemplare 1898 entnommen worden sein sollen. 1948 wurden diese größten und flugunfähigen Rallen jedoch auf der Südinsel in der Nähe vom Lake Te Anau wiedergefunden. Als Hauptfeinde der Bestände in der Wildbahn werden vom Menschen nach Neuseeland eingeführte Arten wie der das Grasland abweidende Rothirsch und das nesträubernde Hermelin genannt. Bei der „Wiederentdeckung“ der Art 1948 war das Vorkommen der Südinseltakahe auf die Murchison Mountains (Fiordland-Nationalpark) begrenzt. In den 1980er Jahren wurde ein Aufzuchtprogramm begonnen und einige Exemplare konnten auf raubtierfreien „Festlandinseln“ freigelassen werden. Der Bestand umfasst über 200 Exemplare. Die Art wird als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2020). Im Gegensatz dazu wurde die auf der Nordinsel endemische Nordinseltakahe (P. mantelli) durch anthropogen verursachten Lebensraumverlust ausgerottet und wird von der IUCN seit dem Jahr 2000 als „ausgestorben“ aufgeführt (IUCN, 2016). Von ihr exiert nur ein einziger historischer Nachweis, der aus dem Jahr 1894 stammt.
- Madagaskar-Schlangenhabicht (Eutriorchis astur): Zwischen 1930 und 1993 konnte die Art nicht sicher nachgewiesen werden. Sie wird als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2016).
- Banggai-Krähe (Corvus unicolor): Die Art war lange nur von zwei Museumsexemplaren unklarer Herkunft von den Banggai-Inseln bekannt. Ihr Überleben konnte aber nach einer unbestätigten Sichtung auf Peleng (1991) durch Suche auf dieser Insel in den Jahren 2004, 2006 und 2007 auf bestätigt und die Art somit wiederentdeckt werden. Seit 2005 wird die Art als „vom Aussterben bedroht“ eingeordnet (IUCN, 2017).
- Flores-Zwergohreule (Otus alfredi): Die auf Flores endemische Art wurde nach ihrer ersten Sammlung im Jahr 1896 nicht mehr gesehen, bis im Jahr 1994 Exemplare gefangen wurden. Seit 2000 wird die Art als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2016).
- Vierfarben-Mistelfresser (Dicaeum quadricolor): Die Art gehört zu mehreren vorzeitig für ausgestorben erklärten Taxa auf der Insel Cebu und wurde seit 1906 für ausgestorben erachtet, dann aber 1992 – also nachdem sie seit 86 Jahre nicht nachgewiesen worden war und seit mindestens 40 Jahren als ausgestorben galt – in einem sehr kleinen Restwaldfragment wiederentdeckt. – Es handelt sich beim Vierfarben-Mistelfresser zudem um den ersten Fall, für den das Phänomen des „Romeo-Irrtums“ beschrieben und verwendet wurde, da die heute vom IUCN als „vom Aussterben bedroht“ (IUCN, 2021) eingestufte Art nach Einschätzung der Wissenschaftler einen weitaus besseren Erhaltungszustand zeigen könnte, wenn die Schutzanstrengungen zwischenzeitlich nicht infolge der irrtümlichen Einordnung als „ausgestorben“ aufgegeben worden wären.
- Cebuschama (Copsychus cebuensis): Rabor führte die Art 1959 als die einzige von zehn endemischen Vogel-Taxa auf der Insel Cebu auf, die noch vorgefunden wurde. Nach Rabors Veröffentlichung wurde die endemische Avifauna der Insel 1960 von der Ornithologie weitestgehend regelrecht aufgegeben. In den 1970er Jahren wurde der Cebuschama aufgrund der Annahme, dass seine letzte Sichtung 1956 geschehen sei, offiziell als ausgestorben aufgeführt. 1995 führte die Rote Liste die Art dagegen wieder als existent und „gefährdet“ auf.
- Príncipe-Drossel (Turdus xanthorhynchus): Die auf Príncipe (São Tomé und Príncipe) endemische Art wurde seit den 1920er Jahren nicht mehr verzeichnet, bis sie 1997 wiederentdeckt wurde. Seit 2011 wird die Art als „vom Aussterben bedroht“ eingeordnet (IUCN, 2021).
- Bräunling (Motacilla bocagii): Die auf São Tomé endemische Art war nur aus sechs vor 1928 erfolgten Nachweisen bekannt, bis sie 1990 wiederentdeckt wurde. Die Art wird als „gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2018).
Neben dem Bräunling galten auch verschiedene andere endemische Vogelarten Sao Tomes, darunter der Einfarbgimpel, der Zwergolivenibis und der Newton-Würger, jahrzehntelang als verschollen.
- Antioquia-Buschammer (Atlapetes blancae): Die Art war nur von drei 1971 gesammelten Museumsexemplaren bekannt, bis sie 2018 in den kolumbianischen Anden wiederentdeckt wurde. Seit 2009 wird sie als „vom Aussterben bedroht“ eingeordnet (IUCN, 2021).
- Godavarirennvogel (Rhinoptilus bitorquatus): Die lokal endemische Art war historisch nur aus wenigen Aufzeichnungen bekannt und galt als ausgestorben, bis sie 1986 wiederentdeckt wurde. Seit 2000 wird sie als „vom Aussterben bedroht“ eingeordnet (IUCN, 2017). Es existiert nur eine kleine, abnehmende Population, von der es aber seit 2009 keine bestätigten Sichtungen mehr gibt.
- Schwarzbrauen-Mausdrossling (Malacocincla perspicillata): Für eine Einstufung in eine Gefährdungskategorie gab die IUCN 2016 und 2020 „ungenügende Datengrundlage“ an, denn die Art war bis dahin nur vom Typusexemplar unklaren Ursprungs bekannt. 2020 wurde die Art nach 170 Jahren auf Borneo wiederentdeckt, gefangen und fotografiert.
Säugetiere
Ähnlich wie bei den Vögeln liegt auch für die Säugetiere eine ganze Anzahl von Beispielen für bereits tot gehaltene und dann doch wiederentdeckte Taxa vor, sowohl im Rang von Arten, als auch im Rang von Unterarten oder auf Ebene von Populationen.
