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Moschus
Moschus (deutsch seit dem 17. Jahrhundert; wie lateinisch muscus von griechisch μόσχος moschos und dies laut Walde und Hofmann über altpersisch musk von altindisch muskah, ‚Hoden‘), in älteren Texten auch als (eine Art von) Bisam bezeichnet, ist das getrocknete, pulverförmige und stark riechende Sekret aus dem haarigen Moschusbeutel (Präputialdrüse zwischen Nabel und Penis) vom männlichen Moschustier.
Zur Sekretgewinnung musste man bis Ende der 1950er-Jahre noch die Moschushirsche töten; heute werden in China Moschusfarmen betrieben, in denen durch Ausschaben der Drüse jährlich etwa 10 Gramm Sekret pro Moschushirsch gewonnen werden. Allerdings ist hier die Qualität viel schlechter und die Menge deutlich geringer. Zudem werden die Hirsche traumatisiert und können dann auch sterben. Die rötlich-braune, salbige Masse (der Moschus) wird nach dem Trocknen bröcklig und dunkelbraun. Die bis etwa 50 Gramm schweren Beutel enthalten bei wilden Tieren etwa zur Hälfte den Moschus. Heute werden industriell hergestellte Ersatzstoffe bei Herstellung von Parfümen und Seifen verwendet. Moschus enthält Bestandteile, die Strukturähnlichkeiten mit Pheromonen haben und aphrodisierend wirken sollen.
Inhaltsverzeichnis
Moschusduft
Als Bestandteil von Parfüms soll der Duft von Moschus eine „animalische“ und eine „strahlend-süße“ Duftnote vereinen. Das „animalische Element“ vermittle beim Menschen Wärme und damit Empfindungen der Geborgenheit sowie des sexuellen Reizes. Der Duftstoff soll dabei sparsam und unterhalb der Grenze bewusster Wahrnehmung eingesetzt werden. Moschusnoten werden nicht nur als Duftstoffe eingesetzt, sondern finden sich vereinzelt auch als Aromen in Lebensmitteln. So werden z. B. in Australien Süßigkeiten mit Moschusgeschmack vertrieben.
Natürlicher Moschus
Der deutsche Chemiker Heinrich Walbaum (1864–1946) konnte im Jahre 1906 die Hauptkomponente von Moschus in Form weißer Kristalle isolieren. Er nannte die Verbindung Muscon, die Struktur wurde 1926 von Lavoslav Ružicka geklärt.
Natürliches Muscon wird aus Moschus gewonnen, der schon seit Jahrhunderten als Parfum dient. Es ist eine ölige Flüssigkeit, die in der Natur als Enantiomer (R)-(−)-3-Methylcyclopentadecanon vorgefunden wird. Ursprünglich wurde nur das Sekret aus einer Drüse am Bauch der Moschustiere vor den Geschlechtsorganen „Moschus“ genannt. Bereits im Altertum war Moschus über die Vermittlung durch die Perser bekannt; Moschushirsche lebten an den Ostgrenzen ihres Reiches.
Der Begriff „Moschus“ wird auch auf Drüsensekrete anderer Tiere und auf Pflanzensäfte, die einen ähnlichen Geruch haben, angewandt. Unter den Tieren sondern Moschusochsen, Moschusböcke, Bisamratten, Desmane und Moschusenten solchen „falschen Moschus“ ab; bei den Pflanzen sind dies beispielsweise der Abelmoschus, Olearia argophylla (australisches Bisamholz), die Duftende Bisamblume, die Gauklerblume, die Moschus-Malve, die Rosa moschata (gefüllte Sorten), das Moschuskraut oder die Muskatnuss.Hypoestes moschata aus Australien sondert einen starken Moschusduft ab, sowie auch Trichilia moschata.
Geschichte
Die europäischen Medizinschriftsteller der Antike, so auch Dioskurides, Plinius und Galen, erwähnten den Moschus nicht. Erst die arabischen Ärzte berichteten über diese als äußerst kostbar angesehene Droge, die von einem in „Indien“, also im Himalaya, lebenden gazellenähnlichen Tier stamme, das „zwei weiße lange Zähne wie zwei Hörner“ habe. Im 4. Jahrhundert gelangte dann der mittelpersische Name muschk als muscus auch ins Abendland (so bei Hieronymus und später im Circa instans). Gemäß Zekert wurden besondere Zuckerzeltchen (Trochisci Aliptae moschatae) mit Moschus hergestellt. Nach der Säftelehre wurde der Moschus als „warm und trocken im zweiten Grad“ eingestuft. Man schrieb ihm bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu, allgemein kräftigend und belebend sowie nervenstärkend und krampflösend zu wirken.
Quellen (Auswahl)
- Arabisches Mittelalter Avicenna, 10.–11. Jh. − − − Konstantin der Afrikaner, 11. Jh. − − − Circa instans, 12. Jh. − − − Pseudo-Serapion, 13. Jh. − − − Abu Muhammad ibn al-Baitar, 13. Jh.
