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Rhönrad
Das Rhönrad ist ein Sportgerät, das aus zwei Reifen besteht, die durch sechs Sprossen – zwei einfache Stangen (Spreizsprossen), zwei Griffsprossen und zwei Brettsprossen – miteinander verbunden sind. Der Durchmesser des Rades variiert je nach Größe des Turners, sodass der Turner fast gestreckt auf den Brettern stehen kann und sich an den Griffen hält. An den Brettern können Leder- oder Stoffschlaufen, sogenannte Bindungen, befestigt werden, in denen sich der Turner mit den Füßen festklemmen kann. Es gibt Räder von 130 bis 245 cm Durchmesser. Die Räder wiegen zwischen 40 und 60 kg. Es gibt sie in verschiedener Dicke und in verschiedenen Farben.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Otto Feick, der Sohn eines Schmiedes, war als Kind in zwei verbundenen Wagen-Reifen in Reichenbach (Pfalz) vor der Schmiede des Großvaters den Berg heruntergerollt. Während seiner Haft 1921 im Militärgefängnis im französisch besetzten Mainz erinnerte er sich an die Experimente in seiner Kindheit und entwickelte das gedankliche Grundkonzept für das Sportgerät. Aus der Haft entlassen, baute er es in Ludwigshafen am Rhein. Auch ein erstes Foto wurde auf dem Gelände des von ihm 1919 mitbegründeten Volksgesundheit e. V. (nun VSK Germania Niederfeld 1919 e. V.) gemacht, welches später bei der Patentanmeldung benutzt wurde. Erste Rollversuche fanden auf den Wiesen an der kleinen Blies in Ludwigshafen-Gartenstadt statt.
1923 wurde Feick mit vielen anderen Eisenbahnern von den französischen Besatzern aus der Pfalz ausgewiesen und zog in die Heimat seiner Frau nach Schönau an der Brend in der bayerischen Rhön, wo er eine Metallverarbeitungswerkstatt eröffnete. Von dort aus meldete er 1925 das ‚Reifen-, Turn- und Sportgerät‘ zum Patent an, welches ihm unter der Nummer 442057 am 8. November 1925 ausgestellt wurde. Den Namen ‚Rhönrad‘ ließ er erst 1926 schützen. Anfang 1926 führte er das Rhönrad in der Deutschen Hochschule für Leibesübungen im Sportforum Berlin vor. Er präsentierte es auch auf einer Erfinder- und Neuheitenmesse 1926 im Ebertpark in Ludwigshafen.
In Würzburg stellte er mit Sportlern der Eisenbahner Turn- und Sportverbände eine Mustertruppe zusammen, mit der er das Rad präsentierte. 1927 wurde Feick nach England eingeladen, um das Rhönrad auf den größten Bühnen Londons und vor englischen Fliegern vorzuführen. 1928 stellte er es in Frankreich vor, bereiste anschließend Europa, und 1929 trat er seine erste Reise in die Vereinigten Staaten an. Er trat auch mit Schulen in Verbindung, von denen einige das Rhönrad in den Sportunterricht integrierten. Zu diesen Zeiten werden auch die ersten Wettkämpfe ausgetragen, wobei vor allem Wettfahren, Wettspringen sowie Hindernisrennen auf dem Programm standen, daneben aber auch schon Pflicht- und Kürübungen in der Spirale und im Geradeturnen.
In Österreich wurde es nach vereinzelten Zeitungsmeldungen seit 1926 am 7. Oktober 1928 beim Fußball-Länderspiel Österreich-Ungarn groß vorgestellt. Vor dem Spiel und in den Pausen gab es Rhönrad-Vorführungen, und es war das erste Fußballspiel Österreichs, welches live im Radio übertragen wurde. Zu dieser Zeit war es in England schon bekannter und wurde dort wie in Berlin auch in Varietés gezeigt.
Im amerikanischen Film Dynamit aus dem Jahre 1929 (Deutschlandpremiere: Herbst 1930, Österreich: Frühjahr 1931) wird ein von Frauen bestrittenes Rhönrad-Rennen gezeigt, bei dem die Hauptfigur gewinnt. Das erste internationale Rhönradturnier fand Anfang August 1930 in Bad Kissingen statt. Bei der Berliner Sommerschau Sonne, Luft und Haus im Juli 1932 fand das erste nationale Rhönradturnier Deutschlands statt.