- Java-Nashorn (Rhinoceros sondaicus): die ursprünglich vom früheren Ostbengalen (heute Bangladesch) im Westen bis nach Südwestchina, Indochina, Sumatra und Java im Osten verbreitete Art ist auch in ihrem heutigen Hauptverbreitungsareal (die dicht menschlich besiedelte Insel Java, bekanntester Zufluchtsort des Nashorns ist das Ujung-Kulon-Reservat) sehr selten (heute rund 50 Individuen) und galt in ihrem einstigen Festlandsareal, wo sie als taxonomisch umstrittene Unterart R. s. inermis geführt worden war, rund 40 Jahre lang als vollständig ausgerottet, bis sie Ende des 20. Jahrhunderts mit großer sensationeller Wirkung im Süden Vietnams in Form eines sehr kleinen Bestands wiederentdeckt wurde (heute rund 10 bis 15 Individuen). – Dieser Fall gilt als Beispiel dafür, dass auch äußerst aufsehenerregende Großsäuger vom Lazarus-Effekt betroffen sein können.
- Sumatra-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis): Die Art war bis ins frühe 20. Jahrhunderts im größten Teil Südostasiens weitverbreitet, bis zu den 1970er Jahren jedoch durch Bejagung auf der Malaiischen Halbinsel, auf Sumatra und auf Borneo mit Ausnahme kleiner Gebiete ausgerottet worden. Weltweit überlebten nach Schätzungen, die auf Daten aus den Jahren 2005 bis 2009 beruhen, noch rund 200 bis 300 Individuen der gesamten Art, nach neueren Schätzungen aus den Jahren 2013 und 2016 noch rund 100. Es handelt sich bei diesen Tieren zugleich um die letzten lebenden Vertreter der 25 Millionen Jahren zurückreichenden eurasischen zweihörnigen Nashörner, zu denen im Quartär auch das Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) gehörte, und die die wohl ursprünglichste und bei weitem älteste noch existierenden Gruppe aus der im Eozän entstandenen Familie der Nashörner darstellen. Innerhalb der Nashörner kann nur das Sumatranashorn als altertümlichste rezente Art der Familie als „lebendes Fossil“ angesehen werden. Die im indonesischen Teil Borneos beheimatete Teilpopulation der Art galt bereits seit 1986 als ausgestorben, als 2013 Belege für das Überleben von Tieren dieser Population bekannt wurden und weltweit auf große mediale Resonanz stießen. 2013 erfolgte dann laut dem WWF die erste bestätigte Sichtung eines Exemplars in diesem Gebiet seit der vorangegangenen 40 Jahre. – Am Beispiel dieses Falls wurde diskutiert, dass das Vorgehen des Artenschutzmanagements im Falle einer Wiederentdeckung sorgfältig erwogen werden muss. Es wurde argumentiert, dass die Population im indonesischen Teil Borneos möglicherweise gerade aufgrund des Mangels an Aufmerksamkeit überleben konnte, der aus der jahrzehntelangen Einschätzung als ausgestorben resultierte. Es wurde vermutet, dass durch die Bekanntmachung der Wiederentdeckung in einem solchen Fall die Aufmerksamkeit der Wilderei für die betroffene Population und damit der Bejagungsdruck erhöht wird, so dass das tatsächliche Aussterben der Population ausgelöst werden könne, wenn nicht sofortige Erhaltungsmaßnahmen dagegen ergriffen würden.
- Zwergwildschwein (Porcula salvania, Syn.: Sus salvania): Diese Art galt seit den 1950er Jahren als durch Lebensraumzerstörung ausgestorben. 1971 kam es zur Wiederentdeckung, als ein Bekannter Gerald Durrells für dessen Jersey Zoo in Indien vier auf einem Markt zum Verkauf angebotene Zwergwildschweine aus dem Manas-Nationalpark in Assam ausfindig machte. Später erfolgten weitere Entdeckungen von Beständen im Barnardi Wildlife Sanctuary. Der Gesamtrestbestand der Art betrug zu jener Zeit rund 150 Individuen. Anfängliche Züchtungsversuche blieben erfolglos. Durrells Engagement führte zu Maßnahmen, die Individuen der Wildbestände aufzufinden, einzufangen und in menschlicher Obhut zu züchten, um die Bestände der Art durch das Zucht- und Auswilderungsprogramm zu sichern. 1995 wurde das Pygmy Hog Research and Breeding Centre bei Guwahati gegründet, das zu erfolgreicher Nachzucht führte, die jedoch auf die sehr begrenzte Anzahl von 2 männlichen und 4 weiblichen Gründertieren aus dem Manas National Park zurückgeht. 2005 kam der Balipara Reserve Forest in Potasali nahe dem Nameri National Park als zusätzliche Zuchtstation zur dezentralisierteren Anlage des Arterhaltungsbestandes dazu und es kam in der Folge zu erfolgreichen Auswilderungen von Nachzuchten in verschiedene Reservate. Beim als „stark gefährdet“ (IUCN, 2019) eingestuften Zwergwildschwein handelte oder handelt es sich um die weltweit seltenste Schweineart, dem von seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet südlich des Himalajas von Uttar Pradesh im Westen bis Assam und Sikkim im Osten nur noch Reste in Schutzgebieten in Assam geblieben sind. – Dieser Fall kann als Beispiel dafür genannt werden, dass die Wissenschaft informelle Datenquellen zum Vorkommen ausgestorben geglaubter Arten sorgfältig prüfen und berücksichtigen muss, um gegebenenfalls möglichst schnell Erhaltungsmaßnahmen einleiten zu können, da der Artenschutz sonst im Falle von unerwarteten Wiederentdeckungen unvorbereitet sein kann.
- Juan-Fernández-Seebär (Arctocephalus philippii): Diese Art ist als „nicht gefährdet“ (IUCN, 2015) eingestuft. Sie galt aber um 1900 und bis Mitte des 20. Jahrhunderts als ausgestorben, bis sie 1965 durch Sichtung kleiner Gruppen von Individuen auf den Inseln Alejandro Selkirk und Robinson Crusoe wiederentdeckt wurde.
- Guadalupe-Seebär (Arctocephalus townsendi): Diese Art ist als „nicht gefährdet“ (IUCN, 2015) eingestuft. Sie war aber Ende des 19. Jahrhunderts durch Bejagung fast ausgerottet und bis 1926 nicht mehr nachgewiesen worden. Daraufhin wurden alle noch aufgefundenen Tiere zur Pelzgewinnung getötet, das letzte im Jahr 1928, und die Art wurde zum zweiten Mal für ausgestorben erklärt. Nach vereinzelten, unbestätigten Meldungen in den 1930er Jahren wurde die Art 1954 durch eine Expedition nach Guadalupe wieder sicher nachgewiesen und von der Regierung Mexikos unter strengen Schutz gestellt.
