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Orlistat

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Strukturformel
Strukturformel von Orlistat
Allgemeines
Freiname Orlistat
Andere Namen
  • Tetrahydrolipstatin
  • (2S)-2-Formylamino-4-methylpentansäure-(1S)-1-{[(3S,4S)-3-hexyl-2-oxo-4-oxetanyl]methyl}dodecylester (IUPAC)
  • (all-S)-2-Formylamino-4-methylpentansäure-1-[(3-hexyl-2-oxo-4-oxetanyl)methyl]dodecylester
  • Orlistatum (Latein)
Summenformel C29H53NO5
Kurzbeschreibung

Weißes bis fast weißes, kristallines Pulver

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 96829-58-2
EG-Nummer (Listennummer) 639-755-1
ECHA-InfoCard 100.167.400
PubChem 3034010
ChemSpider 2298564
DrugBank DB01083
Wikidata Q424163
Arzneistoffangaben
ATC-Code

A08AB01

Wirkstoffklasse

Antiadipositum

Wirkmechanismus

Lipasehemmer

Eigenschaften
Molare Masse 495,73 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

43 °C

pKS-Wert

kein Wert innerhalb des physiologischen pH-Werts

Löslichkeit

Praktisch unlöslich in Wasser, gut löslich in Chloroform, sehr gut löslich in Methanol und Ethanol

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Orlistat ist ein Arzneistoff zur Behandlung von Adipositas (Übergewicht), der in Kombination mit einer ärztlich überwachten Reduktionsdiät eingesetzt werden soll. Es verringert – ohne den Appetit zu zügeln – die Resorption von Fett und damit die Energieaufnahme (siehe: Physiologischer Brennwert) aus dem Darm, indem fettzerlegende Enzyme gehemmt werden. Es wird so gut wie nicht resorbiert. Die bisherigen Daten zeigen, dass für einen Teil der Patienten eine Reduktion des Körpergewichts um bis zu zehn Prozent möglich ist. Somit soll Orlistat auch nicht weiter eingenommen werden, wenn der Patient nach zwölf Wochen Einnahmedauer nicht fünf Prozent seines Ausgangsgewichts verloren hat.

Orlistat wird halbsynthetisch aus dem aus Streptomyces toxytricini isolierten Lipstatin hergestellt.

Pharmakologie

Pharmakodynamik

Orlistat hemmt spezifisch und lang anhaltend fettverdauende Enzyme (Lipasen) des Magen-Darm-Traktes. Die therapeutische Wirkung beginnt innerhalb des Magens und setzt sich im Bereich des oberen Dünndarms fort. Chemisch gesehen bindet Orlistat kovalent an das aktive Zentrum der gastrischen und pankreatischen Lipase (Pankreaslipase). Dadurch werden diese Lipasen irreversibel inaktiviert und können die in Form von Triglyceriden vorliegenden Nahrungsfette nicht mehr in resorbierbare freie Fettsäuren und Monoglyceride zerlegen (hydrolysieren). In der Folge werden die Verdauung und die Resorption von bis zu 35 % der mit der Nahrung aufgenommenen Fette verhindert und so das Serumcholesterin gesenkt. Hieraus resultiert primär eine Verringerung des Körpergewichts, wodurch sich sekundär die Glucosetoleranz verbessert und erhöhte Blutdruckwerte sinken können (siehe metabolisches Syndrom). Allerdings scheint Orlistat kontraproduktiv den Appetit zu stimulieren.

Pharmakokinetik

Untersuchungen bei normalgewichtigen und übergewichtigen Probanden haben gezeigt, dass der Wirkstoff nur in sehr geringem Maß vom Körper aufgenommen wird. Plasmakonzentrationen des nicht verstoffwechselten Orlistat waren acht Stunden nach der oralen Einnahme von Orlistat nicht messbar (< 5 ng/ml). Zumeist konnte bei therapeutischen Dosierungen nicht metabolisiertes Orlistat nur sporadisch und nur in äußerst niedrigen Konzentrationen (< 10 ng/ml oder 0,02 μmol) im Plasma nachgewiesen werden, wobei keine Kumulation erkennbar war. Dies lässt auf eine minimale Resorption schließen.