Bei den Olympischen Spielen 1936 wurde dieser Sport von 120 Turnern vorgeführt, war jedoch nicht olympische Disziplin. In den letzten Kriegsjahren kam der Rhönradsport vollständig zum Erliegen, auch im Ausland stagnierte das Interesse, wozu auch die deutsche Herkunft beitrug.
Nach dem Krieg begann der Aufbau sehr langsam, wobei die ersten Anfänge wiederum in Berlin und Würzburg gemacht wurden. Beim Deutschen Turnfest 1958 in München wurde es als Wettbewerb präsentiert. Rhönradturnen wurde zuerst in die Landesturnverbände und 1959 in den Deutschen Turner-Bund aufgenommen. 1960 fanden die ersten deutschen Meisterschaften in Hannover statt und 1961 die ersten deutschen Vereins-Mannschaftsmeisterschaften. Otto Feick erlebte die volle Anerkennung nicht mehr, da er 1959 verstarb. Es wurde eine Kunststoffbeschichtung der Stahlreifen eingeführt. Dadurch konnte man auch in Hallen arbeiten, ohne die Böden zu beschädigen. Dies führte dazu, dass die Rollbewegung langsamer wurde und die Bodenunebenheiten wegfielen, wodurch man schwierigere Übungen ausführen konnte und die exakte Ausführung mehr Gewicht bei der Bewertung erhielt.
Durch die Gymnaestrada 1982 in Zürich sowie 1987 im dänischen Herning wurde die Basis für eine internationale Rhönradarbeit gelegt. Die Kontakte führten 1990 zur Austragung des ersten Europacup im Rhönradturnen in Taunusstein und einem 1991 in Cosenza/Italien. 1992 wurde die erste Europameisterschaft in Liestal in der Schweiz ausgetragen. Im Jahre 1995 wurden der Internationale Rhönradturn-Verband (IRV) gegründet und die 1. Rhönrad-Weltmeisterschaft in Den Helder (Niederlande) ausgetragen.
Der IRV organisiert alle zwei Jahre die Weltmeisterschaften sowie den World Team Cup.
Disziplinen
Es gibt drei Einzel-Disziplinen:
- Beim Geradeturnen rollt das Rad auf einer Fläche von 23 auf 3 Metern auf beiden Reifen und es werden Kürübungen vorgeturnt. Teilweise werden dabei Elemente aus dem Reck- oder Barrenturnen verwendet. Es gibt Übungen, die mit Hilfe beider, einer oder ohne Bindungen ausgeführt werden. Bei der Kür geht es in der Landesklasse von 10,80 Punkten aus, 4,80 Punkte davon entsprechen der Schwierigkeit, 1,00 Punkt dem Aufbau und 5,00 Punkte der Ausführung. In der Bundesklasse beträgt die Höchstschwierigkeit 6,60 Punkte, der Endwert kann also bei bis zu 12,60 Punkten liegen. Im Erwachsenenbereich der Bundesklasse wird das Geradeturnen zu Musik, ähnlich dem Eiskunstlaufen, ausgeführt. Dabei ist es wichtig, dass die Turnerinnen und Turner zur Musik passend ihre Elemente turnen und entsprechende Akzente setzen. In der Musikkür sind maximal 13,00 Punkte möglich.
- Beim Spiraleturnen bewegt sich das Rad auf einem der Reifen, es tellert wie bei einer Münze. In der großen Spirale hat das Rad einen Neigungswinkel von 60 Grad, in der kleinen Spirale weniger als 30 Grad. Der Turner versucht das Rad durch Gewichtsverlagerung und Armzug auf der jeweiligen Höhe zu halten und nach 3–5 Sekunden in der kleinen Spirale das Rad wieder in den Stand zu bringen.
- Der Sprung wird von den männlichen und seit 1999 auch von den weiblichen Turnern ausgeführt. Das Rad wird mit Schwung angeschoben. Der Turner läuft im Steigerungslauf hinter dem Rad her und lässt sich vom Schwung auf das Rad ziehen. Aus der Grätsch-, Hock- oder Standposition vollführt er dann einen Sprung auf eine Matte. Dies kann z. B. ein Strecksprung, Grätschsprung, Überschlag oder Salto sein.
Daneben gibt es für Paare die Disziplinen Partnerturnen, Synchronturnen und Partnerspirale. Diese Disziplinen sind jedoch nicht Teil des internationalen Wettkampfprogramms.