- Hörnchenbeutler (Gymnobelideus leadbeateri): Die 1867 beschriebene Art galt seit Beginn des 20. Jahrhunderts als ausgestorben, wurde 1961 wiederentdeckt und später in Australien aufgrund des im 20. Jahrhundert erfolgten und für die Zukunft erwarteten Lebensraumverlustes als gefährdet eingestuft. – Da es als wahrscheinlich gilt, dass die inzwischen zum Erhalt der Art erfolgten Änderungen in der Waldbewirtschaftung früher erfolgt wären, wenn die Art nicht verfrüht als ausgestorben eingestuft worden wäre, handelt es sich bei diesem Fall um ein Beispiel für den Romeo-Irrtum. Gegenwärtig wird die Art als „vom Aussterben bedroht“ geführt (IUCN, 2016).
- Bayerische Kurzohrmaus (Microtus bavaricus): Die Art lebt endemisch in den nordöstlichen Alpen und war zunächst nur von einem Standort im Landkreis Garmisch-Partenkirchen bekannt, wo sie zuletzt 1962 nachgewiesen wurde. 1976/1977 wurde ein zweiter Bestand in Nordtirol entdeckt, aber erst im Jahr 2000 molekularbiologisch der Art zugeordnet und 2004 bestätigt. Von 1986 bis 2002 wurde die Art von der IUCN als ausgestorben geführt, seit 2008 als „vom Aussterben bedroht“ (IUCN, 2019).
- Parmawallaby (Macropus parma): Nachdem 1932 die letzten bekannten Exemplare dieser in Australien endemischen Art in New South Wales entnommen waren, schien die Art dort aufgrund von anthropogener Lebensraumzerstörung verschwunden zu sein. Tatsächlich waren Parmawallabys jedoch bereits 1870 zusammen mit mehreren anderen Wallabys-Arten vom Menschen auf der vor Neuseeland liegenden Insel Kawau eingeführt worden, wo sich ein recht dichter Bestand der Art entwickelte. Aufgrund von Verwechslung mit den anderen dort vorkommenden Wallaby-Arten blieb dieser Bestand auf Kawau jedoch von der Wissenschaft unerkannt bis zum Jahr 1965. Nach Bekanntwerden seiner Zugehörigkeit zum Parmawallaby wurde er 1969 unter Schutz gestellt und es wurden intensive Maßnahmen ergriffen, um Exemplare einzufangen und mit ihnen an anderen Orten Zuchtkolonien zu gründen. 1967 wurde die Art dann auch in New South Wales wiederentdeckt, wo sie an einem langen Küstenstreifen überlebt hatte. Die Art wird als „potenziell gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2019).
- Dinagat-Borkenratte (Crateromys australis): Diese auf den Philippinen endemische Art wurde anhand eines zwischen 1974 und 1975 gesammelten Exemplars beschrieben und 2012 wiederentdeckt.
- Presbytis hosei canicrus: Diese Unterart des Hose-Langurs wird zu den 25 am stärksten gefährdeten Primatentaxa gezählt. 2004 gab es erste Befürchtungen seitens Wissenschaftlern, dass die Unterart ausgestorben sein könnte. Bei 2011 durchgeführten und 2012 veröffentlichten Freilanduntersuchungen konnte dann das Überleben der Unterart auf Borneo sicher nachgewiesen werden. Die Art in ihrer Gesamtheit wird als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2021).
- Rotschopf-Baumratte (Santamartamys rufodorsalis): Diese Art aus der Familie der Stachelratten war seit 1898 nur von ihrem Holotyp und einem anderen, vor 1919 gesammelten Exemplar unbekannten Sammlungdatums bekannt, die beide in der Sierra Nevada de Santa Marta gefunden worden waren. 2011 konnte die Art dann erstmals bei einer Begegnung mit einem lebenden Exemplar in der Wildbahn (einem Jungtier im kolumbianischen El Dorado Nature Reserve) beobachtet und fotografiert werden, womit die Art erstmals seit 113 Jahren wieder bestätigt nachgewiesen worden war. Die Art wird als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2017).
- Neuguinea-Langohr (Pharotis imogene): Diese auf Papua-Neuguinea heimische Fledermausart aus der Familie der Glattnasen wurde seit ihrer ersten Entdeckung im Jahr 1890 nicht mehr nachgewiesen, bis ihr Überleben im Jahr 2012 nachgewiesen wurde, indem ein einzelnes Exemplar gesammelt wurde. Die Art wird als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2021).
- Machu-Picchu-Inkaratte (Cuscomys oblativa): Diese Art aus der Familie der Chinchillaratten wurde 1912 von Hiram Bingham in Machu Picchu (Peru) entdeckt, 1916 auf Grundlage von zwei in einer Inka-Grabstätte entdeckten und auf ein Alter von 400 Jahren geschätzten Schädeln beschrieben, war nur von diesem Material bekannt und wurde 2008 von der IUCN als „ausgestorben“ aufgeführt. 2009 soll sie von einem Park-Ranger in der Nähe der archäologischen Fundstätte wiederentdeckt worden sein. Erst Jahre später gelang es schließlich Biologen um Horacio Zeballos (Museum Arequipa), die 2012 mit der Feldforschung begannen, die Art in der Nähe der ebenfalls am Inka-Pfad gelegenen archäologischen Fundstätte Wiñay Wayna aufzuspüren und zu identifizieren. 2014 wurde drei Kilometer von Machu Picchu entfernt ein lebendes Exemplar fotografiert. 2016 gab die IUCN für eine Einstufung in eine Gefährdungskategorie „ungenügende Datengrundlage“ an (IUCN, 2016). – Der Fall wurde von Loxdale und anderen (2016) als Säugetier-Beispiel für die Kategorie Unknown Knowns genannt. Bei dieser Kategorie handelt es sich um eine Erweiterung (vierte Kategorie) der ursprünglich dreiteiligen Matrix von Wissensstand und Datenlage (Einteilung in Known Knowns, Known Unknowns und Unknown Unknowns), die Donald Rumsfeld in einer politisch-militärischen Stellungnahme im Jahr 2002 vorgestellt hat, mit der er sich verdeckt auf den Mangel an Beweisen für den Versuch bezogen hat, die irakische Regierung mit der Lieferung von Massenvernichtungswaffen an terroristische Gruppen in Verbindung zu bringen. Loxdale und andere (2016) sahen diese Matrix als nützliche Einteilung für die biologischen und ökologischen Wissenschaften und für den Naturschutz an und wiesen der Kategorie Unknown Knowns die für Biologie und Ökologie wohl relevanteste Stellung zu. Wie in der Kategorie Unknown Unknowns liegt in dieser vierten Kategorie ein schwache Datengrundlage vor. Doch unterscheidet sich die Kategorie Unknown Knowns von der Kategorie Unknown Unknowns darin, dass die Art nicht schlichtweg unentdeckt und unbekannt ist, sondern unbewiesene Hypothesen vorliegen, die sich auf Daten ähnlicher Systeme oder Arten gründen, der Wissensstand also trotz geringer Datenlage fortgeschrittener ist. Medienberichte stellten die Art im Jahr 2014 zudem mit Berufung auf eine Pressemitteilung des Teams um Zeballos als typisches Beispiel für den Lazarus-Effekt (im Sinne einer vermeintlich ausgestorbenen und dann unerwartet lebend wiederentdeckten Art) vor.