- Lateinisches Mittelalter Konrad von Megenberg, 14. Jh. − − − Gart der Gesundheit, Mainz 1485 − − − Hortus sanitatis, Mainz 1491 − − − Hieronymus Brunschwig, Straßburg 1512
- 17.–18. Jahrhundert − − − Nicolas Lémery, 1699 − − − Johann Baptista du Halde, 1749 − − − William Cullen, 1781
- 19.–20. Jahrhundert − − − Philipp Lorenz Geiger 1839 − − − Theodor Husemann, 1883 − − − Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, 1920
Anwendung im Sport
Die orale Anwendung von Moschus gehört zur chinesischen Volksmedizin, erhöht den Testosteronspiegel und gilt daher als Doping. Das fanden Forscher des Kölner Anti-Doping-Labors eher zufällig heraus, die bei erhöhten Testosteronwerten die Personen nach der Quelle befragten und dann mit Hilfe des Kölner Zoos Original-Moschus testeten und die Aussagen überprüften.
Künstliche Moschus-Ersatzstoffe und künstlicher Moschus
Künstliche Ersatzstoffe
Die künstlichen Ersatzstoffe haben einen dem Moschus ähnlichen Duft. Sie gehören aber zu anderen Stoffklassen, d. h. diese Stoffe haben eine andere Molekülstruktur und kommen in der Regel nicht natürlich vor.
Nitroaromaten
Dem Chemiker Albert Baur gelang 1888 als erstem die Herstellung eines Moschusduft-Ersatzstoffes. Die erste von ihm synthetisierte und vertriebene Substanz, das „Musc Baur“, auch „Tonquinol“ genannt, war Ausgangspunkt einer ganzen Klasse von Moschusersatzstoffen, die zu den Nitroaromaten zählen. Albert Baur brachte noch drei weitere Nitroaromaten, auch als „nitro musks“ bezeichnet, auf den Markt: Das noch heute verwendete Moschus-Keton, das seit 2014 verbotene Moschusxylol und das Moschus-Ambrette. Diese künstlichen Ersatzstoffe sind allerdings nicht ganz unbedenklich. Die Nitroaromaten Moschus-Ambrette, Moschus-Mosken und Moschus-Tibeten wurden daher 1995 bzw. 2000 in EU-Verordnungen verboten.
Polycyclische Ersatzstoffe und ihre Umweltverträglichkeit
Industriell werden für Kosmetika und die Parfümierung von Waschmitteln statt des natürlichen Moschus und statt der Nitroaromaten heute vor allem polycyclische Moschusersatzstoffe eingesetzt. Es handelt sich dabei meist um Gemische aus Substanzen mit den Handelsnamen Galaxolid (HHCB) und Tonalid, seltener auch Celestolid und Pantolid.
Polycyclische Moschusersatzstoffe (vgl. Cashmeran) sind kaum wasserlöslich und haben eine geringe Polarität. Durch diese lipophilen Eigenschaften reichern sie sich im Fettgewebe an (Bioakkumulation). Ihre Verwendung in Kosmetikprodukten ist daher umstritten. Aufgrund ihrer schweren Abbaubarkeit werden sie durch die Abwasseraufbereitungsprozesse in kommunalen Kläranlagen nur teilweise aus den Abwässern entfernt. Daher sind Galaxolid und Tonalid, untergeordnet auch Celestolid und Pantolid, in Wasser, Sedimenten und Schwebstoffen aller deutschen Flüsse nachweisbar.
Künstliches Muscon und künstlicher Moschus
Heutzutage wird Muscon, der Hauptduftstoff des Moschus, und dem Moschus entsprechende Mischungen aus Gründen des Umwelt- und des Artenschutzes auch synthetisch hergestellt. Ähnlich den naturidentischen Aromen bei Lebensmitteln können durch möglichst naturidentische Duftstoffmischungen Nachteile naturfremder Stoffe (wie der Nitroaromaten) vermieden werden. Der Begehrtheit des tierischen Originalmoschus tut dies allerdings wenig Abbruch, vor allem, da er auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin Bedeutung hat und dort kein synthetischer Ersatzstoff eingesetzt wird. Synthetisch hergestelltes Muscon ist ein Racemat, besteht also aus einem 1:1-Gemisch von (R)-(−)-3-Methylcyclopentadecanon und (S)-(+)-3-Methylcyclopentadecanon.
Zusammensetzung
Die Zusammensetzung von Moschus ist variabel. Dabei wird häufig Muscon als Hauptduftstoff angegeben.
Als wichtige Bestandteile wurden Muscon, Heptadecanal, Prasteron-3-sulfat, Cholesta-3,5-dien, Cholest-2-en, Lanosteryltosylat, 4-Methyl-3α-cholest-4-en-3-ol, Cholesterinpentafluorpropionat, Cholestan-3-on, Cholest-4-en-3-on, Pentadecanal, Docosylpentafluorpropionat und Octadecyltrifluoracetat nachgewiesen.