Bei den Wettkämpfen werden die Ausführung, der Schwierigkeitsgrad und das Vorhandensein von obligatorischen Elementen, dem sogenannten Aufbau, bewertet.
Seit einigen Jahren ist auch das Cyr Wheel im Wettkampfgeschehen verankert. 2013 wurden erstmals Weltmeisterschaften in dieser Disziplin ausgetragen.
Weltmeisterschaften
Die Weltmeisterschaften werden alle zwei Jahre vom Internationalen Rhönradturn-Verband ausgerichtet.
Jahr | Austragungsort | Land | |
---|---|---|---|
1995 | I | Den Helder | Niederlande Niederlande |
1997 | II | Antwerpen | Belgien Belgien |
1999 | III | Limburg an der Lahn | Deutschland Deutschland |
2001 | IV | Liestal | Schweiz Schweiz |
2003 | V | Lillehammer | Norwegen Norwegen |
2005 | VI |
Aachen Bütgenbach |
Deutschland Deutschland Belgien Belgien |
2007 | VII | Salzburg | Osterreich Österreich |
2009 | VIII | Baar | Schweiz Schweiz |
2011 | IX | Arnsberg | Deutschland Deutschland |
2013 | X | Chicago | Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten |
2015 | XI | Lignano Sabbiadoro | Italien Italien |
2016 * | XII | Cincinnati | Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten |
2018 | XIII | Magglingen | Schweiz Schweiz |
2020 ** | abgesagt | New York | Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten |
2022 | XIV | Sønderborg | Danemark Dänemark |
* 2015 entschied sich der IRV den Bewerb alle geraden Jahre auszutragen.
** Die WM 2020 sollte in New York stattfinden, wurde allerdings aufgrund der COVID-19-Pandemie erst auf 2021 verschoben und später komplett gestrichen.
Weltmeister
Männer
Jahr | Gerade | Spirale | Sprung | Zweikampf | Dreikampf | |
---|---|---|---|---|---|---|
1995 | I | Deutschland Wolfgang Bientzle | Deutschland Wolfgang Bientzle | — | — | — |
1997 | II | Jugoslawien Bundesrepublik 1992 Miroslav Zorbic | Deutschland Norbert Sinz | — | — | — |
1999 | III | Deutschland Wolfgang Bientzle | Deutschland Wolfgang Bientzle | Deutschland Wolfgang Bientzle | Deutschland Wolfgang Bientzle | Deutschland Wolfgang Bientzle |
2001 | IV | Deutschland Jan Schäfer | Deutschland Jan Schäfer | Deutschland Jan Schäfer | — | Deutschland Jan Schäfer |
2003 | V | Deutschland Julius Petri | Deutschland Julius Petri | Deutschland Jan Schäfer | — | Deutschland Julius Petri |
2005 | VI | Deutschland Achus Emeis | Deutschland Constantin Malchin | Deutschland Achus Emeis | — | Deutschland Achus Emeis |
2007 | VII | Deutschland Achus Emeis | Deutschland Constantin Malchin | Japan Motonobu Tamura | — | Deutschland Achus Emeis |
2009 | VIII | Deutschland Robert Maaser | Deutschland Robert Maaser | Deutschland Robert Maaser | — | Deutschland Robert Maaser |
2011 | IX | Niederlande Boy Looijen | Deutschland Christoph Clausen | Deutschland Robert Maaser | — | Deutschland Robert Maaser |
2013 | X | Japan Kazuya Ezuka | Japan Motonobu Tamura | Japan Yasuhiko Takahashi | — | Japan Yasuhiko Takahashi |
2015 | XI | Japan Yasuhiko Takahashi | Deutschland Max Brinkmann | Japan Yasuhiko Takahashi | — | Japan Yasuhiko Takahashi |
2016 | XII | — | ||||
2018 | XIII | Deutschland Carsten Heimer | Japan Yasuhiko Takahashi | Japan Yasuhiko Takahashi | — | Japan Yasuhiko Takahashi |
2022 | XIV | Schweiz Simon Rufener | Deutschland Malte Schröder | Japan Ryuichi Goto | — | Schweiz Simon Rufener |
Frauen
Jahr | Gerade | Spirale | Sprung | Zweikampf | Dreikampf | |