- Vietnam-Kantschil (Tragulus versicolor): Die auf Basis von vier, bei Nha Trang (Vietnam) gefundenen Exemplaren erstbeschriebene Art aus der Familie der Hirschferkel wurde zweimal wiederentdeckt: 1990 wurde das erste Mal seit der Erstbeschreibung ein überprüfter Nachweis durch ein von Jägern getötetes Exemplar erbracht. 2019 erfolgte nach fast 30 Jahren der nächste Nachweis durch Kamerafallen. Für eine Einstufung in eine Gefährdungskategorie gibt die IUCN seit 2008 „ungenügende Datengrundlage“ an (IUCN, 2015).
- Wondiwoi-Baumkänguru (Dendrolagus mayri): Die Art war bisher nur von einem einzigen, 1928 auf der Wandammenhalbinsel (Westneuguinea/Indonesien) gesammelten, adulten Männchen bekannt. Sie wurde 2016 als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2016), weil ihr Bestand, falls ein solcher noch existieren sollte, nur weniger als 50 Tiere umfassen kann. Es gab Befürchtungen, die Art könne bereits ausgestorben sein. 2018 meldeten Medien, es sei ein Exemplar fotografiert und das Foto von einem Experten als dem Wondiwoi-Baumkänguru zugehörig bestätigt worden.
- Zypern-Stachelmaus (Acomys nesiotes): Für eine Einstufung dieser auf Zypern endemischen Art in eine Gefährdungskategorie gibt die IUCN seit 2008 „ungenügende Datengrundlage“ an (IUCN, 2019). 2007 wurden vier Exemplare bei Levkosia entdeckt. Ab 1980 galt die Art zuvor als verschollen.
- Flachkopf-Mausohr (Myotis planiceps): Diese in Mexiko vorkommende Fledermausart aus der Familie Glattnasen wurde 1996 von der IUCN als ausgestorben eingestuft, 2004 aber an drei Standorten wiederentdeckt. Sie wird als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2016).
- Kubanischer Schlitzrüssler (Solenodon cubanus, Syn.: Atopolage cubana): Diese für Ostkuba endemische Art wird von Einheimischen als Fleischlieferant gejagt. Insbesondere wird sie – wie der nur noch inselartig auf Hispaniola (Dominikanische Republik) lebende Dominikanische Schlitzrüssler als zweite rezente Art der Familie Schlitzrüssler – durch anthropogen auf dem karibischen Archipel eingeschleppte Tiere (wie verwilderte Hunde, Hauskatzen, Bisamratten und Mungos) im Bestand bedroht. Zwischen 1890 und 1974 sollen keine Exemplare der 1861 erstentdeckten Art gefunden worden sein. Um 1970 wurde die Art von Einigen für ausgestorben erachtet, wurde später aber im schwer zugänglichen Gebirgszug Sierra Maestra wiederentdeckt. 2012 und 2013 wurden sieben Exemplare im Gebiet des El-Toldo-Plateaus im Alexander-von-Humboldt-Nationalpark gefangen. Die Art wird seit 1982 als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2018). – Der Kubanische Schlitzrüssler ist eine evolutionär uralte Species, zugleich aber einer der seltensten Inselendemiten unter den Insektenfressern, einer besonders ursprünglichen Säugetierordnung, aus der sich viele andere Säugetierordnungen (so auch die Primaten) entwickelt haben. Inselbewohnende Vertreter der Insektenfresser, die nie in hoher Abdundanz vorkamen, gehören allgemein zu den am stärksten bedrohten Insektenfresser-Taxa.
Reptilien
- La-Palma-Rieseneidechse (Gallotia auaritae): Die La-Palma-Rieseneidechse, ein Endemit auf La Palma, war bereits seit Jahrhunderten nicht mehr auf der Inselgruppe gesichtet worden und wurde daher für seit dieser Zeit ausgestorben erachtet, als sie schließlich doch 2007 fotografiert werden konnte. – Die Art ist ein Beispiel für das im Vergleich zu anderen landbewohnenden Taxa oftmals eher verbogene und schwer nachzuweisende Vorkommen von Lazarus-Arten unter den Reptilien und Amphibien. Da ihre Bestände sehr geringe Individuenzahlen aufweisen, wurde sie jedoch nach ihrer Wiederentdeckung als „vom Aussterben bedroht (möglicherweise ausgestorben)“ eingestuft (IUCN, 2009).
- El-Hierro-Rieseneidechse (Gallotia simonyi): Nachdem die Art zuerst auf der Insel El Hierro und um 1950 auch in ihrem kleinen Refugialraum, auf dem El Hierro im Westen vorgelagerten Salmor-Felsen (Roque Chico de Salmor), nicht mehr nachgewiesen wurde, wurde sie 1971 und 1976 für ausgestorben erklärt, wurde dann aber zeitnah in privatem Betreiben durch den Fund eines Kadavers aus Skelettresten und Hautfetzen wiederentdeckt und dann durch einen Lebendfang eines Pärchens auf El Hierro bestätigt. Der Lebendfang wurde zwar konfisziert, war aber fotografisch belegt, und die Art fand Aufnahme in die Naturschutzgesetzgebung Spaniens. Außer auf El Hierro existieren von dieser Art auch auf La Gomera, Teneriffa und La Palma subfossile und teilweise auch historische Knochenbelege. Für subfossile Skelettreste von La Gomera wurde 1985 die Unterart G. simonyi gomerana aufgestellt. Die Art wird seit 1996 als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2009).