Diese Analyse variiert jedoch. So ergab die qualitative und quantitative Analyse der Zusammensetzung der wichtigsten Lipidbestandteile des Präputialdrüsensekrets des sibirischen Moschustiers (Moschus moschiferus) mit Hilfe der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie, dass Sekretionslipide hauptsächlich aus freien Fettsäuren und Phenolen (10 %), Wachsen (38 %) und Steroiden (38 %) bestehen. Cholestanol, Cholesterin, Androsteron, Δ(4)-3α-Hydroxy-17-ketoandrosten, 5β, 3α-Hydroxy-17-ketoandrostan, 5α,3β,17α-Dihydroxyandrostan, 5β,3α,17β-Dihydroxyandrostan und 5β,3α,17α-Dihydroxyandrostan wurden nachgewiesen. 3-Methylpentadecanon (Muscon) wurde unter den Sekretionslipiden nicht identifiziert.
Untersuchungen des Moschus von in Gefangenschaft lebenden, begatteten und nicht begatteten, geschlechtsreifen männlichen Chinesischen Moschustieren mit Gaschromatographie und Massenspektrometrie (GC/MS) ergab die folgende Zusammensetzung.
Name | Summenformel | CAS-Nr. | Diethylether-Extrakt (%) | Ethylalkohol-Extrakt (%) | ||
---|---|---|---|---|---|---|
begattet | unbegattet | begattet | unbegattet | |||
1,1-Diethoxyethan (Acetal) | C6H14O2 | 105-57-7 | 22,8 | 19,6 | – | – |
m-Kresol | C7H8O | 108-39-4 | 1,1 | 0,7 | 1,8 | 1,4 |
6-Methylheptan-1,6-diol | C8H18O2 | 5392-57-4 | 0,9 | 0,4 | 1,8 | 0,8 |
1,2,6-Hexantriol | C6H14O3 | 106-69-4 | – | – | 0,3 | 1,4 |
Phenylessigsäure | C8H8O2 | 103-82-2 | 1,6 | 1,0 | 3,5 | 3,9 |
2,6,10,15-Tetramethylheptadecan | C21H44 | 54833-48-6 | 0,5 | 0,5 | – | – |
8-n-Hexylpentadecan | C21H44 | 13475-75-7 | 0,9 | 0,5 | – | – |
3-Methylcyclopentadecanon (Muscon) | C16H30O | 541-91-3 | 18,6 | 22,6 | 26,2 | 35,8 |
Normuscon | C15H28O | 502-72-7 | 0,4 | 0,7 | 0,6 | 1,0 |
(Z)-14-Methyl-8-hexadecenal | C17H32O | 60609-53-2 | 1,8 | 1,7 | 4,1 | 2,8 |
Olealdehyd | C18H34O | 2423-10-1 | 0,4 | 0,3 | 1,5 | 0,9 |
12-Methyl-E,E-2,13-octadecadien-1-ol | C19H36O | – | 0,4 | 0,7 | 0,1 | 0,1 |
13-Tetradecenal | C14H26O | 85896-31-7 | 0,3 | 0,4 | 1,1 | 0,9 |
Doconexent | C22H32O2 | 6217-54-5 | 0,4 | 0,2 | 3,1 | 2,2 |
Prasteron-3-sulfat | C19H28O5S | 651-48-9 | 0,9 | 0,4 | 12,1 | 9,0 |
Resibufogenin | C24H32O4 | 465-39-4 | – | 0,6 | – | – |
3α-Hydroxy-5β-androstan-17-on (Etiocholanolon) | C19H30O2 | 53-42-9 | – | – | 11,1 | – |
5α-Androstan-3α,17β-diol | C19H32O2 | 1852-53-5 | 3,4 | – | 3,2 | 0,8 |
Androsterontrifluoracetat | C21H29F3O3 | – | 1,0 | 0,9 | 2,1 | 1,3 |
Dihydroandrosteron | C19H32O2 | – | – | – | 2,3 | 0,7 |
3-Ethyl-3-hydroxy-5α-androstan-17-on | C21H34O2 | 57344-99-7 | 21,6 | 13,0 | – | 5,3 |
2-tert-Butyl-4,6-bis(3,5-di-tert-butyl-4-hydroxybenzyl)phenol | C40H58O3 | 134868-71-6 | – | 1,1 | 1,4 | – |
Cholesterol | C27H46O | 57-88-5 | 11,4 | 12,4 | 8,7 | 9,4 |
Cholestan-3-ol | C27H48O | 27409-41-2 | 3,1 | 8,1 | 2,4 | 5,6 |
Cholest-7-en-3β-ol | C27H46O | 6036-58-4 | 0,6 | 1,5 | 0,5 | 1,0 |
4α-Methyl-5α-cholest-8(14)-en-3β-ol | C28H48O | 62014-96-4 | – | 0,7 | – | 0,4 |
Literatur und Medien
- Lukas Schröck: Historia moschi. Ad normam academiæ naturæ curiosorum conscripta. Göbel, Augsburg 1682.
- E. Th. Guericke: De moscho. Erfurt 1776.
- Tilman Achtnich: Der Geruch des Todes. Moschus – vom teuersten Duft der Welt. Südwestrundfunk, 2001 (Filmdokumentation).
- D. J. Rowe: Chemistry and technology of flavors and fragrances. Blackwell, Oxford u. a. 2005, S. 143–165 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).