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Eiserne Lunge

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Eiserne Lunge (geöffnet)
Eiserne Lunge
Eiserne Lunge

Eine Eiserne Lunge (korrekte Orthographie nach Duden und Medizin-Duden: eiserne Lunge) war eines der ersten klinischen Geräte, das eine maschinelle Beatmung eines Menschen ermöglichte. Um 1920 entwickelte sie der US-amerikanische Ingenieur Philip Drinker zur Beatmung lungenkranker Patienten. Dabei liegt der Körper des Patienten bis auf den Kopf komplett im Inneren eines Hohlzylinders. Das Gerät schließt am Hals luftdicht ab und erzeugt einen Unterdruck. Dadurch drückt der Umgebungsdruck Luft durch Nase und Mund des Patienten in die Lungen. Entsprechend geschieht die Ausatmung durch den Aufbau eines Überdrucks in der Kammer.

Historische Vorläufer

Auf dem Prinzip der Unterdruckbeatmung beruhende vorangegangene Entwicklungen waren im 19. Jahrhundert der „Tank-Respirator“ (1832) von John Dalziel sowie 1875 das „Spiroscope“ und 1876 der „Spirophore“ von Eugène Joseph Woillez.

Historische Anwendung

Die Eiserne Lunge kam in der Vergangenheit bei Polio-Erkrankten (Kinderlähmung) zur Anwendung. Polio ist eine Viruserkrankung, bei der es zu einer Lähmung der Muskeln einschließlich des Zwerchfells kommen kann. Viele Polio-Patienten benötigten die Eiserne Lunge nur in der Akutphase der Erkrankung bis zum Wiedereinsetzen der Muskelfunktion. Einige Patienten benutzten sie nur über Nacht, andere kontinuierlich.

Drinker testete seine Erfindung zunächst im Selbstversuch, bevor es zum ersten Einsatz einer Eisernen Lunge am 12. Oktober 1928 am Children’s Hospital in Boston kam. Ein an Polio erkranktes achtjähriges Mädchen, das bereits ins Koma gefallen war, konnte innerhalb weniger Minuten wiederbelebt werden. Erst nachdem das Gerät zum Patent angemeldet war, wurde es am 14. September 1929 der Öffentlichkeit vorgestellt. Später verbesserte und vereinfachte der Techniker John Haven Emerson (1906–1997) Drinkers Erfindung. Dadurch wurde die Eiserne Lunge wesentlich kostengünstiger und konnte so in größeren Stückzahlen gebaut werden. Emersons erster Prototyp war 1931 fertig. Der Preis der nachfolgenden Serienprodukte war nur etwa halb so hoch wie bei Drinkers System. Eine an diesen Geräten angebrachte Glaskuppel ermöglicht eine nichtinvasive Positivdruckbeatmung in den Fällen, in denen der Patient aus der Stahlkammer herausgefahren wird, beispielsweise für medizinische oder pflegerische Maßnahmen. Zwischen Drinker und Emerson kam es zu einem Patentrechtsstreit, der zugunsten von Emerson entschieden wurde. Drinkers Patente wurden für nichtig erklärt, da Emerson nachweisen konnte, dass die relevanten Teile der Patente bereits mehrere Jahrzehnte früher bekannt waren.

Die Geräte wurden noch bis ca. 1970 hergestellt. Ab 2004 wurde jedoch keine Wartung mehr angeboten, obwohl noch etwa ein Dutzend Menschen durch eine Eiserne Lunge am Leben erhalten wurden.

In Deutschland wurde aufgrund einer Polio-Epidemie von 1947 erstmals vom Hamburger Arzt Axel Dönhardt eine Eiserne Lunge aus Kriegsschrott wie einem Torpedorohr gebaut. Kurze Zeit darauf startete die Lübecker Firma Drägerwerk eine Serienproduktion Eiserner Lungen. Einer der letzten Deutschen, welcher die Eiserne Lunge nutzte, war Ferdinand Schießl, der von 1958 bis 2004 seinen Schlaf in der Stahlkapsel verbrachte und anschließend auf eine Atemmaske umstieg.

Im Jahre 2008 starb die 61-jährige US-Amerikanerin Dianne Odell nach 58-jähriger Behandlung, weil der Strom ausfiel und das Notstromaggregat versagte. Am 30. Oktober 2009 starb die Australierin June Middleton im Alter von 83 Jahren, wie das Thornbury-Pflegeheim in Melbourne mitteilte. Middleton kam bereits 2006 in das Guinness-Buch der Rekorde – als Patientin, die mit 60 Jahren Dauer länger als alle anderen in einer Eisernen Lunge gelebt hatte.

2018 soll es in den Vereinigten Staaten von Amerika noch drei Nutzer von Eisernen Lungen gegeben haben. Eine von ihnen war die am 28. Februar 2019 verstorbene Mona Randolph. Als letzte Personen, welche die Eiserne Lunge weiterhin anwenden, gelten Martha Lillard aus Oklahoma und der Anwalt Paul Alexander aus Dallas.

Technischer Fortschritt

Die Eiserne Lunge ist mit Einführung der endotrachealen Intubation beinahe vollständig aus dem Gebrauch der modernen Medizin verschwunden. In den USA gibt es noch wenige Patienten, die dauerhaft mit einer Heimbeatmung durch eine Eiserne Lunge versorgt werden, wobei es sich vor allem um ehemals an Polio erkrankte Menschen handelt, die seit Jahrzehnten in Eisernen Lungen leben und nicht auf eine andere Art der Beatmung umsteigen möchten. Heute werden Patienten mit Lähmungen der Atemmuskulatur mit anderen Beatmungsgeräten beatmet. Dabei wird die Luft durch Überdruck in die Lungen gebracht. Ein kurzzeitiger Ersatz der Lungenfunktion ist durch den Einsatz einer ECMO (Extrakorporale Membranoxygenierung) zu erreichen. Diese nutzt einen Oxygenator, wie er ähnlich auch an Herz-Lungen-Maschinen zum Einsatz kommt.

Neuerdings kommen vereinzelt auch sogenannte Atemschrittmacher zum Einsatz, die analog zu Herzschrittmachersystemen über zwerchfellnahe Elektroden, die meist durch hohe Querschnittlähmung inaktiven Phrenikusnerven stimulieren und so das Zwerchfell wieder zur Kontraktion bringen. Ein relativ pflegeaufwendiges Tracheostoma ist damit nicht mehr erforderlich; allerdings müssen dann die Atemschrittmacher gewartet werden.

Eine moderne Fortentwicklung der mit der Eisernen Lunge begonnenen Unterdruckbeatmung ist die Kürass-Ventilation.

Erhaltene Geräte

Eiserne Lunge am Universitätsklinikum Münster

Eiserne Lungen können heute unter anderem an diesen Standorten besichtigt werden (alphabetisch nach Standort):

Rezeption als Film-Requisite

In den Spielfilmen Die haarsträubende Reise in einem verrückten Bus (1976), Im Glaskäfig (1986), Cry-Baby (1990), The Big Lebowski (1998), The Sessions – Wenn Worte berühren (2012), A Cure for Wellness (2016), Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein (2019), in der ARD-Serie Charité (Staffel 3), in den Netflix-Serien The Blacklist (Staffel 6 Folge 16) und The Umbrella Academy (Staffel 3 Folge 4) und in der Serie The Good Doctor (Staffel 5, Folge 15) sowie in Chicago Med (Staffel 7, Folge 14) wurden Eiserne Lungen als Requisiten verwendet.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Eiserne Lungen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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