- Yunnan-Scharnierschildkröte (Cuora yunnanensis): diese Art galt seit mehr als 100 Jahren als ausgestorben, als sie 2004 lebend auf einem Markt in Kunming für die Wissenschaft unter großer medialer Resonanz wiederentdeckt. Seit dem Jahr 1946 konnten trotz anderthalb Jahrzehnte langer Nachsuche lediglich 3 Individuen (sämtlich seit 2004 gefunden) der Art bestätigt werden (Stand: 1007). Es wird daher davon ausgegangen, dass nur extrem wenig Individuen überlebt haben können und alle verbliebenen Populationen äußerst klein und örtlich begrenzt sind. Aufgrund der sehr hohen Preisgebote von Sammlern im illegalen Heimtierhandel sowie im Konsumhandel sind möglicherweise überlebende Tiere in besonderem Maße vom Sammlern bedroht. Die Art ist daher als „vom Aussterben bedroht“ (IUCN, 2010) eingestuft. Die Validität der drei entdeckten Tiere 2007 wurde durch DNA-Analyse bestätigt.
- Jamaika-Leguan (Cyclura collei): die über einen Meter lange Wirtelschwanzleguanart ist endemisch auf der Insel Jamaika und kam einst an der südöstlichen Küste Jamaikas verbreitet in ihrem Habitat vor. Ihre Bestände gingen seit Ende des 19. Jahrhunderts deutlich zurück. Sie wurden durch verschiedene Neozoen dezimiert, bei denen es sich um anthropogen eingeführte Fressfeinde aus der Säugetierordnung der Raubtiere wie Mangusten, Hauskatzen und Haushund handelt, aber auch um eigelegeplündernde Ratten. Seit Mitte der 1940er Jahre galten auch die letzten bekannten Jamaika-Leguan-Bestände (auf der Großen Ziegeninsel befindlich, einer kleinen Nebeninsel Jamaikas) als ausgestorben. In den 1970er Jahren konnte jedoch ein lebendes Exemplar in den Hellshire Hills auf der Hauptinsel, an der Südküste Jamaikas, bestätigt werden und 1990 eine Restpopulation von weniger als 50, hauptsächlich älteren adulten Individuen, entdeckt werden, nachdem der Hund eines örtlichen Jägers ein lebendes Exemplar der Art in einer Gegend bei Kingston erbeutet hatte, wo seit 1940 keine Leguane mehr gesichtet worden waren. 1994 konnten die ersten Exemplare der Art in US-amerikanische Zoos überführt und bis 1997 von Experten über 100 Tiere nachgezüchtet werden, die teilweise in einem speziellen Schutzgebiet ausgesetzt wurden. Die Art bleibt dennoch seit 1996 als „vom Aussterben bedroht“ (IUCN, 2021) eingestuft. – Dieser Fall eines von Neozoen bis an den Rand des Aussterbens dezimierten Inselendemiten gilt als ein Paradebeispiel für ein erfolgreich durchgeführtes Erhaltungszuchtprogramm. 2021 gab die IUCN den Bestand wieder mit dank intensiver Schutzbemühungen auf 500 bis 600 geschätzte adulte Individuen angewachsen an.
- Contomastix vittata (Departamento Chuquisaca, Cochabamba, Santa Cruz, Potosí (Bolivien); wurde vor über einem Jahrhundert zuletzt gesichtet, bis es in den frühen 2010er-Jahren wenige Exemplare in Gegenden wiederentdeckt wurde, die auf eine abnehmende Population schließen lassen)
- Fernandina-Riesenschildkröte (Chelonoidis phantasticus). Nach dem Fund des einzelnen männlichen Exemplars im Jahr 1905, das als Holotyp für die Erstbeschreibung im Jahr 1907 diente, erfolgte zunächst kein Fund mehr auf der schwer zugänglichen Galapagosinsel Fernandina und die Art wurde als „vom Aussterben bedroht (möglicherweise ausgestorben)“ eingestuft (IUCN, 2017). Offenbar litten ihre Bestände unter den häufigen vulkanischen Lavaströmen auf der Insel, bei der es sich um einen aktiven Schildvulkan handelt. Nach Anzeichen für die Existenz von Schildkröten auf der Insel im Jahr 1965 (wie Kot- und Fraßspuren) sowie nach späteren Indizien konnte das Überleben der Art, deren Vertreter wie für Galapagos-Riesenschildkröten üblich eine individuelle Lebenserwartung von mindestens 100 Jahren besitzen, nicht ausgeschlossen werden. Im Februar 2019 soll dann ein einzelnes Weibchen der Art auf Fernandina aufgefunden und die Art somit wiederentdeckt worden sein.
- Pinocchioechse (Anolis proboscis): Die Art galt 50 Jahre lang als ausgestorben, bis sie 2005 wiederentdeckt wurde. Sie wird als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2019).
Amphibien
Froschlurche
- Adenomus kandianus (Zentralprovinz (Sri Lanka)); im Jahr 1872 konnten zwei Exemplare gefunden werden, danach keine mehr, bis im Juni 2012 bekannt wurde, dass drei Jahre vorher, im Oktober 2009, die Art in der Zentralprovinz von Sri Lanka nach über 130 Jahren wiederentdeckt wurde
- Amolops chakrataensis (Uttarakhand (Indien); nur ein Exemplar war bekannt, das im Jahr 1985 gesammelt wurde; 25 Jahre später konnte die Art wiederentdeckt werden)
- Atelopus balios (Provinz Azuay, Cañar, Guayas (Ecuador); wurde zwischen April 1995 und Oktober 2010 nicht mehr gesichtet; im Oktober 2010 fand man ein Exemplar, im März 2011 fünf Männchen und im Juni 2012 ein weiteres Männchen)
- Atelopus arsyecue (Sierra Nevada de Santa Marta, Kolumbien), 2019 konnten 30 Exemplare gefunden werden, nachdem diese Art 28 Jahre für ausgestorben gehalten wurde.