Anwendungsgebiete

Orlistat ist in Verbindung mit einer leicht hypokalorischen Kost zur Behandlung von adipösen Patienten mit einem Körpermasseindex (Body-Mass-Index, BMI) von ≥ 30 kg/m² oder von übergewichtigen Patienten (BMI ≥ 28 kg/m²) mit begleitenden, gewichtsabhängigen Risikofaktoren zugelassen. Die Behandlung mit Orlistat sollte nach 12 Wochen abgebrochen werden, wenn der Gewichtsverlust nicht mindestens 5 % des Körpergewichtes zu Beginn der Medikation beträgt.

Für die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren existieren keine klinische Studien.

Gegenanzeigen und Anwendungsbeschränkungen

Orlistat darf nicht angewendet werden bei

Da die Gewichtsreduktion bei Diabetes mit einer verbesserten metabolischen Kontrolle einhergehen kann, sollten Patienten, die ein Arzneimittel gegen Diabetes nehmen, vor Beginn einer Therapie mit Orlistat einen Arzt konsultieren, weil die Dosierung des Antidiabetikums gegebenenfalls angepasst werden muss.

Während der Einnahme von Arzneimitteln zur Behandlung des Diabetes mellitus sollte eine engmaschige medizinische Überwachung erfolgen, da Orlistat einen Einfluss auf die Wirksamkeit von Blutzuckersenkern haben kann.

Bei Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung und/oder einem Flüssigkeitsmangel ist das Risiko erhöht, dass die Behandlung mit Orlistat zu Hyperoxalurie und Oxalat-Nephropathie führen kann, die manchmal Nierenversagen zur Folge hat.

Nebenwirkung/Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Hauptsächlich und sehr häufig werden Magen-Darm-Nebenwirkungen beobachtet: Steatorrhoe (Fettstühle), ein unangenehmes Stuhlschmieren (anal leakage), vermehrte Darmperistaltik, Stuhldrang und vermehrter Stuhlgang und Flatulenz (Darmwinde). Die Serumspiegel fettlöslicher Vitamine sinken unter Orlistat infolge einer Beeinträchtigung der Resorption durch das Medikament. Erniedrigte Werte sind für die Vitamine D, E und β-Carotin dokumentiert. Normalbereiche werden zwar im Durchschnitt nicht unterschritten, jedoch können in einzelnen Fällen pathologisch erniedrigte Werte vorkommen. Unter Umständen sollte dann eine therapiebegleitende Vitamin-Ergänzung erfolgen. Nachdem für die 120-mg-Dosis in der Zeit von August 2009 bis Januar 2011 21 und von Mai 2007 bis Januar 2011 für die 60-mg-Dosis 9 Verdachtsfälle für eine, in seltenen Fällen schwerwiegende, leberschädigende Wirkung aufgetreten sind, will die europäische Arzneimittelagentur prüfen, inwieweit eine Neubewertung von Orlistat erforderlich ist.

Eine im Dezember 2012 publizierte Studie warnt davor, dass Orlistat andere Medikamente, z. B. Acetylsalicylsäure (Aspirin) oder Zytostatika in ihrer Wirkung negativ beeinflusst. Die Zahl der bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen hat deutlich zugenommen, seitdem der Wirkstoff auch ohne Rezept verfügbar ist.

Klinische Studien

In den bisher vorgelegten placebokontrollierten vier Zweijahresstudien und in einer Vierjahresstudie wurde die Behandlung jeweils mit einer energiereduzierten (hypokalorischen) Ernährung kombiniert. Die gesammelten Ergebnisse aus diesen Untersuchungen zeigen, dass die zwölfwöchige Kombinationsbehandlung bei 37 % der behandelten Patienten und bei 19 % der Placebo-Patienten zu einem Gewichtsverlust von mindestens 5 % ihres Körpergewichtes im Vergleich zum Behandlungsbeginn führte. Wird die Behandlung weiter fortgesetzt, nehmen die Probanden noch mehr ab: 49 % der mit Orlistat behandelten Patienten und 40 % der mit Placebo behandelten Patienten verloren im ersten Jahr weitere 10 % ihres Körpergewichtes oder mehr im Vergleich zum Anwendungsbeginn. Umgekehrt kommt es ohne anfänglichen Behandlungserfolg während der ersten zwölf Wochen auch später nur selten zu einem so deutlichen Gewichtsverlust.

Insgesamt lag der Anteil von Patienten, die unter Einnahme von 120 mg Orlistat in Kombination mit einer hypokalorischen Ernährung 10 % ihres Ausgangskörpergewichtes oder mehr verloren hatten, bei 20 %, bei Placebo hingegen bei 8 %. Im Mittel betrug der Unterschied des erreichten Gewichtsverlustes zwischen Arzneimittel- und Placebo-Gruppen 3,2 kg.