---|---|---|---|---|---|---|
1995 | I | Deutschland Maike Klatte | Deutschland Maike Klatte | — | — | — |
1997 | II | Deutschland Claudia Geyer | Deutschland Janin Oer | — | — | — |
1999 | III | Deutschland Katja Homeyer | Deutschland Maike Klatte | Norwegen Lena Bertelsen | Deutschland Maike Klatte | Deutschland Maike Klatte |
2001 | IV | Deutschland Julia Pohling | Deutschland Julia Pohling | Deutschland Julia Pohling | — | Deutschland Julia Pohling |
2003 | V | Deutschland Janin Oer | Deutschland Janin Oer | Japan Naomi Kunihiro | — | Deutschland Julia Pohling |
2005 | VI | Deutschland Janin Oer | Deutschland Nadine Burkhardt | Japan Takako Hiwa | — | Deutschland Janin Oer |
2007 | VII | Schweiz Cécile Meschberger | Deutschland Janin Oer | Norwegen Heidi Hagen | — | Deutschland Janin Oer |
2009 | VIII | Deutschland Jenny Hoffmann | Deutschland Kathrin Schad | Niederlande Kirstin Heerdink | — | Deutschland Svenja Trepte |
2011 | IX | Deutschland Laura Stullich | Deutschland Svenja Trepte | Niederlande Kirstin Heerdink | — | Deutschland Laura Stullich |
2013 | X | Deutschland Laura Stullich | Deutschland Kathrin Schad | Deutschland Sarah Metz | — | Deutschland Riccarda Vogel |
2015 | XI | Schweiz Cheyenne Rechsteiner | Deutschland Yana Looft | Deutschland Sarah Metz | — | Deutschland Lilia Lessel |
2016 | XII | — | ||||
2018 | XIII | Deutschland Kira Homeyer | Schweiz Cheyenne Rechsteiner, Deutschland Lilia Lessel | Niederlande Myrna van Berkel | — | Deutschland Kira Homeyer |
2022 | XIV | Osterreich Birgit Halwachs, Deutschland Karina Peisker, Japan Horiguchi Aya | Deutschland Lilia Lessel | Deutschland Sarah Metz | — | Deutschland Karina Peisker |
Mannschaft
Jahr | Mannschaft | Mitglieder | |
---|---|---|---|
1995 | I | — | |
1997 | II | — | |
1999 | III | Deutschland Deutschland | Katja Homeyer, Ines Meurer, Janin Oer, Maike Klatte, Wolfgang Bientzle, Nico Budniok |
2001 | IV | Deutschland Deutschland | Julia Pohling, Janin Oer, Ursula Kömen, Jan Schäfer, Julius Petri, Constantin Malchin |
2003 | V | Deutschland Deutschland | Jan Schäfer, Julia Pohling, Janin Oer, Constantin Malchin, Holger Schneider, Julius Petri |
2005 | VI | Deutschland Deutschland | Nadine Burkhard, Katrin Schwaben, Janin Oer, Julius Petri, Achus Emeis, Constantin Malchin |
2007 | VII | Deutschland Deutschland | Janin Oer, Julius Petri, Achus Emeis, Constantin Malchin, Sabine Bierfreund, Christoph Clausen |
2009 | VIII | Deutschland Deutschland | Jenny Hoffmann, Julia Pohling, Constantin Malchin, Robert Maaser, Simon Knapp, Christoph Clausen |
2011 | IX | Deutschland Deutschland | Jenny Hoffmann, Svenja Trepte, Laura Stullich, Kathrin Schad, Robert Maaser, Christoph Clausen |
2013 | X | Deutschland Deutschland | Svenja Trepte, Christoph Clausen, Riccarda Vogel, Kathrin Schad, Sarah Metz, Laura Stullich |
2015 | XI | Deutschland Deutschland | Yana Looft, Marcel Schawo, Sarah Metz, Lilia Lessel, Jasmin Schönbach, Dirk Wünsch |
Nationenwertung
Rang | Nation | Titel |
---|---|---|
1 | Deutschland Deutschland | 73 |
2 | Japan Japan | 10 |
3 | Niederlande Niederlande | 3 |
4 | Norwegen Norwegen | 2 |
Schweiz Schweiz | 2 | |
6 | Jugoslawien Bundesrepublik 1992 Jugoslawien | 1 |
Siehe auch
Weblinks
- Rhönradturnen. In: DTB.de
- Eduard Hoffmann: Das Rhönrad wird 90 Jahre alt. In: Deutschlandfunkkultur.de, 11. Oktober 2015