- Atelopus coynei (Provinz Pichincha, Imbabura, Carchi (Ecuador); wurde im September 1984 zuletzt gesichtet und galt als ausgestorben, bis die Art am 7. Februar 2012 fotografiert werden konnte)
- Atelopus ignescens (Provinz Imbabura, Chimborazo, Bolívar (Ecuador); wurde seit 1988 nicht mehr gesehen und für ausgestorben erklärt; 2016 konnten doch wieder 27 Exemplare entdeckt werden)
- Cardioglossa cyaneospila (Burundi, Demokratische Republik Kongo, Ruanda; die Art wurde zuletzt im Jahr 1949 in Burundi gesammelt und danach bis 2009 nicht mehr gefunden, als ein Foto auftauchte; im Jahr 2012 konnte dann ein einzelnes Exemplar im Bururi Forest Nature Reserve (Bururi (Burundi)) gesammelt werden)
- Craugastor escoces (auf den Vulkanen Barva, Irazú und Turrialba (Provinz Alajuela, Costa Rica); wurde zuletzt um das Jahr 1986 gesichtet und im Jahr 2004 für ausgestorben erklärt; umfangreiche Suchaktionen blieben erfolglos, bis ein Weibchen am 19. September 2016 wiederentdeckt wurde)
- Eleutherodactylus amadeus (Massif de la Hotte (Haiti); zuletzt im Jahr 1991 gesichtet, bis Anfang 2011 bekannt gegeben wurde, dass die Art wiederentdeckt wurde; jetzt im sehr begrenzten Verbreitungsgebiet sehr häufig)
- Eleutherodactylus corona (Massif de la Hotte (Haiti); weniger als 10 Exemplare waren bekannt; die letzte Sichtung war im Jahr 1991, bis Anfang 2011 bekannt gegeben wurde, dass die Art wiederentdeckt wurde)
- Eleutherodactylus dolomedes (Massif de la Hotte (Haiti); nur wenige Exemplare waren bekannt; die letzte Sichtung war vor 1992, bis Anfang 2011 bekannt gegeben wurde, dass die Art wiederentdeckt wurde)
- Eleutherodactylus glandulifer (Massif de la Hotte (Haiti); im Jahr 1991 war die Art nur mäßig verbreitet, danach nicht mehr gesichtet, bis Anfang 2011 bekannt gegeben wurde, dass die Art wiederentdeckt wurde)
- Eleutherodactylus parapelates (Massif de la Hotte (Haiti); wurde im Jahr 1984 oder 1996 zuletzt gesichtet, bis Anfang 2011 bekannt gegeben wurde, dass die Art wiederentdeckt wurde)
- Eleutherodactylus thorectes (Massif de la Hotte (Haiti); einer der kleinsten Frösche der Welt; wurde im Jahr 1991 zuletzt gesichtet, bis Anfang 2011 bekannt gegeben wurde, dass die Art wiederentdeckt wurde)
- Frankixalus jerdonii, Syn.: Polypedates jerdonii, Philautus jerdonii (Darjeeling (Westbengalen, Indien); wurde nur einmal im 1872 gesammelt, auch die IUCN-Liste gibt keine weiteren Informationen darüber; allerdings wurde die Art 137 Jahre später, also 2009, wiederentdeckt)
- Incilius holdridgei (Provinz Alajuela (Costa Rica); konnte zwischen 1987 und 2009 nicht gesichtet werden, galt seit 2004 als ausgestorben; es wird von weniger als 50 lebenden Exemplaren ausgegangen)
- Indosylvirana aurantiaca, Syn.: Rana bhagmandlensis, Rana aurantiaca, Hylarana aurantiaca (südliche Westghats (Indien), Sri Lanka; laut wurden nur zwei Exemplare von Hylarana bhagmandlensis = Rana bhagmandlensis im Jahr 1921 gesammelt; laut IUCN an gewissen Orten in den südwestlichen Ghats und in Sri Lanka reichlich vorhanden)
- Indosylvirana temporalis, Syn.: Rana flavescens, Rana temporalis, Rana intermedius, Hylarana temporalis, Hylorana temporalis (Westghats (Indien), Sri Lanka; laut wurde nur ein Exemplar von Hylarana intermedius = Rana intermedius im Jahr 1937 in Karnataka gesammelt; laut IUCN an gewissen Orten reichlich vorhanden)
- Israelischer Scheibenzüngler (Latonia nigriventer, Syn.: Discoglossus nigriventer; alternative Trivialnamen auch: Palästinensischer Scheibenzüngler, Hulesee-Scheibenzüngler, Schwarzbäuchiger Scheibenzüngler): Diese für die in Israel gelegene Chulaebene endemische Art aus der Familie der Alytidae galt seit den 1950er Jahren als durch Lebensraumzerstörung ausgestorben, bis sie Anfang 2011 in der Chulaebene wiederentdeckt wurde. Allerdings wird die Art als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2021). – Die Art ist ein Beispiel für das im Vergleich zu anderen landbewohnenden Taxa oftmals eher verbogene und schwer nachzuweisende Vorkommen von Lazarus-Arten unter den Reptilien und Amphibien.
- Megophrys parva, Syn.: Xenophrys monticola (Sikkim (Indien); von Xenophrys monticola wurden im Jahr 1860 die einzigen zwei Exemplare gesammelt und auch zuletzt gesichtet, die Art wird aber mittlerweile der Art Megophrys parva zugeordnet (welche in ganz Südostasien vorkommt), allerdings ist diese Zuordnung noch fraglich)
- Micrixalus elegans (Westghats (Indien); der Holotyp wurde 1937 gefunden, ist aber verloren gegangen; danach bis 2010 nicht wieder gesichtet, dürfte mittlerweile wieder recht häufig sein)
- Micrixalus narainensis, Syn.: Philautus narainensis (Karnataka (Indien); der Holotyp wurde 1937 gefunden, ist mittlerweile aber wieder verloren gegangen; danach nie wieder gesichtet; im Jahr 2014 stellte man fest, dass diese Art und die ebenfalls vom Aussterben bedrohte Art Micrixalus kottigeharensis ident sind)
- Micrixalus swamianus, Syn.: Philautus narainensis (Westghats (Indien); auch hier wurde nur ein einziges Exemplar im Jahr 1937 gefunden, der Holotyp, der aber mittlerweile ebenfalls wieder verloren gegangen ist; danach nie wieder gesichtet; im Jahr 2014 stellte man fest, dass diese Art und die ebenfalls vom Aussterben bedrohte Art Micrixalus kottigeharensis ident sind)
- Micrixalus thampii (Silent-Valley-Nationalpark (Westghats, indien); nur zwei Exemplare waren bekannt, zuletzt wurde die Art im Jahr 1981 gesichtet, 30 Jahre später wiederentdeckt worden)
- Nymphargus anomalus (Provinz Napo (Ecuador); laut zwischen ihrer Entdeckung im Jahr 1971 und ihrer Wiederentdeckung im Jahr 2009 im Nationalpark Llanganates unauffindbar)
- Pseudophilautus hypomelas, Syn.: Philautus hypomelas (Sri Lanka; wurde 1876 erstbeschrieben, danach keine Sichtung mehr bis zum Jahr 2010, als sie im zentralen Hochland von Sri Lanka nach über 130 Jahren wiederentdeckt wurde)
- Pseudophilautus stellatus, Syn.: Philautus stellatus (Nuwara Eliya (Sri Lanka); der mittlerweile verlorene Holotyp wurde 1853 gesammelt, danach nie wieder gesichtet bis zum Jahr 2013, als diese Art nach 160 Jahren wiederentdeckt wurde)
- Uperodon anamalaiensis, Syn.: Ramanella anamalaiensis (Tamil Nadu (Indien); nur der mittlerweile verloren gegangene Holotyp war bekannt, der 1937 gesammelt wurde; im Jahr 2010 wurde die Art aber wiedergefunden im Parambikulam Tiger Reserve (Kerala))
Schwanzlurche
- Ambystoma leorae (México (Bundesstaat) (Mexiko); dieser Breitkopfsalamander wurde im Jahr 1983 zuletzt beobachtet; seit 2017 gibt es aber wieder vermehrt Sichtungen)
- Bolitoglossa jacksoni (Departamento Huehuetenango, Guatemala; dieser Salamander aus der Familie der Lungenlosen Salamander (Plethodontidae) wurde zwischen 1975 und 2017 nicht mehr gesichtet, galt schon als ausgestorben, bis er nach 42 Jahren in der Sierra de los Cuchumatanes wiederentdeckt wurde)
Rundmäuler
- Eine nur in Oregon heimische Neunaugen-Art (Entosphenus minimus, Syn.: Lampetra minima), (Miller Lake, Oregon, USA), wurde seit 1958 für ausgestorben gehalten, jedoch in den späten 1990er Jahren wiederentdeckt.