Der Gewichtsverlust nach einem Jahr Behandlung mit einer gewichtsreduzierenden Diät und Orlistat bleibt unter Beibehaltung einer Orlistat-Abgabe und einer gewichtshaltenden Diät in einem zweiten Jahr signifikant besser erhalten als unter Abgabe eines Placebos. Das wieder zugenommene Gewicht im zweiten Jahr ist dabei im Mittel 3,2 (Orlistat) statt 5,6 kg (Placebo), bei einem vorhergehenden mittleren Gewichtsverlust von 8,8 kg (Orlistat) bzw. 5,8 kg (Placebo) im ersten Jahr.

In klinischen Studien brechen ein Drittel der Patienten die Orlistat-Behandlung vorzeitig ab.

Weitere Daten aus klinischen Studien legen die Möglichkeit nahe, dass der unter Orlistat-Anwendung erreichte Gewichtsverlust das Auftreten einer Erwachsenen-Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ II) hinauszögert. Grundsätzlich können alle mit der Adipositas assoziierten Risikofaktoren günstig beeinflusst werden: Senkung des Gesamtcholesterins, Senkung des LDL- und Anstieg des HDL-Cholesterins, Senkung des Nüchtern-Blutzuckers, der Insulinkonzentrationen im Serum, Abfall der systolischen und diastolischen Blutdruckwerte. Ergebnisse aus Langzeitstudien über die Beeinflussung kardiovaskulärer Komplikationen (Herzinfarkt, Schlaganfall) und der Mortalität fehlen allerdings immer noch.

Eine weitere Studie zeigte, dass mit einer Kombinations-Behandlung aus Orlistat, hypokalorischer Ernährung, Vitaminergänzung und körperlicher Bewegung auch bei der Problemgruppe der adipösen Jugendlichen eine vergleichbare Gewichtsreduktion wie bei Erwachsenen zu erreichen ist (unter Studienbedingungen). Bedenklich erscheint hier jedoch ein vermehrtes Auftreten von Knochenbrüchen unter Orlistat.

Metaanalyse

In einer 2007 veröffentlichten Metaanalyse, für die 16 doppelblinde, randomisierte und Placebo-kontrollierte Studien mit einer Beobachtungsdauer von einem Jahr oder länger eingeschlossen werden konnten, zeigten mit Orlistat Behandelte gegenüber Placeboeinnehmenden eine Gewichtsabnahme von 2,9 kg (eine über Placebo hinausgehende 5%ige Gewichtsreduktion bei 21 %, eine 10%ige bei 12 % der Patienten). Die Inzidenz für Diabetes mellitus und die Plasmakonzentrationen des Gesamtcholesterins wurden gesenkt, ebenso die für LDL (um 0,27 mmol/L). Systolischer und diastolischer Blutdruck wurden im Mittel um 1–2 mmHG gesenkt, die glykämische Kontrolle gebessert. Als unerwünschte Wirkung traten gegenüber Placebo vermehrt gastrointestinale Nebenwirkungen auf und wurden die Plasmakonzentrationen des HDL geringfügig erniedrigt.

Handelspräparate

Xenical 120 mg ist in Deutschland (zugelassen seit 1998), Österreich und der Schweiz – wie in vielen anderen Staaten – verschreibungspflichtig, d. h. nur auf Rezept erhältlich. In Griechenland, Australien und vielen Teilen Asiens wird das Medikament rezeptfrei in Apotheken verkauft.

Im Februar 2007 hat die Food and Drug Administration (FDA) und im Januar 2009 die Europäische Kommission die Zulassung für eine rezeptfreie Formulierung zu 60 mg Orlistat mit dem Handelsnamen Alli erteilt. Von den Herstellern Hexal AG und Ratiopharm wurden im weiteren Verlauf arzneistoffgleiche Nachahmerpräparate (Generika) herausgebracht, wobei diese unter dem Arzneistoffnamen Orlistat vertrieben werden. In Österreich zeigten Testkäufe, dass das Medikament häufig auch abweichend von der Indikation und unter Missachtung der Kontraindikationen in Apotheken verkauft wird. Es gibt daher vereinzelt Überlegungen, ob der rezeptfreie Status von Orlistat ausreichend sicher ist (siehe Abschnitt Nebenwirkung/Unerwünschte Arzneimittelwirkungen).

Weblinks


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