Fische
- Owens Wüstenkärpfling (Cyprinodon radiosus): die Art wurde 1961 von verschiedenen Wissenschaftlern als ausgestorben betrachtet, 1964 jedoch an einer abgelegenen Stelle von Fish Slough (Kalifornien) wiederentdeckt. 2013 wurde die Art von der IUCN als „stark gefährdet“ aufgeführt.
- C. nevadensis shoshone: für diese Unterart des Nevada-Wüstenkärpflings hatten zahlreiche Untersuchungen keine Population mehr auffinden können, sie wurde jedoch 1986 wiederentdeckt. Der Bestand war allerdings zwischenzeitlich so stark reduziert worden, dass die überlebenden Individuen Nachfahren einer Population sind, die einen genetischen Flaschenhals durchlebt hat. Diese Unterart ist somit ein Beispiel von gefährdeten Taxa, bei denen zwar eine Restpopulation überlebt hat, die aber bereits einen Großteil ihrer ursprünglichen genetischen Variation eingebüßt hat.
Beide genannten Wüstenkärpfling-Taxa sind Beispiele für zwischenzeitlich für ausgestorben gehaltene Fisch-Taxa, die jahrelang in prekär geringer Individuenanzahl überlebt haben, dann aber zur Überraschung der Wissenschaft entweder durch Fund an abgelegenen Stellen ihres Lebensraums oder durch Erfassung nach Bestandserholung wieder vorgefunden wurden. Die mit rund 40 Arten vertretene Gattung der Wüstenkärpflinge (oder: Wüstenfische) (Cyprinodon) weist durch eine enge evolutive Verbindung zu den erdgeschichtlichen Entwicklungsphasen biologisch ungewöhnlich bemerkenswerte Adaptionen auf und enthält Reliktarten, deren Populationen in isolierten Teilarealen verbreitet und stark gefährdet sind.
- Pondicherryhai (Carcharhinus hemiodon) (Küsten Indiens und Oman bis in die Inselgebiete Südostasiens um Vietnam, Indonesien und Neuguinea; im Jahr 1979 gelang das letzte Mal ein wissenschaftlicher Nachweis, bis im Januar 2016 ein Exemplar bei Sri Lanka wiederentdeckt wurde)
- Notropis amecae (Río Ameca (Jalisco, Mexiko); galt seit 1969 als ausgestorben, eine kleine Population wurde aber im Jahr 2001 wiederentdeckt; sie werden gezüchtet und seit 2015 wiederangesiedelt)
- Pseudogobiopsis tigrellus, Syn.: Gobius tigrellus (Mamberamo (Westneuguinea, Indonesien); diese Zwerggrundel wurde zwischen 1939 und 2000 nicht gesichtet)
- Ptychochromoides itasy (Tsiribihina (Madagaskar); zwischen den späten 1970er-Jahren und 2010 nicht gesichtet)
- Mangarahara-Buntbarsch (Ptychochromis insolitus): Das Vorkommen in der Natur dieser Art aus der Familie der Buntbarsche wurde im Jahr 2013 wiederentdeckt. Die Wiederentdeckung war nur durch ein gezieltes Programm mit internationaler Beteiligung und Freilandarbeit möglich und ist ein Beispiel für die zahlreichen Fälle, in denen die Wiederentdeckung der Lazarus-Arten einen erheblichen Suchaufwand erfordert. Die Art wird als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2016).
- Rheocles pellegrini (westlich der Stadt Andapa (Madagaskar); zwischen den 1930er-Jahren und den 2000er-Jahren nicht gesichtet)
- Tiefseesaibling, Bodensee-Tiefensaibling (Salvelinus profundus) (Bodensee (Österreich, Deutschland, Schweiz); wurde im Jahr 2008 für ausgestorben erklärt, weil er in den 1970er-Jahren zuletzt gesichtet wurde; zwischen 2010 und 2015 wurde die Art wiederentdeckt)
- Siphateles bicolor isolata, Syn.: Gila bicolor isolata (Independence Valley fault system (Elko County, Nevada, USA); diese Unterart von Siphateles bicolor war im Jahr 1965 noch häufig, verschwand aber innerhalb eines Jahrzehnts; im Jahr 2000 wurde die Art wiederentdeckt, ist aber noch immer bedroht)
- Stygichthys typhlops, brasilianischer Blindsalmler, lange nur vom Holotypus aus dem Jahre 1962 bekannt, 2004 wiederentdeckt.
- Ukliva-Strömer (Telestes ukliva) (im Abfluss des Cetina (Kroatien); wurde zwischen 1988 und 1997 für ausgestorben gehalten)
Insekten
- Xylotoles costatus: Diese Bockkäfer-Art wurde 1996 für ausgestorben erklärt und von der IUCN auch bereits seit 1986 als „ausgestorben“ aufgeführt. Die Art wurde seitdem jedoch seitdem auf South East Island, einer Insel des zu Neuseeland gehörenden Archipel der Chatham Islands, wiederentdeckt. Es existiert allerdings lediglich eine einzelne Population auf einer Fläche von rund 200 Hektar mit geschätzt weniger als 200 adulten Individuen und die Art wurde als „stark gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2004). Auf der zum gleichen Archipel gehörenden Insel Pitt Island ist die Art vermutlich bereits ausgerottet worden.
- Baumhummer (Dryococelus australis): Diese Gespenstschrecken-Art von der Lord-Howe-Insel in Australien galt nach der Einschleppung von Ratten seit etwa 1920 oder 1930 als ausgestorben und wurde auch von der IUCN (seit 1986) offiziell als ausgestorben gelistet. 2001 wurde sie dann jedoch auf der nahe gelegenen Felsinsel Ball’s Pyramid wiederentdeckt. Allerdings wurde die Art nach ihrer Wiederentdeckung seit 2002 als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2017), da ihr verbliebener Lebensraum auf Ball’s Pyramid auf weniger als einen Quadratkilometer beschränkt (bei einem beobachteten Bestand von höchstens 35 Individuen) und zufällige, auf ihn einwirkende Ereignisse zu einem Aussterben der Art führen können. – Der Fall ist ein Beispiel dafür, dass die Wissenschaft bewerten muss, wie aussichtsreich die Wiederansiedlung einer Art ist, oder ob deren Aussterben als unabwendbar hinzunehmen ist.
- Linsenfliege (Thyreophora cynophila): Die Fliegen-Art aus der Familie Piophilidae wurde als seit den 1840er Jahren ausgestorben betrachtet und 2007 als einzige Dipteren-Art auf einer Liste rezenter europäischer Arten, die weltweit als ausgestorben gelten, aufgeführt. Sie wurde vermutlich durch im Jahr 2007 durchgeführte Fallenfänge in nahe von Madrid gelegenen Wäldern wiederentdeckt. – Die Wiederentdeckung der Linsenfliege warf Bedenken hinsichtlich der künftigen Erhaltung ihrer Bestände auf. Anhand dieses Falles wurde exemplarisch auf die Problematik hingewiesen, dass zu den Hauptbedrohungen von wiederentdeckten Insektenarten der wahllose Fang durch Insektensammler zählt und daher Schutzmaßnahmen wie Beschränkungen oder Verbote ihres Fangs Vorrang haben sollten.
- Megachile pluto: Diese Bienen-Art nistet offenbar nur in bewohnten Nestern der baumbewohnenden Termite Microcerotermes amboinensi. Die Art besitzt von allen lebenden Bienenarten die größte Körpergröße und weist eine längere Nachweisgeschichte von „Wiederentdeckungen“ auf. Nachdem sie 1981 zufällig nachgewiesen wurde, gab es keine sicheren, der Wissenschaft bekannten Sichtungen mehr und daher Befürchtungen, dass die Art ausgestorben sei, bis eine Expedition im Januar 2019 die Art auf den nördlichen Molukken nachweisen konnte. Die Art wird als „gefährdet“ eingestuft (IUCN, 2014).
- Pharohylaeus lactiferus, die australische Bienenart galt fast 100 Jahre lang als verschollen.
Weichtiere
- Aldabra-Schnecke (Rhachistia aldabrae): Diese landlebende Landlungenschnecken-Art aus der Familie Cerastidae lebt nur auf dem Aldabra-Atoll (Seychellen). Nachdem von ihr in den 1980er Jahren noch vereinzelt frische Schneckengehäuse gefunden sowie ein einzelnes im Jahr 1997, wurden trotz intensiver Suche zunächst keine Spuren ihres fortgesetzten Überlebens mehr entdeckt und sie galt als ausgestorben, bis sie 2014 wiederentdeckt wurde. Die Art wird als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft (IUCN, 2018).
- Leptoxis compacta: Süßwasserbewohnende Schnecken-Art aus der Familie Pleuroceridae mit Verbreitungsgebiet in Alabama (USA). Von der IUCN wird die Art – mit Hinweis auf Aktualisierungsbedarf – als „ausgestorben“ geführt (IUCN, 2000). Die Art wurde Untersuchungen von Museumssammlungen zufolge wohl 1933 zum letzten Mal gesammelt. Im Jahr 2000 wurde sie formell für ausgestorben erklärt, 2011 aber im Cahaba River wiederentdeckt.
Nesseltiere
- Crambione cookii: Diese endemisch an den Küsten von Queensland lebende Schirmquallen-Art aus der Ordnung der Wurzelmundquallen, Unterordnung Daktyliophorae, Familie Catostylidae, wurde seit ihrer Erstbeschreibung im Jahr 1910 nicht mehr neu nachgewiesen, bis die wissenschaftliche Untersuchung einer Fotografie von im Sommer 1999 bis 2000 an die Küste – in der Nähe von Mooloolaba (Sunshine Coast) – angespültem Material sowie die Auswertung von Zeugenaussagen ergab, dass es sich dabei vermutlich um diese Art gehandelt hat.
Beispiele für Pflanzen
- Nubische Wüstenpalme
- Quallenbaum
- Anogramma ascensionis
- Urweltmammutbaum
- Wollemie
- Bulbostylis neglecta (Sauergrasart von St. Helena, galt zwischen 1806 und 2008 als ausgestorben)
- Euphrasia arguta, (Augentrostart aus dem australischen Bundesstaat New South Wales, keine Funde zwischen 1904 und 2008)
- Asplenium dielmannii, (Streifenfarnart von der Hawaii-Insel Kauaʻi, keine Funde zwischen 1900 und 2002).
- Deparia kaalaana, (Frauenfarnart von der Hawaii-Insel Maui, keine Funde zwischen 1909 und 2013).
- Haloragodendron lucassii: die zur Familie der Tausendblattgewächse gehörende Art wurde nach 1926 nicht mehr nachgewiesen und daher in die Liste ausgestorbener Arten aufgenommen, dann aber 1986 in einem Vorort Sydneys wiederentdeckt. – Der Fall gilt als ein Beispiel dafür, dass sich die Aufführung in der Liste ausgestorbener Arten (Gefährdungskategorie: EX) in einigen Fällen positiv in Form gesteigerter Suchbemühungen auswirkt, denn die Art wurde wiederentdeckt, weil ein Amateur-Botaniker durch Erscheinen eines Buchs über ausgestorbene und gefährdete Pflanzen, in dem sich detailliertere Angaben zur Art befanden, zur Suche nach der Art angeregt worden war.
Siehe auch
Weblinks
- Daniel Lingenhöhl: Biodiversität - Manchmal kommen sie wieder. Spektrum.de, 22. Oktober 2010, abgerufen am 15. November 2018.